II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 572

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14. Der Schleiender Beatrice
Tecst W. oel Lelo Nug, gertrp, 10 bup
Fäche
reich auch heute noch in der Nähmaschinen=“ dieser abstürzte und tot liegen blieb.
Der Dichter Filippo Loschi liebt seit! Dirnen liegen sehr ermüdet umher. Die eine,
Feuilleten
ein Renaissancemensch von unheimlicher zum
drei Tagen die sechzehnjährige Beatrice, die
nung
Leidenschaft, schüttet Gift in ihren Wein. Da
Tochter eines närrischen Wappenschneiders,
der Dichter sie wegschickt, führt sie den cher
derentwegen er seine vornehme Braut im
„Der Schleier der
zum Munde, den er ihr entreißt und beiseite
Stiche ließ. Filippo ist ein berühmter Dichter
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stellt. Sie erklärt, daß kein Jüngling mehr sie
Beatrice“
„Seine Lieder sind so süß, wie der Hauch
umfangen wird, es sei denn, an seines Lebens
des Geliebten über schlafenden Wimpern, und
Schauspiel in fünf Akten von Artur Schnitzler.
letztem Tag. Mit Hieser Drohung geht sie von
stör
so schmeichlerisch, wie göttliches Verzeihen für
hinnen.
Szene
alle Sünden“. Das sagt eine Dirne. So
Bald darauf kommt Beatrice im Braut¬
Vor fünfundzwangig Jahren war
Oelg
wunderschön redeten die Hetären der
kleid und mit dem weißen Schleier auf dem
Schlenther der Totengräber dieses inter¬
nur d
Renaissance!
Haupte. Sie ging ungesehen vom Hochzeitsfeste
essanten Werkes. Er hatte es angenommen,
Die kleine Beatrice ist keine Schön¬
Schlu
durch, weil sie sich nach Filippo sehnte. Sie will
dem Dichter Kürzungen und Aenderungen vor¬
rednerin, aber bereit, mit dem Dichter aus
wie
in seinen Armen ruh'n die Nacht und dann mit
geschlagen und für das Burgtheater das Recht
Bologna zu flüchten, das von Cesare Borgia
fällt,
ihm zusammen sterben. Doch als er ihr mitteilt,
der Uraufführung geltend gemacht. Vier
bedroht wird. Vorher begeht sie die Unvor¬
ins H
daß sie aus dem Glase Wein, das er ihr
Monate später stellte er die Annahme glatt¬
sichtigkeit, zu erzählen, was sie in der letzten
für ei
soeben gereicht, bereits den Tod getrunken habe,
weg in Abrede. Dem ungleichen Nachfolger des
Nacht geträumt hat. Sie träumte, daß Herzog
da fühlt sie sich um die Liebesnacht betrogen
Bentivoglio sie zur Herzogin erhoben, zu
gestürzten Max Burckhard schwebte möglicher¬
die fe
und nennt den Geliebten tückisch und feig. Er
Bett geführt und ihr einen Kuß gegeben habe.
wahr
weise die Mahnung vor Augen: Dreh' dich
aber schickt sie wieder fort wie schon früher
Das paßt dem Dichter nicht, denn
um, die Erzherzogin geht um!
einmal. „Gehe, wohin du willst, es war kein
„Träume sind Begierden ohne Mut,
„Wasl
Die Burgtheaterkritiker, Ludwig Speidel
Quentchen Tod in diesem Wein.“ Beatrice ist
Sind freche Wünsche, die das Licht des
ist w
an der Spitze, erhoben damals öffentlich
außer sich; sie will bleiben, er aber greift nach
Tag's
8 b
Protest gegen das Gehaben eines Bühnen¬
dem Giftbecher, den er der Hetäre entriß und
Zurückjagt in den Winkel uns’rer Seele,
ist lei
leiters, der sonst bedenkenlos minderwertige, ja
stürzt tot zusammen. Großes Entsetzen der un¬
Daraus sie erst bei Nacht zu kriechen wagen.
Geträ
durchfallssichere Stücke auf die Bretter brachte.
glücklichen Herzogsbraut, die die Hochzeitsnacht
Wirk
„Der Schleier der Beatrice“ blieb trotzdem un¬
in den Armen eines anderen feieren wollte. Sie
Willst du, daß dem gefäll'gen Ehmann gleich,
aufgeführt. Direktor Schlenther gab nichts auf
eilt hinaus, der Schleier bleibt zurück. Schnitzler
Ich fremden Kuß von deinen Lippen trinke,
Kritiker, denn er wur ja früher selbst einer!
der
erscheint und dankt für den Beifall
Und kommst daher als Dirne deines Traums?“
Das Werk blieb indes nur für Wien tot.
Ich weiß nicht, ob diese herrlichen Verse
IV.
Draußen im Reich gab es dann und wann ein
der Theorie des Professors Freud entsprechen,
Gartensaal und Park mit dem Ausblick
The
Lebenszeichen on sich. Seine Seele fuhr sogar
aber grau ist alle Theovie und grün ist auch
auf die prachtstrotzende Schloßfassade. In
war
Ballerinen in die Beine, denn aus dem Schau¬
der Poesie gold'ner Baum. Filippo heißt seine
diesem, von Remigius Geyling gedichteten
Sach
spiel wurde eine Pantomime gemacht, die über
Beatrice gehen, die wiederkommen und ihn
Wunderraum spielt der vierte Akt. Der Herzog
hohe
mehrere Bühnen hüpfte. Seelenwanderung!
mitnehmen wird, wenn sie zu sterben Lust
lud Hoch und Nieder zum Hochzeitsfeste. Im
der
Nun befreite Divektor Herterich das Werk
hat. Sie geht und der Dichter verbringt die
Park soll es so erotisch hergehen, als wäre jedes
And
aus dem Archivgrab. Und es stellte sich heraus,
halbe Nacht mit zwei Kurtisanen, deren eine sich
Beet ein Bett. Und die Sprossen dieser Nacht
junge
sterblich in ihn verliebt.
daß „Der Schleier der Beatrice“ nicht zer¬
sollen adelig geboren sein. Doch die Haupt¬
Er h
rissen und nicht zerschlissen und auch nicht ver¬
person fehlt. Wo ist Beatrices Endlich kommt
III.
W a
gilbt ist. Wohl werden schärfere Augen da und
sie. Wo war sie? Ein spannendes Verhör folgt.
Im zweiten Aufzug winkt dem Traum
dort Flecken bemerken, die aber das feine Ge¬
Wo blieb der Schleier? Sie soll ihn herbei¬
Beatricens Erfüllung. Schon hat sie einge¬
merk
#r#de nicht entwerten können.
schaffen. Sonst droht ihr der Tod. Nach langem
willigt, einen Arbeiter ihres Vaters zu hei¬
desse
Zagen und Zaudern entschließt sie sich, den
II.
raten, als der Herzog erscheint und sie zum
Wohll
Herzog an den Ort zu führen, wo sie den
Zeitvertreib begehrt. Er verspricht ihr Kleider
Die Zeit des großen Blut=, Farben= und
zuhel
Schleier ließ. Hand in Hand mit ihrem Ge¬
aus Damast, Brillanten und Perlen unb einen
Liebesrausches, die Zeit der Renaissance in
Rein
mahl geht sie hochdramatisch ab. Sie geht ab
Schleier von wunderbarer Schönheit. Doch
Italien, die Jakob Burckhardt exakt erforscht
Elter
und Schnitzler kommt, stürmisch gerufen.
Beatrice, die mit dem Sänger bedingungslos
und Gobineau frei nachgedichtet hat, wird uns
stung
Ich kann nicht sagen, wie viel adelige
gehen wollte, will vom Herzog geheiratet
in Artur Schnitzlers Schauspiel fünfaktig ver¬
Fiezu
Sprossen inzwischen der Stadt Bologna im
werden! Und der Fürst von Bologna sagt in
trieben. Der Teufel ist los; Gift und Dolch
ganze
Park der Minne geschenkt wurden, nur so viel
einer effektvollen Szene Ja und Amen. Der
sind der Argumente letzte; Grausamkeit und
Ovat
weiß ich, daß dort jene Dirne, die das Gift in
aus allen Himmeln gestürzte Angestellte des
Liebesleidenschaft, Vernichtungsgier und Kunst¬
glänz
den Becher geschüttet hat, einen Jüngling mit
Wappenschneiders erdolcht sich aus Liebesgram.
begeisterung, Verkommenheit und Edelmut
Der britte Aufzug spielt wieder bei ihrer Haarnadel erstach. In ihren Armen, das
führen einen Hexensabbat auf. Es gärt in
zurech
Filippo. Mitternacht naht und die zwei Kind war totl
allen Akten, aber es gärt hock poctisch.
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