II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 517

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14. Der Schleier der Beatrice
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burg, Toronto.
(Quelienangane ohne Gewähr.
Ausschnitt aus
23 SchiruMieimisches Centralbialt, Leipzig
ee beleinen Theater zur Urauf¬
—fahrung „gelangen; auch das Wiener Hofburgtheater hat es erworben.
Hamburger Theater. Die Hamburger Theater eröffneten die
neue „Spielzeit mit den bewährten Kassenstücken der vorigen Saison.
Das Deutsche Schauspielhaus griff zu „Der Widerspenstigen Zäh¬
mung“ Shakespeares, das Thalia=Theater bekundete durch die Auf¬
führung des Küchler'schen Stücks „Sommerspuk“ den Willen, den
käußeren Erfolg bis ins Letzte auszunutzen. Es gibt wohl viele, die den
(Wunsch hegen, daß in dem neuen Hause, das es mit Ablauf der Spiel¬
zeit bezieht, ein neuer Geist aufkommen möge, der das Schwergewicht
vom öden, erfolgreichen Theaterstück nach der Seite wertgebender, wenn
auch leichtbeschwingter Dichtung verschiebt; aber es gibt wenige, die es
erhoffen. Auch das Hamburger und das Altonaer Stadttheater, die
beide nur noch für die kommende Spielzeit Hofrat Bachur unterstellt
sind, eröffneten in traditioneller Weise: jenes mit „Lohengrin“, dieses
mit Schönherrs noch immer zugkräftiger Volkstragödie „Glaube und
Heimat“. Als erste Neuheit brachte das Thalia=Theater Johannes
Tralows an anderer Stelle dieser Nummer gewürdigtes Schauspiel
„Peter Fehrs Modelle“, das Schauspielhaus Arthur Schm##lers
„Der Schleier der Beatrice“. So stark der äußere Erfolg des
letztgenannten Stückes war, er konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß
Schnitzler, er mag sich gebärden wie er will, über den Anatol=Zyklus
und seine typischen Gestalten, das bei aller Verderblichkeit nichtsahnende
süße Mädchen und den mit seiner Schwermut kokettierenden, unersätt¬
lichen Genäßling nicht hinauskommt. So hoch er sich auch in diesem
Schau= und Spektakelstück aufreckt, alle Augenblicke sinkt er unter der
Bürde der großen Form zusammen. Und das Ende der ganzen litera¬
rischen Makarierei ist Langeweile. Zwei Akte mag es hingehen, nur
selbstgefälliges Prunken anschauen zu müssen, fünf ungefüge Akte hält
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es niemand aus, der hinter dem schönen Schein lebendiges Sein sucht.
Auch schauspielerisch war der Abend, obwohl der größte Teil des Per¬
sonals aufgeboten wurde, durchweg ergebnislos. Während alles Sze¬
nische und das Zusammenspiel der von Carl Hagemann geleiteten
Aufführung in vorzuglicher Ausgeglichenheit und Stimmungskraft heraus¬
gebracht wurde, waren die Einzelleistungen, abgesehen von zwei Neben¬
rollen, den zwei Kurtisanen Frau Dorés und Frl. Schneiders, ohne
Einheit und Größe. Max Montor stand als Filippo Loschi in einem
zwar ehrenvoll durchgehaltenen, aber doch verlerenen Kampf wider sein
Bestes und Frl. Valéry, der alles kindlich Süße, alles unschuldvoll
Triebhafte überraschend gut gelang, versagte in dem Augenblick, wo es
galt, sich zur tragischen Bewußtheit hin zu steigern. Es scheint, daß
diese begabte Darstellerin, bislang Hagemanns einzig nennenswerter
Gewinn an schauspielerischer Kraft, an das Genre des Lieblichen und "
Zarten gebunden ist und so, oder doch so lange, als sie nicht zur
Gretchenhöhe hinäufgeklommen, nur als Episodistin verwendbar ist.
Hans Franck.