II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 322

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14. Der Schleiender-Bestrice
Antlitz, treibt sie das gesteigerte Lebensgefühl, der Drang zum
gangenen Vittorino noch bluß
Theater und Musikod6
Glück und Genuß, der vor keinen Folgen mehr zu erbleichen
Altare mit dem kostbaren Sch
#*Arthur Schnitzlers großes fünfaktiges Schauspiel,
braucht, die Wahrheit ihrer Natur schleierlos zu enthüllen. Aber
dem Morgenlande mitgebracht
„Der Schleier der Beatrice", in Berlin jetzt erst
weit größer und kühner als in ihrem Spitalseinakter ist dieser
Leben fiebernd, zum zweiten
drei Jahre nach seiner Entstehung, im Deusschen= Theater
sam, fordert er, wollen sie bes
fruchtbare Gedanke in diesem Fünfakter konzipiert, dem ersten
aufgeführt, vermag an dem Gesamtbilde des Dichters=nichts zu
hohen Versdrama, das Schnitzler zu schaffen unternommen hat.
ihr Lebensdrang, der sich an
ändern. Er bleibt auch hier, was er von Anfang an war und
Auf dem blutig düsteren Hintergrund der italienischen Re¬
schrickt vor dem Becher feige
als was er sich inzwischen in den „Lebendigen Stunden“, der
allein; bei ihm zurück bleibt
naissancezeit, die heute wieder so modern, läßt er die Hand¬
jüngeren Gabe, von neuem gezeigt hat: ein geistreicher, mit den
auf der bebenden Flucht vor
lung sich abspielen. Bologna liegt, dem unentrinnbaren Tode
Reizen der Welt und des Lebens reizvoll spielender Virtuose,
vergißt.
geweiht, in den eisernen Umschlingungen des Cesare Borgia,
Zum Herzog
ein mit seinen eigenden Gebilden kokettierender zartfingriger
wie Pisa in denen des Prinzivalli. Um so heißer lechzt der
erkannt, soll sie sterben,
Kleinkünstler, der seine blitzenden Einfälle, wie der Juwelier
Gaumen nach der letzten köstlichen Neige des Lebens. In
wiederschafft. Und sie wa
seine Edelsteine, mit verliebten Händen streichelt und kost, sie
Beatrice Nardi, der dämonisch schönen Tochter eines irren
Leben, aus Furcht vor de
unaufhörlich dreht und wendet, auf daß das Licht nur ja auch
Wappenschneiders, krystallisiert sich dieser noch halb von kind¬
Gemahls zum dritten Male
nicht einen einzigen Strahl unerweckl darinnen schlummern
lichen Träumen umfangene Lebensdrang zu verhängnisvoller Tragik.
und Leichnam offenbaren dem
lasse. Die Bijour, die der Anatol=Dichter bisher vor uns ausge¬
Hysterische Hitze und kühle Berechnung, naive Ahnungslosigkeit
verschleierten Wesens:
breitet hat, sie waren eigentlich alle aus ein und demselben Stoffe:
Warst du nicht, Beat
und wissende Feigheit paaren sich in ihr zu einer wundersamen
um Lieben und Sterben drehte sich von jeher das Aechslein seiner
Däs mit der Krone
Blüte von schwülem exotischem Duft. Etwas vom Wedekindschen
Mit eines Dichters
Dramen und Dramolets, nicht selten um beiden zugleich.
Erdgeist“ steckt in ihr, in die weichlichere Krume der Wiener
Mit eines Jünglings
Mit dem Sklaven Mohammed in Heines Romancero
Treibhausdichtung verpflanzt.
Wen sie liebt, der entbrennt zu
Geschenkt war? Ab
könnten seine Helden und Heldinnen sprechen: Und mein!
seligster Daseinsfreude, aber er verzehrt sich auch schnell, wie
Und leiden's nicht, i
Stamm sind jene Asra, welche
sterben, wenn sie lieben.
ein Licht, an dem eine zu heiße Flamme leckt. Den Dichter
Nicht nur das einz'g
Sentenz bedürfte noch
Aber auch diese geschraubte
Filippo Loschi entflammt sie im Nu zu lodernder Lebensglut;
Die ganze Welt.
„sterben“ in der ganzen
einer Variante. „Lieben“ und
aber kaum gewonnen, entschleiert sie ihm die ganze unbewußte
Betrug und Frevel
Größe ihrer Natur erfaßt, sind zwei Erscheinungen,
Schamlosigkeit ihrer Seele. Im Innersten verändert, wendet er
Von der Hand des Brude
Wiener Dekadent
deren machtvolle Erhabenheit ein
sich ab, um, seiner verlassenen Braut fast schon wieder zurückge¬
in einer Person, stirbt sie.
von heute so wenig erträgt, wie Semele den Jupiter
wonnen, von neuem ihrem dämonischen Zauber zu verfallen. Aber
gutgläubige Narr aus dem B#
im Blitz und Donner des Kroniden. Er muß sie
nur in neuer und doppelter Untreue kommt sie zu ihm. Schon
adlige Herrenmensch schreitet ü
„vermenschlichen“, was bei ihm so viel heißt wie verkleinern und
im Brautschleier, um einem braven Verehrer die Hand fürs
wie er hofft:
Leben zu reichen, sieht sie den jungen Herzog von Bologna,
Das Zeichen tönt, und
Mretit ur ir Setreschelstaekteret
Wie nie zuvor beflügelt
mit dem ihre Traumphantasie glanzberauscht schon vorher ge¬
wie am Dornenpfühl des andern, um Werden und Vergehen
Die frischen Morgenlüfte
buhlt hat, leibhaftig vor sich hintreten, sie zu begehren. Nicht
Und preise dieses Leuchte
mit dem bunten Spiel schöner Reden zu begleiten.
als Geliebte, nur als Gattin will sie dem Herzog in den
Als wär er mir allein so
Der „Schleier der Beatrice“ erinnert seiner Idee nach
Palast folgen. Bentivoglio willigt ein: wozu unter den
Das Leben ist die
stark an die „Letzten Masken“ in dem Einakterzyklus
Schatten des Todes noch nach Geburt und Stand fragen!
Und noch der näch
„Lebendige Stunden“. Hier wie dort zieht das Bewußt¬
So wird Beatrice
alles trägt sich in weniger denn zwei
Nur wenn es Schnitzler
sein des nahen Todes den Menschan das Visier vom Tagen zu, — indes die Leiche des freiwillig in den Tod ge= zwingendes Gemälde der S