II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 392

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14. Der- Schleiender Beatrice
##ist gar nicht einzusehen, warum er sie
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Cesare Borgia ist im Anzuge; morgen soll Bologna unter¬
Flüchtigkeit weiblicher Neigungen behandelt hat den
das Recht, von einem
gehen. Mag die Stadt verderben, sagt Filippo, wenn nur
Refrain: „Si les hommes savaient — si les hommes
sequenz zu verlangen.
Beatrice mein wird; er sagt es in schönen Versen:
savaient s’y prendre!“
ie gar so rasch ihren
Beatrice also ist wahrscheinlich in ihrer Unwahrschein¬
Und loht' in Flammen
kdlungen sich im Zeit¬
Die Heimat hinter mir, wär's mir nichts weiter
lichkeit auch reizvoll zugleich. Das Unglück ist nur, daß
hen. Freilich scheinen
Als meines Glückes würd'ger Opferbrand.
auch die beiden Helden des Stückes das Wesen der
grundlos. Nein, sagt
Und Beatrice kommt. Alles ist zur Flucht bereit.
Beatrice haben. Namentlich Filippo Loschi ist so recht
uten Grund: Beatrice
Filippo hat nur noch seinen Diener ausgesendet, um
der Mann der Anatol=Stimmungen, der Anatol=Launen.
noch „plus femme“
Pferde zu besorgen. Währenddem plaudert Beatrice und
Filippo Loschi ist ein großer Dichter. Auf der Bühne
und darum ist sie auch
erzählt, daß sie geträumt hat, sie sei des Herzogs Braut.
wird von ihm gesprochen, als ob er Dante oder Petrarca
Wer nur jemals die
Filippo erhebt sich düster: „Du hast mich im Traume be¬
selber wäre. Seine Verse sind so herrlich, daß die Frauen
te Geschichte von der
trogen. Meine Liebe ist zu Ende.“ Und er weist Beatrice
ihn lieben, wenn sie nur in seine Nähe kommen dürfen,
n Beatrice allerdings
aus dem Hause. Nun ist es gewiß eine poetische Idec,
daß die Männer ihm mit Ehrfurcht begegnen und daß,
Und wer hat sie nicht
daß ein Liebhaber auch auf die Träume der Geliebten
nachdem er gestorben, der Herzog ihn (frei nach oder
plötzlich eine weibliche
eifersüchtig wird. Im Anatol=Cyklus, im paradoxen Anatol¬
n der Familien¬
vielmehr vor Karl August)
gen wähnte? Wer hat
Cyklus, in dem ernst genommen wird, was eigentlich nicht
gruft der Bentivoglio beisetzen läßt. Das Schlimme
hsel gegrübelt, wie es
ernst zu nehmen ist, könnte auch eine Scene Platz finden,
ist nur, daß man in dem ganzen Stücke nicht
daß es so kommen
in der ein Traum einen Bruch zwischen einem Liebespaar
einen einzigen von diesen herrlichen Versen zu hören be¬
e und Trost verlangt?
herbeiführt. Im seriösen Drama ist ein Vorgang, wie der
kommt. Die Größe einer Persönlichkeit, die in einem
s, kein ohnmöchtigeres
geschilderte, unmöglich. Daß eine Liebe von solcher Gluth
Drama auftritt, wird dadurch noch nicht bewiesen, daß sie
nn, der die Liebe einer
ohne zwingenden Grund sich plötzlich in Gleichgiltigkeit
in dem Drama unavlässig behauptet wird. Die Zuschauer
die sie ihm entzogen
wandelt, ist ein launisches Umspringen der Stimmung, dem
wollen von dieser Größe auch etwas spüren. Ein Dichter
Abneigungen der Frau
der Zuschauer nicht folgen kann. Und das Publicum kann
müßte doch einen Dichter, den er sich zum Helden erwählt,
selbst bestimmen und
sich die Zumuthung nicht gefallen lassen, daß es glauben
zunächst einmal dichten lassen. Und es ist seltsam, daß die
abzudrängen vermag.
soll, Filippo, dessen Drang zur Geliebten durch die
Schönheit der Verse des Filippo Loschi statt durch schöne
Walten eines Natur¬
stärksten Wirklichkeiten nicht aufgehalten wird, der das
Verse durch dessen Beisetzung in einer herzoglichen Familien¬
sich ein gewisser Trost
Herz einer edlen Frau zerbrichk, der, wenn er nur Beatrice.
gruft dargethan werden soll.
ag sich schon beruhigt
besitzt, seine Heimat gern in Flammen aufgehen sehen will,
Filippo nun liebt Beatrice. Er hat sie erst drei Tage
die Veränderlichkeit der
sei nicht im Stande, sich über einen Traum hinwegzusetzen.
vor Beginn des Stückes bei einem Volksfest kennen ge¬
n sich fügen muß, wie
Es ist möglich, daß ein Mann in einer finsteren
lernt; und er liebt sie mit einer solchen Gluth, daß er
####er Leben beherrschen.
Stimmung eine geliebte Frau von sich stößt. Es ist sicher,
keinen Augenblick zögert, um der Tochter des Wappen¬
de. die Veränderlichkeit
daß dieser Mann bald nachher bittere Reue empfinden
schneiders willen seine Verlobte, die Gräfin Teresina Fan¬
immer so schuldlos be¬
wird über das, was er gethan, selbst wenn er guten Grund
tuzzi, die Schwester seines Freundes, des Grafen Andrea,
alt; ob die Eigenschaften,
gehabt hat, es zu thun. Gar nicht auszudenken aber ist
zu verstoßen. Im ersten Act wartet Filippo auf Beatrice.
ungen zu den Männern
die Reue, die den Mann quälen wird, der eine geliebte
Die Todtenglocken läuten und künden an, daß die alte
Einwirkung der Männer
Frau ohne Grund von sich gestoßen hat. Und darum hat
Gräfin Fantuzzi, die Mutter der Gräfin Teresina, gestorben
e Frau weit mehr das
die Sicherheit dieses Herrn Filippo Loschi etwas so Auf¬
ist. Filippo wird nicht gerührt durch den Gedanken an
nn in der Regel zuzu¬
reizendes, indem nicht der leiseste Zweifel an der Berech¬
die Verlassenheit der armen Teresina, die er jahrelang
die Veränderlichkeit der
tigung seiner Handlungsweise aufsteigt, und der sich an¬
geliebt hat und die nun in wenigen Tagen den Bräutigam
rt, daß die Männer sie
zösisches Lied, das die und die Mutter verloren hat. Er wartet auf Beatrice. stellt, als sei es das Natürlichste von der Welt, eine