II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 503

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14. Der schleier der Beatrice
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„OBSERER“
Nr. 83
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Ausschnitt aus:
Der Humorist, Wien
vom: #%
Leipziger Theaterbrief.
27. Mai 1903.
Gegensatze zu dem vorigen Berichtsabschnitte — meinen
rechtzeitig abgeschickte Uebersicht ist außerdem nicht einmal des Ab¬
druckes würdig befunden worden — ist der jetzige reicher an Be¬
gebenheiten. In der Oper wurde zur 90. Wiederkehr von Richard
Wagners Geburtstag „Siegfried“ in ausgezeichnet abgerundeter
Wiedergabe gespielt, in der sich besonders Herr Urlus als Titel¬
held auszeichnete. Des weiteren wäre ein mit großer Reklame
eingeleitetes Gastspiel des Frl. Destinn, von der beruner Hof¬
oper, zu erwähnen. Im Schauspiel ging ein einaktiges Lustspiel
„Hans Witt und seine Braut“ von Oskar Riecke zum erstenmale ge
in Szeue, ein harmloser dramatischer Scherz, der, von den Herren
Hahn und Schny sowie den Damen de Lalsky und
aus.
Goericke flott gespielt, ansprach. In der Operette feierte Zellers
„Obersteiger“ seine Auferstehung, freudig begrüßt von dem Publikum, ida¬
das die nunmehr fast vergessenen Melodien fast als neue empfand.
den
Ich habe bisher nur kurz referiert, da das Schauspielhaus
für sich das Hauptinteresse in Anspruch nahm, scheint es ja fast, die
als sollte dort vor Schluß der Saison noch einmal für den kom=on¬
menden Winter mit vollen Händen gesäet werden.
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liche
Hier waren vor allem die drei Gastspiele Sarah Bernhardts uit¬
sensationell, die zum erstenmale in Leipzig auftrat. Natürlich waren
trotz der hohen Preise fast ausverkaufte Häuser und ein Jubel
sondergleichen; die Künstlerin kann mit ihrer Aufnahme recht zu¬
frieden sein.
Ich bin der Ansicht, daß trotz der nicht zu verneinenden
Kunst die Aufnahme im umgekehrten Falle in Frankreich eine andere?
gewesen sein würde. Als Kameliendame, Phädra und Frou=Fron,
die ja mehr oder weniger aus deutschen Bearbeitungen genügends
bekannt sind und deshalb auch leicht verständlich waren, erzielte
sie ganz hervorragende Erfolge und so war in dieser Hinsicht ihrs
Spiel auch leicht mit anderen Darbietungen zu vergleichen.
Eine Novität war Arthur Schnitzlers „Der Schleier der
Beatrice“, bei dem der hervorragendste Moment wohl die gänzliche
Abkehr Schnitzlers von seinem früheren Programm ist, der auch
hier wie die meisten anderen der Moderne das alte Dogma des¬
Sozialismus und Naturalismus 2c. verlassen hat, und dafür der
Phantasie, leider hier zu wenig gezügelt, vollen Spielraum gibt.;
Neben einer überstürzten, unglaublichen Handlung drei Tote, das
ist für die Jetztzeit etwas viel.
Gespielt wurde gut und so errang das Schauspiel einen
mittleren Erfolg
Frl. Irene Triesch (Veatrice) und Herr
Mauren (Herzog), beide noch nicht in Leipzig bekannt, boten
durch geschicktes und temperamentvolles Spiel eine gute Leistung,
desgleichen wurde Herr Grevenberg der schwierigen Rolle des
Loschi gerecht. Die Herren Vollmer (Francesco), Mehnert
(Manussi), Eggeling (Fantuzzi) und die vielen anderen Ver¬
treter und Vertreterinnen des großen Personenverzeichnisses unter¬
stützten die Gesamtdarstellung nach besten Kräften.
Eine weitere Novität war „Die heilige Familie“, Schauspiel
von Frau v. Lenor. „Die heilige Familie“ ist eigentlich keine
fromme Familie, denn es geschieht da manches, wenn nicht vieles,
was man nicht mit christlich bezeichnen kann, vielmehr