II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 381

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14. Der Schleiender Beatrice
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Theater.
g Ausschnitt
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„OBSEHVEN
Deutsches Theater: „Der Schleier der Beatrice“ Schauspiel in 5 Akten von Arthur
Nr. 83
Schnitzler.
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichter
Der Vorhang war zum letztenmal über Arthur
Wien, I., Concondiaplarz 4.
Schnitzler's „Schleier der Beatriee“ gefallen, und der Ein¬
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Parns, non druck auf das Parquet war ein ungewisser, unsteter ge¬
Stockholm. Kristiania, St. Petersburg.
7 blieben. Es soll hier auch keineswegs bestritten werden,
daß Schnitzler's Schauspiel auf der Bühne
zumal bei
der sehr ungleichen, zum Theil recht dürftigen Aufführung
Ausschnitt aus: Die Natien, Berlin
des Deutschen Theaters — ohne tiefere Wirkung bleiben
mußte. Doch lohnt es sich, den dramatischen Geschehnissen
noch einmal nachzusinnen, die Gestalten, wie Schnitzler sie
vom:5
ursprünglich erfaßt, wachzurufen und ihrer wehmüthigen
Schicksale zu gedenken.
Beatrice! Ihr Urbild mag ein leichtfüßiges, leicht¬
sinniges Kind der Wiener Vorstadt gewesen sein. Sie ist
der Schmetterling, der von dem einen Mann zum andern
gankelt, den einen aus instinktiver Zuneigung liebt,
den anderen um seines Ansehns und seiner Stellung
willen, den dritten, weil er ihr ein gesichertes Dasein ver¬
spricht. Sie ist sich keiner Schuld bewußt, denn Untreue
liegt ihr im Blute. Und warum soll sie nicht vielen gut
sein da viele sich gar so freundlich um sie mühen? Ganz
unschuldig flattert sie vom einen zum andern, denn nie sind
ihr die Augen aufgegangen; sie hat nie begriffen, was das
Leben, wer sie selbst und wie die andern; alles war und
bleibt für sie ein Spiel. Ganz unschuldig ist Beatrice,
denn sie hat keine Seele. Weil sie so seelenlos, ist sie
so hold.
Bezugs-Bedingungen:
Dieser Beatrice, die Schnitzler aus seiner Eigenart
Für 50 Zeitungsansschnitte (Artikel oder Notizen) Kr. 15.—
100
28.— inclusive
heraus nicht tragisch und nicht lächelnd nehmen konnte, die
Porto.
200
50.—
er mit weichen, elegischen Empfindungen umspinnt, stellt
110.— Zahlbar

sich die Künstlergestalt entgegen, deren Wesensbedingungen
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200. — im Voraus
der Wiener Poet letzthin in seinen „Lebendigen Stunden“
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für Zeitungsausschnitte ist das
nachgegangen ist. Doch zeichnet sich ihm im „Schleier der
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer begrenzt;
auch stcht es den
Beatrice“ der Künstler, der diesmal ein Dichter ist, in ganz
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu ergänzen oder zu ändern.
anderen Farben. Nicht mehr ist er der Vampyr, der das Weib,
das er liebt, für seine Kunst aussaugt; durchaus nicht; mit
Der „OBSERVER“ veranstaltet täglich einen Auszug enthaltend die
unendlich feinen Organen umfängt er ihr Wesen; was ihm
Inhaltsangabe aller wichtigen Mittheilungen der Wiener Morgen
Flätter (Tagesjournale ausser „Neue Freie Presse“ und „Wiener Zeitung
hoch und werth, trägt er hoffend, ahnend in sie hinein. In
wodurch eine Uebersicht über das gesammte politische und wirehschaftliche
Beatrice glaubt er die Geliebte seiner Dichterträume ge¬
Leben des In- und Anslandes in drastischer Kürze geboten wird. Diese Mitt
funden zu haben. Er ist dazu verdammt, die Seele der
theilungen werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
Seelenlosen zu lieben.
Deshalb: wie Beatrice ihm nichtsahnend, heiter plau¬
Prospecre gratis und fanco.
dernd von einem Traum erzählt, in dem sie sich wohlge¬
fällig als Weib eines anderen, in Macht und hoher
Stellung gesehen hat, ist sie für ihn verloren. Ihm bleibt
nur eines, sich von ihr zu trennen. Deshalb muß, da sie von #
der Hochzeitsfeier mit jenem anderen fortschleicht, um ihm an¬
zugehören und dann mit ihm zu sterben, er sie vorerst auf die
Probe stellen. Für ihn ist ihre Liebe nur dann begehrens¬
werth, wenn ihre Seele ganz der seinen lebt, wenn Beatrice
wirklich fähig ist, auch die letzte Lebensstunde mit ihm vereint
zu beschließen. Und damit taucht ein Problem auf, das
Schnitzler bereits in seiner frühen Erzählung „Sterben“.
beschäftigt hat. Beatrice ist gekommen, um mit ihrem Ge¬
liebten vereint aus dem Leben zu scheiden. Da er ihr aber
vorspiegelt, sie habe in dem Wein, den er ihr gereicht, be¬
reits das tödtende Gift getrunken, erlischt an der Todes¬
furcht all' ihre Liebe. Und wie sie vollends den Freund
sterbend vor sich sieht, packt sie ein Schauer, und sie flüchtet
von ihm, zurück zu jenem andern, mit dem der Priester
eben sie vereint. Leben um jeden Preis, auch um den der
Liebe!
Beatrice, das Kind des Lebens, ein Wesen gleichsam
instinktiv spiesender Natur, diese Beatriee angesichts des
Todes — das Bild erheischte in Schnitzler's Sinn einen
großen, bewegten Hintergrund. Er schuf ihn aus den
Bologna der Renaissance. Cesare Borgia hält die Stad
in eiserner Umklammerung, morgen schon soll der Ent¬
scheidungskampf geschlagen werden, niemand zweifelt, daf
mit dem grauenden Tag dei Tod durch die verödeten Gasser