II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 366

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14. Der Schleier der Beatrice
Clemens Freyer
Bureau Deutschlands
hre 1885
dende
Nr. 74
Neu -York
ritt
bezw. Zeitschrift:
Zeitung
□7. 9. 1903
Nardi, willen seiner Braut, der Gräfin Teresina
Vaters, angetraut. Weshalb diese Eile? Nun, rausch sinnlos waltenden Einbildungskraft hat
Fantuzzi, die Treue. Er ist innerlich wie um¬
brief.
einfach deshalb, weil Bologna eben nur noch für uns gestern das Deutsche Theater vorgeführt. Sie
gewandelt und selbst die Not seiner Vaterstadt,
diese eine Nacht Bologna ist, und dann, weil sich werden auf den bereis morsch werdenden Brettern
gegen welche der grimme Cesare Borgia mit ge¬
rice“
auch der Herzog noch in dieser Nacht mit der dieser ehemals so ausgezeichneten Schaubühne
waltiger Heeresmacht heranzieht, vermag ihn aus
schönsten Bologneser Jungfrau vermählen will! nicht lange umgehen. Es sind Gespenster, die
seiner Liebesschwelgerei nicht herauszureißen zu
Wenn das keine Motive sind, dann giebt es eben wirklich einen unfreiwillig komischen Eindruck
männlichem Entschluß. Die Welt bedeutet ihm
überhaupt keine. Auf dem Wege zum Altar tritt! machen, und das um so mehr, je weniger sich die
Cyklus, des
Beatrice und außer ihr, ohne sie versinkt alles in
dem Brautpaar der Herzog in den Weg. Er
Mitspielenden in ihre allerdings unmöglichen
t mit diesem
wesenloses Nichts. Bologna hat nur noch eine
bleibt wie gebannt von Beatrices Schönheit stehen,
Situationen schicken konnten. Alle aufgebotenen
hnischen Be¬
Nacht vor sich, so versichern uns alle Personen in
allein nach Verhandlungen mit ihrem Bruder
Kräfte versagten, mit der einzigen Ausnahme von
eit Lionardo
diesem Stücke, obwohl wir von einigen vernünftig
Francesco, der freiwillig unter die herzoglichen
Irene Triesch, der Darstellerin der Titel¬
lt, ein neues
gebliebenen Bürgern dieser Stadt die beruhigend¬
Scharen getreten, gibt er Beatrice frei. Allein
rolle.
Her zu aller¬
sten Angaben über den Stand der Verteidigungs¬
jetzt bleibt diese wortlos und in Verzücktheit wie
Berlin, den 8. März 1903.
erreichischen,
vorbereitungen, über den ungebrochenen Mut der
Elsa von Brabant vor dem Schwanenritter stehen
ihrem weib¬
Verteidiger selbst und über den für mindestens
und erklärt endlich nach minutenlangem Schweigen,
ren Gegen¬
sieben Tage reichenden Mundvorrat erhalten.
dem Herzoge folgen zu wollen — aber nur als
htgewändern
Indessen diese Voraussetzung von dem unmittelbar
seine Gemahlin. Der Herzog willigt ein, und
Weshalb er
bevorstehenden gräßlichen Ende der herrlichen
binnen einer Stunde soll im Dome ## Bologna
wissen. Hat
Stadt Bologna —
Borgia ist bekanntlich kein
der Ehebund eingesegnet werden. Vittorino er¬
ucher Egmont
Lamm als Sieger! — ist für den Dichter Schnitzler
sticht sich. Nach der Feier in der Kirche wird
hen, einmal
eine Notwendigkeit, um alle die Tollheiten in
Hochzeit im Schlosse gefeiert. Filippo erfährt
erei und das
seinem Stücke, alle die Wahnwitzigkeiten seiner
durch Zufall von dieser Begebenheit. Plötzlich
n zu lassen?
Personen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Wir
erscheint Andrea, der Bruder jener Teresina
Vermutung
sehen wirklich Tollgewordene, aber freilich nicht
Fantuzzi, die vom Gram über den Treubruch!
nnsthal, ein
in einem richtigen Tollhause, sondern in einer auf
Filippos wahnsinnig geworden, um Rechenschaft
dramatischen
des Dichters Befehl toll gewordenen Stadt. Hat
von dem Verräter zu fordern. Bei einem Haar,
nitzler mit
aber ein Dichter dazu ein Recht, eine ganze Ein¬
der bereits begonnene Zweikampf — ohne Zeugen
auf daß er
wohnerschaft einer Stadt mit einem Male für un¬
natürlich! — hätte ein blutiges Ende genommen.
nämlich ge¬
zurechnungsfähig zu erklären, weil er, der Dichter,
Da hört Filippo seinen Namen von einer Frauen¬
versieglichen
seine Geschöpfe Handlungen begehen lassen will,
stimme ausrufen; er fleht Andrea fußfällig au,
Schnitzler
die auf völlige Unzurechnungsfähigkeit der Han¬
ihn zu verlassen. Es geschieht und Beatrice er¬
in eine Art
deinden mit Notwendigkeit hinweisen? Hierauf
scheint. Im Hochzeitsgewande und noch mit dem
von üppigen
müssen wir trotz aller Anerkennung einer gewissen
„Schleier“ angetan, den ihr der Herzoggemahl
rei Stunden
dichterischen Begabung an Arthur Schnitzler
geschenkt, tritt sie in das Haus Filippos. Sie er¬
ieder mußte
mit einem runden „Nein!“ antworten: Also:
zählt alles, was sich inzwischen begeben, und
klich auf uns
Filippo und Beatrice leben in dem holdseligsten
Filippo ist noch von einem größeren Widerwillen
so wenig zu
Vereine, ihre Liebe ist ungetrübt. Beide sind ent¬
gegen sie erfüllt. Aber sie wollen noch in dieser
wird, wieschlossen, die wenigen Stunden zu benutzen, um
einen Nacht selig sein und dann sterben. Sie
hen machen.
den Mauern Bolognas, die sich ja schon morgen
trinken aus einem Becher, der mit angeblich ver¬
phantastische
dem fürchterlichen Borgia öffnen werden, zu ent¬
gistetem Wein gefüllt ist. Beatrice beginnt
stischen Ge¬
fliehen. Battista hat um zweihundert Goldstücke
ängstlich zu werden. Filippo blickt eiskalt. Bald
bestreitbares
die erforderlichen Pferde gekauft. Da erzählt
ist alles aus. Allein der Wein war gar nicht ver¬
hantastischen
Beatrice eine Traumgeschichte, in welcher sie vom
giftet. Die Lebenslust erwacht von neuem.
setzt, so kann
Herzoge entführt wird, und das bringt Filippo in
Aber Filippo hatt die Geschichte satt. Ein Becher
hren. Allein,
solch eine Raserei, daß er sein angebetetes Wesen
gefüllt mit jenem Saft, der wirklich eilig trunken
ildungskraft
mit den Worten „Du Di ne des Traumes“ von
macht, aber für immer, steht noch im Zimmer,
Prer wie der
sich stößt und davonjagt. Man kann allenfalls
den ergreift Filippo und den trinkt er bis auf den
die Frage
diesen Zug eines überre zten Gemütes in einer
letzten Tropfen aus. Beatrice versichert einmal
Dein gutes
Märchenhandlung gelten lassen. Was geschiehl
über dem andern: „ich will's ja tun“; allein der
daß sich da¬
nun aber weiter? Veatrice, in ihr Elterahaus
Neidung hat ihr keinen Tropsen übrig gelassen.
en?“ Ein
zurückgekehrt. wird Hals über Kopf ihrem eigem= Filippo sinkt entseelt zu Boden. Beatrice aber
slippo Loschi lichen Verlooten Vittorino Monaldi, einem tuch= wird vom Herzog — begnadigt!
iner Beatrice tigen Stempelschneider in der Werkstatt ihres! Diese Ausgeburten einer in einem Haschisch¬