II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 388

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14. Der SchleienderBeatrice
Telephon: Amt VI, No. 1904.
Berliner Literarisches Burean
G. m. b. H.
Berlin S.W.48, Wilhelm=Straße Nr. 127.
Paris - London-Nemn-Yonk.
Ausschnitt
aus folgender Zeitung bezw. Zeitschrift:
le.
Heuen Freien Prosse (Wien)
/9, 5.0.
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sie gleich nur in einer kleinen Nebenrolle auftreten, ihr undenkbar ist, das
eigenes Gesicht hat. Die fünf Acte sind kunstvoll aufge= starken Gefühles.
baut; auch fehlt es nicht an bühnenwirksamen Scenen
zum Vergleich
oder vielmehr an solchen, die nach allen Regeln der
nimmt aus
Bühnenwirksamkeit gestaltet sind. Trotzdem haben bei der
Kraft. Abe¬
Aufführung auch diese Scenen keinen rechten Eindruck
die Liebe au
hervorgebracht. Die Scenen können nicht wirken, da es
„Anatol“. A
dem Schauspiel selbst an Wirkung fehlt. Es krankt an
den Schnitz
einem inneren Uebel. Der ganze Apparat eines großen
der vornehmen
Dramas ist aufgeboten; und doch ist dieses Drama nicht Liebesstimmungen
groß — aus dem einzigen und entscheidenden Grunde
dem er, als
nicht groß, weil ihm die Größe fehlt.
und feinsten Nüan
Groß sind in dem Schauspiel immer nur die Re¬
der Reiz dieser Fig
Feuilleton.
sultate; und es entsteht ein unglückseliges Mißverhältniß
Wich
die
dadurch, daß diese großen Resultate aus kleinen, aus zu
Stimmt
Berliner Theater.
kleinen Motiven hervorgehen. Aus den Vorgängen des amüsantes
(„Der Schleier der Beatrice“ von Arthur Schnitzler.)
Dramas ergeben sich die schwersten Katastrophen der Tra= selber
In seinem Schauspiel „Der Schleier der Beatrice“
gödie. Dolch, Schwert und Gift sind fortwährend in Thätig¬
weil eb
das im Deutschen Theater aufgeführt worden ist, hat keit. Das Blut fließt in Strömen. Fast kein Act ohne
mehr
Arthur Schnitzler nach einem hohen Ziele gestrebt. Wenn
Leiche. Es wird ebensoviel und noch mehr gemordet, wie
großen
er das Ziel auch nicht erreicht hat, so stellt jedenfalls schon
in Shakespeare's „Othello“. Der Vergleich liegt nahe;
lebene
das Streben seinem künstlerischen Ernst ein schönes Zeug¬
denn „Othello“ ist ein Liebesdrama ganz wie „Der
mangelt
niß aus. Schnitzler hat mit seinem Schauspiel, das theils
Schleier der Beatrice". Im „Othello“ ist die Liebe eine zer¬
Gefühle
in Versen, theils in Prosa geschrieben ist und in der
störende Macht von furchtbarer Gewalt; sie braust wie ein
erfüllt, er
Renaissance=Zeit spielt, ein großes Drama in der Art der
Sturm einher und vernichtet die Menschen. Im „Schleier der
viel ersehnen
Classiker schaffen wollen. Seine Kräfte haben zur Be¬
Beatrice“ werden auch Menschen vernichtet; sie brechen
Kraft, zu fül
wältigung dieser Aufgabe nicht genügt. Aber in der Form
zusammen mit den stärksten dramatischen Geräuschen. Aber
und zu erring
wenigstens zeigt er sich als ein würdiger Schüler der
man fragt sich, warum sie eigentlich zusammenbrechen?
großes Gefühl.
Meister, denen er nacheifert. Daß Schnitzler diese Form
Denn niemals braust ein Sturm in dem Drama; es
Und weil As
sich anzueignen vermochte, deutet auf eine künstlerische
säuselt höchstens ein wenig. Und man sagt sich, daß die
wird,
bet
Selbsterziehung hin, die man bei den deutschen Autoren
Leute auf der Bühne sich eigentlich in einem Irrthum be¬
man, we
der Gegenwart selten findet; es ist ein weiter, mühevoller,
finden. Sie überschätzen sich und die Wichtigkeit ihrer
geht, ein
ehrenvoller Weg vom „Anatol“ bis zum „Schleier der
Erlebnisse. Sie sind nicht tragisch genug, als daß sie ein
dem groß
Beatrice“. Das Drama spricht namentlich in seinen Versen
Recht hätten, sich so zu erdolchen und zu vergiften.
die Stimn
wohllautenden Versen von wienerischer Weichheit —

Dieses Drama ist ein Liebesdrama mit allzu schwacher
machen, zun
eine vornehme Sprache. Mancherlei Feines, mancherlei
Liebe. Nirgends ist das Ueberwältigende, das Schicksals¬
Gefühlen, die C
Geistreiches mancherlei Poetisches wird gesagt. Auch ein
volle der Liebe zu spüren. Man denke, wie gesagt,
an
so zierlich und so
tüchtiges Stück dramatischer Arbeit ist geleistet. Das
„Othello", man denke an „Romeo und Julia“ Gewiß
capriciös eben nur
Personenverzeichniß des Schauspiels ist ungewöhnlich
darf man von Schnitzler nicht verlangen, daß er wie
mächtigem Drange
reichhaltig,
und der Autor leitet mit sicherer Shakespeare schreibt; es soll nur aus jenen beiden un= weil sie mehr mit de
Hand alle die vielen Figuren, deren jede, mag sterblichen Dichtungen erkannt werden, daß ein Liebesdramassthunhaben. Das Dr