II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 377

14. Der Schleien der Beatrice

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Dresdner Nachrichte
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W. Im Deutschen Theater zu Berlin gab man am
Sonnabend abend ein interessantes Werk, eine fesselnde Dichtung,
aber ein schwaches Stück, Arthur Schnitzlers Fünfakter „Der
[Schleier der Beatrice", ein Drama aus der Zeit der ita¬
lienischen Renaissance, deren Geist zu bannen dem Dichter in
einer Atmosphäre von schwüler Sinnlichkeit, großzugiger Brutalität
und verttäumter Schwäimerei wunderbar gelungen ist,
dessen
Figuren aber samt und sonders etwas so völlig Schemenhaftes an
lich haben, daß ihrem Tun und Lassen jedes übeizeugende Moment
Fehlt, ja, daß man an sie einfach nicht zu glauben vermag. Um
8 Gelingen der Aufführung, die sich als Ganzes vor mancher
abderen dieser Saison im Deutschen Theater durch das auszeich¬
e, was man Stil nennt, erwarb sich besondere Verdienste nur —
inclusive
ir Irene Triesch, die als Beatrice vornehmlich den Ton ihrer—
Porto.
Rolle ausgezeichnet traf; den übrigen Herrschaften schien der
Zahlbar
Glaube an einen durchschlagenden Eifolg und damit die Lust an
der ganzen Sache zu fehlen. — Die Aufnahme der Novität war“. ] im Voraus.
geteilt; alles in allem war es ein „Achtungsdurchfall“, wie der
Foyerwitz der Berliner es nennt. Und das ist schade, denn daschnitte ist das
Werk enthält so viele dichterische Schönheiten, daß man ihm einich steht es den
besseres Las gewünscht hätte.
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Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
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vom:## D Usgomwart, Serhin
Dramatische Aufführungen
Der Schleier der Beatrice. Drama in fünf Acten von Arthur
Schnitzler. (Deutsches Theater.)
Nun kann man sich ungefähr erklären, weshalb der scheidende
Machthaber aus der Schumannstraße sich so lange krampfhaft dagegen
sträubte, des erfolgverwöhnten Schnitzler's neuestes Werk zu spielen. Die
Weigerung hatte Aufsehen gemacht. Brahm durfte Schnitzler nicht wie
den ersten Besten behandeln. Er war ihm einigermaßen verpflichtet.
Der „Grüne Kakadu“ zählt zu den stärksten Trümpfen der angeblich
naturalistischen Bühne, sein Dichter zu den Theekindern der neuen Schule —
und trotzdem wand und drehte sich Herr Brahm, um das jüngste Kind
der Schnitzler'schen Laune nicht im Hause behalten zu müssen. Er hat
inclusive
dann schließlich, unterm Siegeszeichen der Belagerung von Pisa, die ihm
Porto.
alle Hungersnoth ersparen wird, auch die Belagerung von Bologna
Zahlbar
riskirt. Allerdings mit entschiedenem Mißerfolge. Schnitzler wurde leb¬
im Voraus
haft und ausdauernd angezischt.
Der sonst so Klare und Kluge kommt uns diesmal auffallend ver¬
tte ist das
worren. In einen wilden Renaissancetag stopft er eine Tragödie voll
teht es den
Blut und Leidenschaft hinein. Aber der Dichter des süßen Mädels von
dern.
Wien kann keine rothen Tragödien schreiben. Vor den Thoren Bolognas
liegt der Borgia, morgen wird er die Stadt erstürmt und verbrannt
lhaltend die
haben — darum laßt uns heute leben. Ganz zufällig läuft dem Herzog
Morgen
Lionardo auf der Gasse ein wunderbar schönes Mägdlein in die Arme, und
Ir Zeitung“
in einem Auflug von toller Daseinslust begehrt der Vielerfahrene ihrer.
hschaftlie
Um den Preis der ehelichen Trauung sagt sie zu, und eine Stunde
Dies
später giebt es zwei Schlimmgepaarte mehr. Jung Beatrix ließ sich näm¬
ich vom Herzoge überreden, sein Weib zu werden, als sie auf dem
Wege zur Kirche war, wo sie dem Jüngling Vittorino angetraut werden
sollte. Vittorino ersticht sich stracks. Er hat aber eigentlich wenig an
der Treulosen verloren: seine ehemalige Braut, die junge Gemahlin des
Herzogs, ist seit drei Tagen die Geliebte des Dichters Filippo. Fräulein
Beatrice weiß mit ihrem Liebesempfinden offenbar Haus zu halten und
doch sehr verschwenderisch umzugehen. Wie die Dame beim Herzoge weilt,
packt fl. brennende Sehnsucht nach Filippo. Sie stürzt zu ihm hin, um
wieder ihm, nur ihm zu gehören, erzähll ihm jedoch unvorsichtiger Weise,
daß sie neulich heißen Liebestraum vom Herzoge geträumt habe. Darauf
hin nimmt der allzuarg spintisirende Dichter kurz entschlossen Abschied
vom Leben. Die unternehmende Dame entflieht nach einigem Gethue,
läßt aber in der Eile ihren Brautschleier liegen und erweckt dadurch den
finsteren Verdacht des bedauernswerthen Herzogs. Schon soll sie zum
Tode verurtheilt werden, als sie sich entschließt, den Herrn Gemahl so
weit wie möglich aufzuklären. Man pilgert also in Filippo's Haus, wo
der Schleier breit und schön mitten im Zimmer liegt, und hier hat ein
Bruder Beatricens nach längerem Hin und Her die verständige Idee,
eingen Dame einen Dolch in's Herz zu bohren.
Wie ein toller, zusammenhangloser Traum muthet diese phantastisch
wirre Handlung an. Sie soll echten Renaissancegeist sprühen, Beatrice
ist spielendes Kind und Verderberin zugleich, ein ahnungsloser Dämon,
der lächelnd mit Seelen und Menschenglück tändellt. Die Drittelung der
Vorgänge bedingt eine Drittelung des Interesses. Alle Feinheit und
aller Glanz des Gedankens, den der Verfasser über das Stück ausgießt,
zumal über seinen Poeten Filippo, macht doch die erklügelte Gewagtheit
und Verfahrenheit der Vorgänge nicht vergessen. Schnitzler wollte die
Tragödie der flammenden Lebens= und Genußsucht schreiben. Er sagt
das zu wiederholten Malen sehr deutlich. Aber Lebenslust ist nicht in
Rechenexempeln darzustellen. Auch durch dramatische Rechenexempel nicht.