II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 320

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14. Der-Schleiender Beatrice
ee
gehörig weggelassen hätte; manchem war es viel¬
ihres Lebens Märchen herauf:
an den Or
leicht zuviel.
sinnlichem Traume sah sie einst den
dem Marte
„Der Schleier der Beatrice.“
In zwei Gestalten hat Schnitzler sein Bestes
schönen, ritterlichen Herzog als ihren
Aber selbst
Schauspiel in fünf Akten von Arthur
und Besonderes hineingedichtet, und um dieser
Gatten, und in der Nacht ietzter toller
sie der Spic
Gerk. 1 Schnitzler.
beiden Gestalten willen wäre das Stück es wert,
Freuden tritt der Herzog ihr entgegen, sie be¬
stahl eines
(Erstaufführung
im Deutschen
auf der Bühne fortzuwirken. Es ist eine etwas
gehrend mit den Sinnen. Aber wie sich in der
Der Herzo
Theater.)
schlaffe und müde Renaissance, in die Schnitzler
Hand einer Weibkreatur wohl das Hohe in ein
Wesens:
Dieses Schauspiel
liegt seit drei
führt. Er gibt Trutzgestalten ohne Trutz, Feste
Gemeines verwandeln kann, so auch das Gemeine
„Warst 2
Es
Jahren (Verlag S. Fischer) vor.
in ein Hohes. Vor dieser kindlichen, von geheim¬
des Lebens eigentlich ohne innere Glut und
Das mit de
hat durch die Theaterbureaukratie sonderbare
schäumende Kraft. Cesare Borgia liegt
nisvollen Eingebungen bestimmten Sünderin
eine
Mi
Schicksale erlebt, ehe es auf das Theater selbst
weichen des Herzogs Launen, und der Bentivoglio
vor den Toren Bolognas, das menschliche
M
kam.
Und es hat ganz und gar
Raubtier, und am nächsten Tage soll die Stadt
ergreift ganz ernsthaft der Kleinen halb hinge¬
G
nicht
die Anlage eines Buchdramas;
dem gransamen Herzog der Romagna zur Beute
streckte Hand zum Ehebunde. Und abermals fällt
es
verlangt, mit vielen thea¬
der Willenlosen, Verantwortungslosen ein
fallen, und aus soll es sein mit dem Geschlechte
tralischen Qualitäten klug ausgestattet,
der Bentivoglio. Darum noch einmal auskosten
Opfer: der treu empfindende Brakenburg gibt sich
2
nach dem Theater. Eine Mischung von komö¬
den Becher sinnlicher Freuden; die Nacht vor
den tödlichen Dolchstoß aus Liebe zu seinem
Klärchen.
diantischem Schein und dichterischem Sein, von
dem sicheren Tode, wenn man ihm mit gesundem
Ueberkommenem und Eigenem, hat das re¬
Körper entgegengeht, ist eine Nacht geistigen
Und eben dieser Beatrice erscheint es weiter
2
naissancehaft verkappte Wiener Stück auf den
Taumels und schwelgerischer Lüste. Der Or¬
nicht erstaunlich, daß sie sich, nachdem ihr kaum
Brettern seine Wirkung getan, zumal das
giasmus Schnitzlers ist ein bißchen mager ge¬
das holdeste Traumwunder erfüllt worden, wie¬
„Deutsche Theater“es an der dekorativen Grund¬
räten; es ist nur ein anderer Hamerling, der
der im Bannkreis ihres Dichters sieht, den sie
lage nicht fehlen ließ und die Darstellung —
die Worte, ein anderer Makart, der die Farben
liebt, und der sie fortgewiesen. Er hat einst ihr
mit Ausnahme Rudolf Rittners, dessen
leiht. Viel theatralischer Schwall und Hall.
„Lebewohl“ gesagt, sie aber hatte mit einem
Eigenart auch diesmal heftig an der Form
Aber echt ist die Seele der kleinen Beatrice
„Auf Wiedersehen“ entgegnet. Der Dichter hat
scheiterte, — mit Glück bemüht war, den nicht
und ihre allzu menschliche Tragödie. Schnitzler
den einen Schlüssel ihres Wesens:
allzu dentlichen Lebensspuren des Werkes zu
kennt diese befleckten, doch unwissend=reinen
— Du bist
folgen. Frl. Triesch war wieder am weitesten
Seelchen, das kleine süße Mädel, dessen Typus
Zu staunen nicht gemacht. Niemals hat Dich
zum Kern der Aufgabe vorgedrungen. Ihr
er in der Literatur befestigt hat. Er bringt hier
Des Daseins Wunder namenlos erschreckt,
paaren sich scharfe Intelligenz mit schöpferischer
die Nuance des Nachtwandlerischen hinzu; Bea¬
Nie bist Du vor der Buntheit dieser Welt
Phantasie, und so ist Veatrice, die aus dem ver¬
trice entzündet Herzen und weiß es nicht; wie
In Andacht hingesunken, und daß Du,
wirrenden Gedränge romantischer Ereignisse und
im Traum geht sie von Lust zu Lust; Opfer be¬
Die Beatrice ist, und ich, Filippo,
schwankender Gestalten sich gar nicht leicht her¬
Sich unter den unendlich vielen fanden,
zeichnen ihren Weg, als müßte es eben so sein.
auslösen läßt, als ein klares Charakterbild
Vom Volksfest nimmt ein Dichter sie mit nach
Hat nie mit tiesem Schauer Dich erfüllt ..
menschlich in die Kreise zuschauender Menschen
Hause; sic hat ihm höchstes Glückgefühl entzünber
Und daß Du Fürstin von Bologna bist,
getreten.
und ihn abtrünnig gemacht von allem dem, was
Macht Dich so wenig staunen, Beatrice,
Die Leute waren über das Stück selbst
Wie wenn sich eine Mück' auf Deine Hand setzt.“
ihm heilig im Leben war; er ist bereit, seine
keineswegs einer Meinung. Die Beweggründe
Braut zu verlassen, sein unglückliches Vaterland
Sie kommt mit Todesempfindungen zu Fi¬
di
der Opposition sind nicht sogleich zu erkennen.
zu fliehen. Sie bringt diesem Dichter und den
lippo. Aber das Grauen ist stärker in ihr; kin¬
er
Diese Beatrice hat ja wie Fatinitza sehr vieles
Seinen das Verderben. Ein bescheidener Jüng¬
dische Furcht treibt sie vom Sterbelager des Ge¬
der
en
durchzumachen in kurzen Stunden; manchem war
ling ihres Standes begehrt sie zur Frau; sie hat
liebten fort und wieder in die Arme ihres Her¬
besinnen,
es gewiß zu viel. Das Stück führt in lang¬
nicht Liebe für ihn, aber in seiner treuen Liebe
zogs; Furcht läßt sie Verrat begehen an dem Ge¬
seiner Einb
gestreckter, etwas zäher Entwickelung manches
wird sie ausruhen. Auf dem Wege zum Altar
heimnis ihrer letzten Stunden: der Herzog
winnen. D
mit, was ein stärkerer Dichter als nicht zur Sache] wendet sich ihr Geschick abermals, und nun zieht will ihr verzeihen, aber sie soll ihn selbst führen 1 durch eint#