II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 562

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Bentivoglio findet, daß es die Braut nicht so wie Mord aus tückischem Hinterhalt scheint, warten. Sie reißt sich les. Lieber
eilig habe und will nur weichen, wenn sie es Mit erbittertem Lachen tröstet er sie: „Es wareseiner Hand erwürgt werden, als
selbst verlangt. Sie steht noch immer gebannt kein Quentchen Tod in diesem Wein, und wie folgen. Er geht an den erhöhten A
und schweigt. Wenn sie ihm folgen wolle,
zuvor ist alles Lehen dein.“ Er rät ihr, mit
dessen Stufen entdeckt er den K
hab’s keinen Andern zu kümmern, sagt er ihr
einer „guten Lüge“ zum Herzog zurückzukehren
berauschten Schläfers, der vielleic
und verspricht ihr Alles, was sie begehre — für
und stellt ihr mehrere annehmbare zur Wahl.
Fürstenbraut träumt, die eher ihm al
eine Nacht, die letzte im unbezwungnen Bologna.
Vernichtet sinkt sie in die Kniee und fieht um
im Arm lag? Er will ihn aufrüttel
Sie antwortet endlich und stellt die Bedingung,
den Tod — an seiner Seite. Er stößt sie zurück:
kenntnissen zwingen.
daß er sie zu seiner Gemahlin erhebe. Sie kann
„Ich liebe dich nicht mehr.“ Jetzt wird sein
„So rühr dich doch! Lähmt dich der Sc
dem Anreiz nicht widerstehn, einen Märchen- Abschied vom Leben erst Buße sein; wie dürfte
Daß du nur starren kannst mit offnem
traum auf seine Verwirklichungsmöglichkeit zu#er da Beatrice mitnehmen! „Kannst du davon
Im Buch heißt es noch:
erproben. Und das Märchen wird Wahrheit. Benti¬
mich jagen?“ schluchtzt sie ihm zu. — „Gib
Ich will dir heifen, schrei dir was in's 0
voglio entschließt sich im Ubermut, ihre Bedin¬
acht, wie rasch!“ Damit leert er das beiseite¬
Was Einen, der nicht niedrer als ein Kn
gung anzunehmen und sich in der nächsten Stunde
So rasend macht, daß — hätt' er tause
gestellte Weinglas, in das die Kurtisane Lucrezia
Er alle hinwirft, seine Wut zu stillen:
vom Kardinal mit ihr trauen zu lassen. Alles,
das Gift gegossen hat. Es wirkt augenblicklich.
ich spei dir in's Gesicht, du feiger
was jung und schön ist, lädt er zum Hochzeits¬
Mit dem Zuruf: „Entflieh! Das Leben wartet“,
Als ihm innewird, daß er eine
fest in seinen Palast. Es soll eine Freudennacht
bricht er zusammen. Sie stürzt sich über ihn, sucht
schimpft, kehrt er sich mit Grauen
werden, für die der Tod kein zu hoher Preis
in dem Becher vergeblich ein Restchen für sich,
zu Beatrice, die jetzt ihren Schau
wäre. (Um Männern, die sich in schlaflos durch¬
umklammert sodann die Hände Filippos, deren
und eine übermenschliche Fassung g
schwelgter Nacht entnervt haben, noch kriegrische
Wärme ihr Hoffnung gibt, daß er sie abermals
hast's gewußt?“ faucht er sie an.
Tauglichkeit zuzutrann, muß man sich aller¬
nur geprüft habe. „Komm doch, wir wollen fliehn
Er wirft ihr vor, daß sie ihn de
dings in ein unaufhörlich wiedergeburtsfähiges
und leben — leben!“ Als sie erkennen muß, daß
noch schmähen ließ. Sie nickt. Es w
Rinascimento denken.)
sie eine Leiche umarmt, befällt sie ein namen¬
Schmach“, und sie will sie mit den
Inzwischen sind die zwei Damen vom Orden
loses Entsetzen. Mit dem irrsinnigen Schrei
teilen. Jetzt tritt das Gefolge des
der gelälligen Schwestern im Hause Filippos
„Leben!“ rennt sie davon.
und er erfährt zu seiner Bestürzung
samt den gleichfalls beduselten Musikanten ent¬
Im Schloß hat man sie endlich vermißt.
befindet und daß dieser Tote Fil
schlummert. Der Gastgeber muntert sie auf, um
Ihre Schwester Rosina, die selber den Herzog
gewesen ist. Mit ratloser Miene
sie hinauszukomplimentieren. Die Eine, sentimen¬
liebt und mit gehässiger Eifersucht einem Verdacht
sich an Beatrice:
talen Gemütes, beschwört ihn, sie allein zu be¬
nachgeht, stachelt ihn auf. Er läßt das Bacchanal
Der starb um dich? Und den verrietest¬
halten; sie wolle nie einem Andern mehr an¬
abbrechen, die Weiber hinauswerfen und hat nur
Und mich um ihn: Und wiedrum ihn u
gehören und ist bereit, darauf buchstäblich —
die eine Frage: „Wo ist Beatrice?“ Da kommt
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?
Gilt zu nehmen. Da weht die Nachricht von Benti¬
sie eben die Terrassentreppe herauf. Mechanisch
Nun werden auch ihre Eltern mit
voglios Hochzeitsladung in's Haus. Sie gibt
die Lüge gebrauchend, zu der ihr Filippo ironisch
Tochter — in Ketten — hereingef
Filippo Gelegenheit, seine Gäste in's Herzogs¬
geraten hat, behauptet sie, in der Kirche, wo
von Francesco. Man erwartet ein
schloß zu verweisen. Der Mesalliance-Entschluß
sie getraut wurde, zueinem Gebet eingesprochen
gericht. Bentivoglio verzichtet darauf,
des jungen Tyrannen setzt ihn in gelindres Er¬
und damit ein Gelübde erfüllt zu haben. Ihr
dem Unerklärlichen nachsinnend.
staunen als der Name des Bürgermädchens, der Zittern erklärt sie als Schauer unter der Morgen¬
Warst du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
an sein Ohr schlägt. Beatrice Nardi! Und der luft. Der Gatte will ihr den Schleier um Nacken
Des mit der Krone spielte, weil sie glä
Freund, der die Botschaft bringt, berichtet, daß und Schultern ziehn. Der Schleier fehlt, entdeckt
Mit eines Dichters Seel’, weil sie voll R
sie eigentlich schon auf dem Wege war, sich
sie, entdecken Alle. Er müsse ihr vor dem Altar
Mit eines Jünglings Herzen, wei''s dir ju
mit ihrem Jugendgespielen, dem Werkstattgehilfen
Geschenkt war? Aber wir sind allzu str
entfallen sein, stammelt sie. Von einem der Hof¬
Und leiden's nicht, und jeder von uns
ihres Vaters, trauen zu lassen. Der arme Junge
leute, die längst in ihr eine Zauberin wittern,
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sein —
habe sich dann ob der Wendung der Dinge um¬
wird sie lügengestraft. Er selbst habe nach der
Die ganze Welt. So nannten wir dein 1
gebracht. Filippo kann das Ganze nicht fassen.
Betrug und Frevel. Un du warst — ein
Trauung die Kirche geschlossen, um sie morgen
Als man ihn auffordert, in’'s Herzogsschloß mit¬
ne weihen zu lassen. Da braust Bentivoglio auf.
Die Mutter drängt Beatrice, den
zukommen, „blitzt es einen Augenblick über seine
„Wo warst du? Rede! Und wo blieb der Schleier?“
Guade zu bitten. Er kommt ihr zu
Stirn, als dächte er an alle Möglichkeiten, die
Sie schweigt. Auf den Befehl, ihn von dort zu
sie frei. Beatrice bleibt bei der Leic
sein Erscheinen zur Folge haben könnte“. Er gibt holen, wo sie ihn verlor, hat sie nur ein bebend
Sie fühlt sich „müd, wie nie auf Er
den Gedanken gleich auf und bleibt allein, das
„Ich kann nicht!“ Bentivoglio schwört, zu ver¬
war“. Sie findet das Rätsel in ihren
vernommne Unglaubliche überdenkend:
zeihen — und wär’s das Schlimmste —, wenn
Warum gerade mir dies Alles, sagt?
Und warum war ich ausersehn vor Allen
Isie den Schleier herbeischafft. Auf ihre hartnäckige
.Sie, jenen Sternen gleich, die einen Himmel
So Vielen Leid zu bringen: Und weiß d
In einem Augenblick durchmessen, jagt
Weigerung droht er ihr mit dem Davonjagen.
ich wollte Keinem Böses..
Durch eine ganze Welt, seit Abend wurde —
Sie fügt sich auch darein und wendet sich,
Und ich warte!
Dann bittet sie den Gemahl, si
demütig zu gehen. Der Herzog hat mehr vor;
Als der sich weigert, tut es Frances
Da tritt Graf Andrea Fantuzzi bei ihm ein, nicht nur, daß er sie des Ranges entkleidet, den
Art solcher vorwitzigen Heldenbrüd
Rechenschaft zu fordern für seine Schwester, die
sie durch ihn erworben hat, jjetzt soll sie als
das Familienrecht als Jus gladii au
seit dem Tode der Mutter in stillen Wahnsinn
Hexe vor ein Tribunal, dessen Urteilsspruch Tod
Francesco bedauert, seinen rächenden
verfallen und in ein Kloster gebracht worden ist.
wäre. Das reißt sie auf. „Sterben? Ich will nicht
auch im Blut Loschis baden zu könn
Er lehnt den Zweikampf ab, zu dem sich Filippo,
sterben! Tot sein ist fürchterlich.“ Und als der
der Herzog ihm Schweigen und hält
der einstige Freund, stellen will, und fordert
Befehl an die Knechte ergeht, zwingt sie sich
einen erhabenen Nachruf. Was Sterblig
ihn auf, mit ihm das Treffen mit Borgia zu be¬
den Vorsatz ab, den Schleier zu holen — an der
können, sei nur Vergängliches. Wa
stehn Filippo erklärt sich für unwürdig, seine Hand des Gemahls. Er darf sie nicht loslassen
hinterläßt, erfreue die Nachwelt wie
„Neige“ in die Flut aus so viel edlem Opferblut und muß ihr schwören, keine Frage zu tun. Er
genossen, und
zu gießen, ließe sich aber doch umstimmen, wenn geht mit ihr. Niemand darf folgen.
nicht in diesem Moment — Beatricens Stimme
dieser war ein Bete, ausgesandt,
Im Speisesaal des Filippo sind die Kerzen
Das Grüßen einer hingeschwundnen Welt
an seiner Tür hörbar würde. Das verwandelt
bereits am Verlöschen, als Beatrice den Herzog
Lebendig jeder neuen zu bestellen
ihn gründlich. Er verabschiedet den Grafen, bittet
hereinführt. Er hat keine Ahnung, daß er im
Und hinzuwandeln über allen Tod.
ihn, jedes Wort zu vergessen und ihn zu ver¬
Haus des berühmten Dichters ist, den er am
Da kommt die Meldung vom ers
achten und ist sichtbar gewillt, der Stunde mit
verwichenen Tag noch zu sich laden ließ, um
des Feindes. Etliche von den Verter
Beatrice sein Leben zum Opfer zu bringen.
ihn endlich persönlich kennen zu lernen — und
wichtigsten Punktes sind von den Pfeile
Beatrice erscheint im Brautkleid, mit dem kost¬
der diese Einladung ausschlug, mit der sonder-niedergestreckt worden, darunter der K
baren Schleier, der zu den Hochzeitsgeschenken
baren Begründung, er sei kein Poet mehr. —
Graf Fantuzzi. An seine Stelle beruft
des Herzogs gehört. Der Schleier entgleitet ihr,
Nicht weit von der Tür schimmert der Schleier.
den jungen Nardi als Hauptmann
während sie den Geliebten bittet, sie in die Arme
Beatrice rafft ihn mit Hast auf, wirft ihn um
ihn auf Posten. Dann gibt er Befehl
zu nehmen. Auch sie ist bereit, mit ihm „den die mehr noch als vordem zitternden Schultern,
Loschi — an Beatricens Seite -
letzten Weg zu gehn“. Er prüft sie, indem er — und nun so rasch als möglich davon! Aber der Bentivoglio bestatte und grüßt
enrshenre