II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 502

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Der- schleier der Beatrige
WruPrer. ei, sondern Kturschiete..

mangelt ihm die stramme Geschlossenheit. Dazu leidet es an einer
Rätsel der Weibesseele nicht zu ergründen. Der Jüngling und
Ein Werk also, das als
ermüdenden Weitschweifigkeit. —
der Dichter starben an Dir. Die Hand des eigenen Bruders setzte
Gabe eines wahren Dichters gewiß mit hoher Achtung zu
Dir ein Ende. Und doch, Du warst schuldlos, warst eben ein
empfangen ist, in dem aber dramatisches Blut nicht lebenskräftig
Kind, das nicht den Frevel ahnte, den es trieb.
pulst.
Artur Schnitzlers Schauspiel spielt zu Bologna, zu Beginn des
Schnitzlers Werk stellt an Regie und Darstellung gleich hohe An¬
16 Jahrhunderts. Cesare Borgia, der Teuflische, belagert die
forderungen. Oberregisseur Artur Eggeling hatte seine
Stadt. Seine Scharen haben Bologna in einen eisernen Gürtel
schwierige Aufgabe mit ersichtlichem Fleiß gelöst. Nur die Straßen¬
eingezwängt. Der nächste Tag schon muß die Entscheidung bringen.
dekoration des zweiten Aufzuges zeigte kleine Sünden gegen die
Nur eine Nacht noch trennt Bologna von dem Ende. Die letzte
Gesetze der Perspektive.
Nacht. Frei walten die Leidenschaften in solchem Augenblick. Die
Die Beatrice schuf der Gast, Irene Triesch. Eine Dar¬
Bande der Sitte sind gelöst. Alle Eigenschaften betätigen sich zucht¬
stellerin von feiner künstlerischer Intelligenz. Ihre Leistung war
los in ihrer höchsten Potenz: Das Morgen bringt das Ende.
vom Anfang bis zum Ende in sich abgeschlossen. Am besten lagen
Filippo Loschi, der Dichter, träumt. Von seiner Braut, der
der Künstlerin die Momente höchster Leidenschaftlichkeit. In
Gräfin Teresina, hat sich sein Herz abgewendet. Beatrice Nardi,
anderen wären vielleicht diskretere Töne zu wünschen gewesen.
die jüngste Tochter des irren Wappenschneiders, nahm alle seine
Das Organ des Frl. Triesch spricht nicht sogleich voll an, seine
Sinne gefangen. Beatrice kommt. Der Wunsch zu leben, weiter
Färbung gewinnt im Affekt. — Als der Gastin Darstellung gleich¬
zu leben, solch' Glück ganz auszukosten, erwacht in dem Träumer.
wertig muß Julius Grevenberg als Filippo Loschi be¬
Gibt es nicht noch einen Ausweg aus Bolognas Mauern, ein Ent¬
zeichnet werden. Auch er setzte bisweilen grelle Lichter auf, in¬
kommen für ihn und Beatrice? Sie ist bereit zur Flucht. Doch
dessen eignete seiner Figur einseitlicher Guß. Otto Mauren
Beatrices Traum, der ihr den jungen Herzog zeigte, läßt den
gab den jungen Herzog. Anfangs etwas weichlich, wuchs seine
Dichter erkennen, daß er die Seele der Geliebten nicht ganz besitzt.
Darstellung gegen das Ende hin. Und die anderen Darsteller?
Er stößt das Mädchen von sich, jagt sie weg, sucht vergebens in
Das Personenverzeichnis zählt deren insgesamt 42 auf. Soll ich
einem Bacchanal Vergessenheit. Beatrice geht. Ihr Bruder gibt
sie alle nennen? Es sei genug, zu sagen, daß alle sich ehrlich be¬
ihre Hand dem jungen Vittorino, um seiner geliebten Schwester
mühten. Mitunter freilich nicht mit vollem Gelingen.
einen Schutz zu leihen. Sie gehen zur Kirche. Da — bannt sie
Der Beifall setzte nach jedem Akt herzlich ein und steigerte sich
des jungen Herzogs Blick. Sie entzündet sein Herz. Für diese
zum Schluß. Die Ausdehnung der Pausen wird, so steht zu
letzte Nacht —— Doch nur als Herzogin! Und das Unerhörte
hoffen, bei weiteren Aufführungen auf ihr rechtes Maß beschränkt
geschieht. Herzog Bentivoglio reicht ihr die Hand. Der Kardinal
Otto Robolsky.
werden.
segnet den Bund. Ganz Bologna nimmt Teil an dieser Ver¬
mählung. „Nur Schönheit adelt diese Nacht. Adlig geboren nenn'
* Stadttheater. (Direktion Max Staegemann.) Neues Theater.
ich die Sprossen dieser Nacht, da Euer Fürst mit Beatrice Nardi
Nach dem stürmischen Heiterkeitserfolg,
Heute: „Fatinitza“. —
Hochzeit hält.“
welchen die Königl. Hofschauspielerin Frau Anna Schramm
Vittorino, der Bräntigam, stirbt von eigener Hand.
bei vollem Hause am Mittwoch wiederum mit den Einaktern „Der
Beatrice aber verläßt die pruntende Feier. Sie schleicht zu
zerbrochene Krug“, „Madame Dutitre“ und „Die Dienstboten“
Filippo Loschi, dem Dichter. Mit ihm zu sterben kommt sie. Mit
erzielte, wird, zahlreichen Wünschen entsprechend, die beliebte
ihm zu sterben. Noch einmal läßt sich der Dichter von ihrem Reiz
Künstlerin kommenden Sonnabend nochmals in obengenannten
gefangen nehmen. Doch er erprobt sie, und — wieder hält sie
Stücken im Neuen Theater auftreten. — Das Wochenrepertoire
seiner Probe nicht Stand. Filippo leert den Giftbecher allein.
verzeichnet ferner im Neuen Theater am Donnerstag in neuer
Beatrice aber kehrt zurück zum Hochzeitsfeste, wo man sie schon
Einstudierung Rudolf v Gottschalls großes historisches Trauer¬
lang vermißte. Ihren Schleier ließ sie bei dem Toten. Dem Tod
spiel „Mazeppa“; von Opern werden gegeben am Dienstag Gold¬
durch Henkershand entgeht sie noch, doch sie muß den Herzog dort¬
marcks „Heimchen am Herd“ am Mittwoch „Der Mikado“ und
hin führen, wo sie den Schleier verlor.-
am Freitag „Die beiden Schützen“, hierauf „Das Mädchen von
Beatricens Bruder selbst endet ihr Leben, welches zwei
Navarra“. — Im Alten Theater findet am Mittwoch als volks¬
Männern den Tod brachte.
tümliche Vorstellung zu ermäßigten Preisen eine Aufführung von
Und sie war ein Kind———
Hauptmanns Drama „Der arme Heinrich“ statt. Für Dienstag ist
„Alt=Heidelberg“ und für Freitag „Der blinde Passagier“ angesetzt.
Auch in diesem Schauspiel zeigt sich Altur Schnitzler als der
Von Operetten erscheinen Donnerstag „Orphens in der Untexwelt“
hte Dichter, als welchen ihn seine anderen Werke erweisen. Doch
und Sonnabend die amüsante „Madame Sherry“.
das Können blieb diesmal hinter dem Wollen zurück. Mit dem
Leipziger Schauspielhans. (Direktion Anton Hartmann.)
Stoff hielt dessen Gestaltung nicht gleichen Schritt. Eine allzu
Heute Montag und Dienstag setzt Irene Triesch ihr Gastspiel
dicke Schale losen Fleisches umhüllt den Kern. Eine Menge treff¬
licher Einzelheiten bietet Schnitzlers Werk, als Ganzes aber als „Zaza“ in dem gleichnamigen Stücke von P. Berton und