II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 373

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Der Schleien derBeatrice
Davei mußte allerdings in die
den Kriegsmaschinen, mit denen vor Einführung der Mit der fortschreitenden Entwickelung der Technik
mneingeleuchtet werden, in der die
Pulvergeschütze befestigte Orte angegriffen und ver¬
nahmen jedoch die Schwierigkeiten der Bau=Aus¬
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nicht umschleierter? Ein Prüfer, ein Zweifler an
kleinen Schar, die seinem Schatten folgt. Beatrice ist
Schleier der Beatrice.
allen Daseinswerten, eifersüchtig auf Träume, ein
die stärkste seiner bisherigen Dichtungen.
auspiel von Arthur Schnitzler.
Mittelbarer, kurz: ein Dichter. Es gibt keinen
II.
besseren Vergleich in der Welt der Taten als den
üihrung im Deutschen Theater.
Nicht die gelungenste, noch die gefälligste. Ich
schrecklichen eines Lustmörders; der Besitz des Leibes
will kurz sein. Von den Versen schweig' ich. Das
genügt ihm nicht — er schlitzt ihn auf, um das Ge¬
trice? Sie verläßt eine Art Bräutigam
Profil des Stücks ist unbeholfen. Sehr viel Ballast;
heimnis herauszuholen. Er selber leidet an der Qual,
Dichter Filippo Loschi, geht wieder zum
die er schafft.
sehr viel Zwecklosigkeit. Es fehlt die leichte Hand
und die wundersame Klarheit der lateinischen Völker.
t den Bräutigam für einen Herzog,
Das denkwürdigste Bild eines solchen Mannes
eder für den Filippo Loschi, den ge¬
Manches „kommt“ dramatisch nicht „heraus“. Gleich¬
bleibt Hebbels Herodes — der alle Möglich¬
wieder für den lebenden Herzog. Sie
viel: das kann uns dies Gesamtgebilde nicht verleiden.
keiten in die letzten Schlupfwinkel verfolgt, um
zehn Jahre, und lebt in der Renaissance¬
Es ist Blut von unserem Blut; Allermenschlichstes redet,
ein gesteigertes Bewußtsein des Geliebtwerdens
ist mehr als ein Mädchen: sie ist ein
klagt ... und verstummt. Ich will von der leichten.
herbeizuführen; er hat die Verzweiflung sehn¬
mmenfassung; ein Urbild. Beatrice ist
Aufgabe abstehen, die dramaturgischen Schwächen dar¬
süchtigen Mißtrauens; er grübelt: wie sich Mariamne
— mit der wir den ewigen Liebes¬
zutun; jeder Hörer hat sie bemerkt — während nicht
verhalten könnte, wenn er eines Tages tot wäre;
ie als Stellvertreterin eingesetzt ist (in
jeder den starken Besitz wahrgenommen hat, den so
es ist das tiefste Liebesdrama aller Zeiten;
ein Drama verleiblicht.
Exemplaren) des großen, triebhaften
hier wird der ganze Abgrund stabiliert — in dem
die Menschen zur Welt bringt; die sich
Nur ein Wort über die Darstellung. Rudolf Rittner
sich beides umschlingt: untrennbare Gemeinschaft
so weit noch nicht entfernt hat wie der
war ein Besetzungsirrtum. Er war für diesen Liebes¬
und ewige Fremdheit zwischen „Liebenden". Oder:
Grund den Erwägungen egoistische
hamlet so unzureichend ... wie er zuletzt für den
zwischen Menschen. Es wird nur herdischer, wüsten¬
trice bleibt das Unbewußte gegenüber
Dänen Hamlet unzureichend wäre. Eine nervenfeine
hafter ausgedrückt; später sagt es der stille Jacobsen
ßten; der Lebenstrieb, der nicht gar so
Welt gestufteren Fühlens, halber Regungen, ver¬
im Niels Lyhne mit folgenden Worten: „Es war das
mständen mäkelt; der sich rasch anpaßt;
borgener Anläufe, gespaltener Triebe und mißtrauischer
große Traurige, daß eine Seele stets allein ist. Es war
leierte Kreatur (umschleiert für unsern
Empfindsamkeit: das ist die Welt dieses in der Schlicht¬
eine Lüge, jeder Glaube an die Verschmelzung von Seele
ebenden Ganges diese Erdentage durch¬
und Seele. Nicht die Mutter, die uns auf den Schoß
heit großen Darstellers nicht. Seine tiefste Kraft steckt
o nicht unser systematisierter Egoismus
wahrscheinlich doch in der graden Linie. Es gibt kein
nimmt, nicht der Freund, nicht das Weib, das an
ern machte, ins Elend peitschte. „War
anderes Wort: er war am Sonnabend ein Hoboist.
unserem Herzen ruhte ...“ Die tiefste Erfahrung, die
h, was ich verbrach?“ Nein, Beatrice,
jemand außer dem Geborenwerden und dem Sterben
Bleibt der Herzog. Herr Kayßler gab eine andere
Opfer als „Verbrecherin“.
durchmachen kann, richtet sich hier in leibhafter
Gestalt als die vom Dichter geschriebene. Was
sogar, Beatrice, mit größerem Recht
Gestaltung auf. Schnitzler muß wohl ein Dichter sein.
er wegließ, war die heitere Festigung eines Aus¬
des Filippo Loschi“ reden. Ist er Er geht, nicht unwert des großen Hebbel, in der allzu
geglichenen, der ein feiner Lebensüberwinder sein soll;