II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 429

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14. Der Schleier der Beatrige
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F. Lienhard, Vom deutschen Theater
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geratene Zerrbilder; kir sehen zu viel bewußte Gemeinheit. Schade um manche
treffende Einzelbemerkung!
Ein Komponist wird von einer Zeitungsredaktion befehdet aus ganz per¬
sönlichen Ursachen und Verkettungen: er hat die Gattin des Chefredakteurs, die
„auch singt“, abgelehnt und wird dafür flott „verrissen". Ob das vorkommt?
Die Wissenden schweigen. Und nun entspinnt sich ein Kampf zwischen Künstler
und Revolverpresse, ein umständlich dargelegtes, zu wichtig genommenes und
daher peinliches Scharmützel, in dem die alte Mutter des Künstlers bittere
Tränen vergießt, in dem der Künstler stöhnt, in dem endlos viel — Worte,
Worte, Worte ins Publikum geworfen werden. Eine warme, menschlich schöne
Szene dringt endlich in diese vielen Auseinandersetzungen: ein Mädchen, das
den Komponisten verehrt, bringt ihm Blumen und einige innige Worte. Das
tut uns wahrhaft wohl nach soviel Zank. Schließlich siegt der Künstler mit
einer erfolgreichen Oper.
„Siegt?“ Ist nun das Wesen der Preßbande innerlich besiegt? Ist das
Thema überhaupt an der Wurzel angefaßt? Haben wir bedeutende seelische
Entwicklungen gesehen? Hat solcher Kleinkampf überhaupt mit dem Wesen des
Künstlertums und jenes schlechte Verhalten mit dem Wesen des Journalismus
als solcher zu tun? — Nein, es war ein winkelhaftes Gehader. Dergleichen
Mückenstiche, die schnöden Kritiken, verärgern zwar in der Tat den Künstler und
den Schaffenden — aber so tragisch sind sie bei unserer heutigen Vielschreiberei
n doch nicht. Solche Blätter wirft man allenfalls an die Stubendecke, läßt
sie wieder auf den Boden klatschen, wandelt etliche male pfeifend oder singend
Bezüber hin und her, spielt sich am Klavier das Herz leicht und — schafft
weiter. Ja, die meisten Schaffenden lesen solche Blätter und solche Kritiken
überhaupt nicht.
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Mit einem viel feineren Maße will der Wiener Arthur Schnitzler gemessen
werden. Sein lang umstrittenes Buchdrama „Der Schleier der Beatrice“
ist nun im „Deutschen Theater“ endlich zu einer etwas nüchternen Aufführung
gekommen, mit mäßigem Erfolg, nicht unwidersprochen.
Schnitzler ist eine überaus künstlerische, eine sorgfältig denkende, an seinem
Werk geradezu tüftelnde Natur. Dazu kommt ein arg Stück Wienertum, insofern
das Sinnlich=Weibliche immer wieder im Mittelpunkt steht und — insofern auch
mit den Problemen der Erotik der Dichter tüftelt, buhlt, spielt, bald geistreich,
bald schwerer, wie in dem genannten fünfaktigen Kostümstück aus dem Bologna
der Renaissance.