II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 479

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14. Der Schleier der Beatrice


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Von den Berliner Theatern 1902/03.
XIII.
CArthur Schnitzlers fünfaktiges Schauspiel „Der Schleier der Beatrice“ galt schon,
wenigstens für die praktischen Theatermänner, längst als abgethanes Stück, als sich das
0= Deutsche Cheater am :. März entschloß, dieser großzügigsten der bisherigen Bühnen¬
schöpfungen des Dichters die Daseinsfreude im Rampenlicht zu vergönnen. Herr Direktor=Brahm
ist sich jedenfalls von vornherein darüber klar gewesen, daß es sich weniger um eine litterarische
That als um einen Akt gerechter Aufmerksamkeit gegenüber einem hochstrebenden Poeten handele
und daß sein Deutsches Theater zur Lösung der schauspielerischen Aufgabe nur in sehr bedingtem
Maße befähigt sei. So viel nun auch die Darstellung im einzelnen wie im ganzen zu wünschen
übrig ließ, so hat die Aufführung doch vollauf ihren Zweck erfüllt, uns über die Vorzüge wie
über die Schattenseiten dieser Dichtung gründlicher aufzuklären, als es die bloße Lektüre vermag.
Schnitzlers Können hat sich in diesem Schauspiel dem großen Wollen noch nicht adäquat erwiesen.
Aber auch da, wo er scheiterte, ist er uns interessant, da er sich mit dieser Arbeit auf der Bahn
bewegt, die zu einer neuen dramatischen Höhenkunst großen Stils führen will.
Auf buntem historischen Hintergrunde versucht Schnitzler uns ungewöhnliche Menschenschicksate
abzuschildern. Eine Zeit, reich an Gewaltthaten, an orgiastischer Verzückung der Sinne will er vor
uns heraufbeschwören. Wie Maeterlinck den drohenden Untergang von Pisa, so führt uns
Schnitzler in seinem weit früher als „Monna Danna“ entstandenen Renaissancespiel Bologna in
der Stunde der kriegerischen Entscheidung vor. Der Löwe Borgia hat bereits die Pranken aus¬
gereckt, um alles, was ihm Widerstand leistet, zu zermalmen. Bolognas junger Herzog wird
morgen in den Kampf ziehen, der vermutlich sein letzter sein wird. Diese Nacht, so heißt es in
der Stadt, wird er noch genießen, sein Herrenrecht mit der schönsten Tochter des Volkes aus¬
kosten, und Bentivoglio, der der Küsse und der Sehnsuchten längst satt, thut dennoch wirklich wie das
Dolk glaubt, als er Beatrice Nardi, die holde Tochter des Wappenschneiders erblickt: er führt sie
aufs Schloß und rüstet nicht nur das Liebes=, nein, auch das Hochzeitsfest noch in derselben Nacht,
da Beatrice nur als angetrautes Weib die herzogliche Schwelle überschreiten will. Und doch ist
sie schon einige Tage lang das Liebchen Philippo Loschis, des Dichters gewesen, dessen Derse
mit denen Cassos an Wohlklang wetteifern. Er hat sich von ihr gewandt, weil er sie schon durch
ihren bloßen Traum, der Herzog habe seine Gunst ihr zugewandt, befleckt glaubte. Die Leicht¬
herzige war dann, schnell getröstet, bereit, dem von den Eltern gewünschten Freier die Hand zu
reichen, als die Erscheinung des Herzogs von neuem verwirrend ihren, Pfad krenzte. Als Herzogin
ist sie nun auf dem Gipfel ihrer Wünsche, aber es treibt sie wieder zu ihrem Dichter, und noch
mit dem bräutlichen Schleier geschmückt, eilt sie, während Hofgesellschaft und Volk im wilden
Taumel dieser letzten Nacht schwelgen, behend in Loschis Villa, um in letzter Liebesumarmung
mit ihm vereint zu sterben. Aber sie ist zu feige, gleich ihm den Giftbecher zu leeren, und als
Loschio tot zu ihren Füßen sinkt, eilt sie zurück ins Schloß, wo sie längst gesucht und einem pein¬
lichen Verhör unterzogen wird. Der fehlende Schleier verrät sie. Aber um keinen Preis will sie
ihn holen, da er im Zimmer des Toten liegt. Um der angedrohten Strafe zu entgehen, ent¬
schließt sie sich dennoch, den Herzog hinzuführen. Der Schleier, aber auch der Tote, wird ge¬
funden, Bea ricens Doppelspiel offenbar, und ihr eigener Bruder, ein wackerer Kriegsknecht,
hält es für seine Pflicht, die Strafwürdige mit einem wohlgezielten Dolchstoße ins Jenseits zu
befördern.