II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 393

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14. Der SchleienderBeatrice
innig geliebte Frau wegzujagen, weil sie von einem
machen, die sich in ähnlicher Lage befänden. Der Grund ietzt packt sie das G##
Anderen geträumt hat.
zum Selbstmord ist absolut nicht ausreichend. Anatol¬
sie gegen Filippo und
In Wirklichkeit hört er, wie sich das ja von selbst
Stimmungen, nichts als Anatol=Stimmungen. Man tödtet] sie leben — leben!
versteht, nicht auf, die im Traum Ungetreue zu lieben.
sich doch wahrhaftig nicht deßhalb, weil man Angst hat,
sagt Filippo kalt. #
Und er hat das Glück, daß sie zu ihm zurückkehrt.
auf einander eifersüchtig zu sein. Und selbst wenn die
habe dich nur prüfen
Beatrice, die inzwischen des Herzogs Gemalin geworden
Angst sich als begründet erwiese, in der Wirklichkeit würde
Gift und bricht todt zu
ist, verläßt, wie erwähnt, in der Hochzeitsnacht das
man weiterleben. Denn es ist immer noch besser, lebendig
den Leichnam. „Erw#
herzogliche Schloß und eilt in das Haus des
zu sein mit einer schönen Geliebten, auf die man eifer= wollen fliehen — fliehe
Dichters. Sie kommt, um mit ihm zu sterben.
süchtig ist, als todt zu sein und nicht eifersüchtig.
todt bleibt, stürzt sie
Warum eigentlich nur diese Beiden so mit aller
Die Scene, in der sich dies Alles abspielt, ist, was
„Leben!“
Gewalt sterben wollen? Es scheint, daß es in diesem
Bühnenwirkung anlangt, die bedeutendste des Stückes und
Eine schöne Scenc
Drama nur zwei Möglichkeiten gibt: lieben oder sterben.
zeigt Schnitzler's dramatische Begabung im hellsten Lichte.
wüßte, warum Filipt
Sobald in der Liebe nicht Alles geht, wie es gehen sollte,
Filippo sucht Beatrice zum Leben zu überreden und
zu Beatrice ist erlosche
muß unbedingt sofort gestorben sein Auch darin zeigen
schildert das Sterben und das Nichtsein mit einer poetischen
und da er gesehen
die Personen des Dramas die Launenhaftigkeit verwöhnter
Kraft, welche die Behauptung des Autors doch immerhin
Entschluß
ihm in
Kinder, daß sie das Dasein gleich ganz wegwerfen wollen,
wahrscheinlich macht, daß dieser Filippo Loschi, dessen
mi
wenn es sich anders gestaltet, als sie verlangen. Filippo
Lieder nicht mitgetheilt werden, ein Dichter ist. Er sagt zu
selber fühlt es, daß doch eigentlich kein rechter Grund
Beatrice:
zum Sterben vorliegt, und sucht Beatrice zum Leben zu
Schau um dich!
überreden. „Nein,“ sagt Beatrice, „wir können nicht weiter¬
All dies ist Dasein — das bist du, das ich,
leben nach einem solchen Tage. Du würdest mich zu sehr
Hier unten ruht die Stadt, drin athmen Menschen,
Dort stürzt ins Weite Straß' und Straße hin
quälen. Und Ekel würde uns erfassen.“ Das ist noch gar
Ins Land, ans Meer — und überm Wasser wieder
nicht einmal ausgemacht. Jedenfalls könnten zwei Leute,
Meitschen und Städte; — ober uns gebreitet
die so viel Freude daran finden, mit einander zu sterben,
Dies blauende Gewölbe und sein Glanz,
sich auch im Leben Mancherlei bieten. Filippo freilich ist
satz zi
Und Alles dies ist unser, denn wir sind!
Und morgen schon gehört es uns so wenig,
überzeugt, seit er das Wort „Ekel“ gehört hat. „Ränn'
Als alles Lichtes Wunderfülle Blinden,
unser Leben weiter — den Schmutz der letzten Stunden
und,
Gelähmten aller Wege Lust und Fernen.
kümt
nießt, was
brächten wir nie wieder fort!" Das heißt doch recht
Bedenk': ein hundertjähr'ger Greis ist jünger,
spricht er selbst aus i
gering vom Leben denken. Das Leben, das Alles über¬
An Hoffnung reicher, als wir Beide sind —
Verstehst du das?
Das Leben ist d
windet, selbst das Allerschwerste selbst das Allerfurchtbarste,
Und noch der
sollte über die Eifersucht allein keine Macht haben?
Aber Beatrice will sterben. Filit o ladet sie ein, sich
In prächtigen Vers
Ist das nicht eine maßlose Ueberschätzung der Eifersucht?
noch zum letztenmale an einem Trunk Weines zu erquicken.
des Herzogs:
Und wenn Beatrice und Filippo leben bleiben, und wenn
Sie stoßen an und trinken, Beatrire aber will auch noch
Beatrice den Filippo liebt, sollte dann Filippo — Filippo,
eine letzte Liebeslust vor dem Ende. „Diese Nacht ist unser,
der große Dichter — wirklich ein so kleiner Mensch sein,
und beim ersten Grauen des Morgens scheiden wir dann
daß er nicht fähig wäre, in Jahren der Liebe sich über
aus dem Dasein.“ — „Das ist nicht mehr in unserer
die paar Stunden hinwegzusetzen, während deren Beatriee
Macht, Geliebte.“ —
„Wie meinst du das?“ — „Du
zwischen ihm und dem Herzog geschwankt hat? Einen
trägst den Tod bereits in dir. Aus diesem Becher hast du
Versuch, zu leben, müßten die Beiden jedenfalls machen, ihn getrunken.“ Beatrice schreit auf vor Entsetzen. Jetzt,
und würden sicherlich in der Wirklichkeit zwei Menschen wo der Tod kein Wort mehr ist, sondern Wirklichkeit —
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