II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 321

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14. Der Schleiender Beatrice
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gehörig weggelassen hätte; manchem war es viel¬
ihres Lebens Märchen herauf: in
an den Ort ihrer Sünde — erst der Abscheu vor
leicht zuviel.
sinnlichem Traume sah sie einst den
dem Martertode zwingt ihr dies Zugeständnis ab.
Beatrice.“
In zwei Gestalten hat Schnitzler sein Bestes
schönen, ritterlichen: Herzog als ihren
Aber selbst an dem schlimm=heiligen Orte bleibt
von Arthur
und Besonderes hineingedichtet, und um dieser
Gatten, und in der Nacht letzter toller
sie der Spielball ihrer Aengste, und erst der Mord¬
r.
beiden Gestalten willen wäre das Stück es wert,
Freuden tritt der Herzog ihr entgegen, sie be¬
stahl eines Eiferers macht sie frei von alle dem.
Deatschen
auf der Bühne fortzuwirken. Es ist eine etwas
gehrend mit den Sinnen. Aber wie sich in der
Der Herzog hat den anderen Schlüssel ihres
schlaffe und müde Renaissaace, in die Schnitzler
Hand einer Weibkreatur wohl das Hohe in ein
Wesens:
drei
liegt seit
führt. Er gibt Trutzgestalten ohne Trutz, Feste
Gemeines verwandeln kann, so auch das Gemeine
„Warst Du nicht, Beatriee, nur ein Kind,
vor. Es
ischer)
I in ein Hohes. Vor dieser kindlichen, von geheim¬
des Lebens eigentlich ohne innere Glut und
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, —
hukratie sonderbare
nisvollen Eingebungen bestimmten Sünderin
schäumende Kraft. Cesare Borgia liegt
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel, —
weichen des Herzogs Launen, und der Bentivoglio
das Theater selbst
vor den Toren Bolognas, das menschliche
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
und gar
Raubtier, und am nächsten Tage soll die Stadt
ergreift ganz ernsthaft der Kleinen halb hinge¬
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
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Buchdramas;
dem grausamen Herzog der Romagna zur Beute
streckte Hand zum Ehebunde. Und abermals fällt
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
vielen thea¬
der Willenlosen, Verantwortungslosen
fallen, und aus soll es sein mit dem Geschlechte
ein
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sei. — nein, mehr!
der Bentivoglio. Darum noch einmal auskosten
Opfer: der treu empfindende Brakenburg gibt sich
lug ausgestattet,
Die ganze Welt. So nannten wir Dein Tun
Mischung von komö¬
den tödlichen Dolchstoß aus Liebe zu seinem
den Becher sinnlicher Freuden; die Nacht vor
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind!“
Klärchen.
dem sicheren Tode, wenn man ihm mit gesundem
terischem Sein, von
Und mit einem wehmütigen Blick auf des
hem, hat das re¬
Körper entgegengeht, ist eine Nacht geistigen
Und eben dieser Beatrice erscheint es weiter
Dichters Leiche spricht der Herzog das Schlu߬
Aner Stück auf den
Taumels und schwelgerischer Lüste. Der Or¬
nicht erstaunlich, daß sie sich, nachdem ihr kaum
wort dieser Tragödie:
giasmus Schnitzlers ist ein bißchen mager ge¬
etan, zumal das
das holdeste Traumwunder erfüllt worden, wie¬
„Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte,
dekorativen Grund¬
räten; es ist nur ein anderer Hamerling, der
der im Bannkreis ihres Dichters sieht, den sie
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau'n.“
die Darstellung —
die Worte, ein anderer Makart, der die Farben
liebt, und der sie fortgewiesen. Er hat einst ihr
Es war ein Dichter, der mehr mit der Phan¬
[Rittners, dessen
leiht. Viel theatralischer Schwall und Hall.
„Lebewohl“ gesagt, sie aber hatte mit einem
tasie als mit dem Herzen liebte. Diese, Phantasic
ftig an der Form
Aber echt ist die Seele der kleinen Beatrice
„Auf Wiedersehen“ entgegnet. Der Dichter hat
ist sehr leicht zu verletzen, zu beflecken, zu ver¬
üht war, den nicht
und ihre allzu menschliche Tragödie. Schnitzler
den einen Schlüssel ihres Wesens:
düstern. Beatrice war ihm die neue Muse, an
n des Werkes z
kennt diese befleckten, doch unwissend=reinen
— Du bist
seiner Reinheit sollte sie rein werden. Aber ihre
wieder am weitesten
Seelchen, das kleine süße Mädel, dessen Typus
Zu staunen nicht gemacht. Niemals hat Dich
naive Verdorbenheit stört ihm das Werk der
vorgedrungen. Ihr
er in der Literatur befestigt hat. Er bringt hier
Des Daseins Wunder namenlos erschreckt,
Läuterung. Es ist eine hohe psychologische Fein¬
mit schöpferischer
die Nuance des Nachtwandlerischen hinzu; Bea¬
Nie bist Du vor der Buntheit dieser Welt
heit, daß das Mädchen durch die harmlose Er¬
ke, die aus dem ver¬
trice entzündet Herzen und weiß es nicht; wie
In Andacht hingesunken, und daß Du,
zählung eines lüsternen Traumes diese Tasso¬
ischer Ereignisse und
im Traum geht sie von Lust zu Lust; Opfer be¬
Die Beatrice ist, und ich, Filippo,
natur in ihren zartesten und geheimsten Vor¬
ar nicht leicht her¬
Sich unter den unendlich vielen fanden,
zeichnen ihren Weg, als müßte es eben so sein.
stellungen ernüchternd, zerstörend irifft. Der
ares Charakterbild
Hat nie mit tiesem Schauer Dich erfüllt ...
! Vom Volksfest nimmt ein Dichter sie mit nach
Dichter ist ein Glücksucher, aber keiner von den
chauender Menschen
Und daß Du Fürstin von Bologna bist,
Hause; sie hat ihm höchstes Glückgefühl entzündet
robusten. Ein Hauch kann, den schimmernden
und ihn abtrünnig gemacht von allem dem, was
Macht Dich so wenig staunen, Beatrice,
Spiegel seiner Seele trüben. Er ist bereit, im
das Stück selbst
Wie wenn sich eine Mück' auf Teine Hand setzt.“
ihm heilig im Leben war; er ist bereit, seine
Zweikampf, in aussichtslosem Schlachtgetümmel
Die Beweggründe
Braut zu verlassen, sein unglückliches Vaterland
Sie kommt mit Todesempfindungen zu Fi¬
die Vergehungen seines Egoismus zu büßen; aber
gleich zu erkennen.
zu fliehen. Sie bringt diesem Dichter und den
lippo. Aber das Grauen ist stärker in ihr; kin¬
er hat nicht den Mut, nach der Begegnung mit
Fatinitza sehr vieles
Seinen das Verderben. Ein bescheidener Jüng¬
dische Furcht treibt sie vom Sterbelager des Ge¬
der holden kleinen Teufelin sich auf sich selbst zu
nden; manchem war
ling ihres Standes begehrt sie zur Frau; sie hat
liebten fort und wieder in die Arme ihres Her¬
besinnen, seinem Leben einen neuen Inhalt,
tück führt in lang¬
nicht Liebe für ihn, aber in seiner treuen Liebe
zogs; Furcht läßt sie Verrat begehen an dem Ge¬
I seiner Einbildungskraft ein neues Leben zu ge¬
twickelung manches
wird sie ausruhen. Auf dem Wege zum Altar
heimnis ihrer letzten Stunden: der Herzog
winnen. Dem Empfindlichen wird sein Schicksal
als nicht zur Sache wendet sich ihr Geschick abermals, und nun ziehtI will ihr verzeihen, aber sie soll ihn selbst führen 1 durch ein töricht=dummes Kind.
J. E.