II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 573

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14. Der Schleier der Beatrice
C0 Nug) gereip, 10 vep
Sammtung von en suwetengeschmückten
der Nähmaschinen=“ dieser abstürzte und tot liegen blieb.
Fächern abgesehen.
Der Dichter Filippo Loschi liebt seit] Dirnen liegen sehr ermüdet umher. Die eine,
Der Herzog, Beatrice und ich, wir eilen
on
ein Renaissancemensch von unheimlicher
drei Tagen die sechzehnjährige Beatrice, die
zum Schlusse. Der letzte Akt spielt in der Woh¬
Leidenschaft, schüttet Gift in ihren Wein. Da
Tochter eines närrischen Wappenschneiders,
nung des Filippo. Der Herzog findet hier den
der Dichter sie wegschickt, führt sie den cher
derentwegen er seine vornehme Braut im
Schleier und will trotzdem an Ort und Stelle
eier der
zum Munde, den er ihr entreißt und beiseite
Stiche ließ. Filippo ist ein berühmter Dichter.
die Hochzeitsnacht feiern. Wie er nun den auf
sce“
stellt. Sie erklärt, daß kein Jüngling mehr sie
„Seine Lieder sind somsüß, wie der Hauch
der Erde liegenden Toten sieht, den er für
des Geliebten über schlafenden Wimpern, und
umfangen wird, es sei denn, an seines Lebens
schlafend oder trunken hält und als den Zer¬
von Artur Schnitzler.
letztem Tag. Mit dieser Drohung geht sie von
so schmeichlerisch, wie göttliches Verzeihen für
störer seines Glückes schmäht, das gibt eine
hinnen
alle Sünden“. Das sagt eine Dirne. So
Szene, die mit einem Tropfen Shakespeareschen
ig Jahren war
Bald darauf kommt Beatrice im Braut¬
wunderschön redeten die Hetären der
Oels gesalbt ist. Der Herzog sieht in Beatrice
käber dieses inter¬
kleid und mit dem weißen Schleier auf dem
Renaissance!
nur das Kind und verzeiht ihr. Aber zum
es angenommen,
Haupte. Sie ging ungesehen vom Hochzeitsfeste
Die kleine Beatrice ist keine Schön¬
Schlusse stürmt ihr Bruder herbei, der nicht,
nd Aenderungen vor¬
durch, weil sie sich nach Filippo sehnte. Sie will
rednerin, aber bereit, mit dem Dichter aus
wie Valentin, für die Ehre der Schwester
urgtheater das Recht
in seinen Armen ruh'n die Nacht und dann mit
Bologna zu flüchten, das von Cesare Borgia
fällt, sondern lieber der Schwester den Dolch
nd gemacht. Vier
ihm zusammen sterben. Doch als er ihr mitteilt,
bedroht wird. Vorher begeht sie die Unvor¬
ins Herz stößt. Mit ihr gibt es vier Tote, was
lie Annahme glatt¬
daß sie aus dem Glase Wein, das er ihr
sichtigkeit, zu erzählen, was sie in der letzten
für ein Renaissancestück fast zu wenig ist. Man
eichen Nachfolger des
soeben gereicht, bereits den Tod getrunken habe,
Nacht geträumt hat. Sie träumte, daß Herzog
bewunderte die Schönheiten der Sprache und
schwebte möglicher¬
da fühlt sie sich um die Liebesnacht betrogen
Bentivoglio sie zur Herzogin erhoben, zu
die fesselnde Handlung und schob etliche Un¬
und nennt den Geliebten tückisch und feig. Er
lugen: Dreh' dich
Bett geführt und ihr einen Kuß gegeben habe.
wahrscheinlichkeiten auf die Renaissance.
um !
aber schickt sie wieder fort wie schon früher
Das paßt dem Dichter nicht, denn
Mit dem Herzog fragt auch der Kritiker:
einmal. „Gehe, wohin du willst, es war kein
„Träume sind Begierden ohne Mut,
er, Ludwig Speidel
„Was bist hu für ein Wesen, Beatrioe?“ Sie
Quentchen Tod in diesem Wein.“ Beatrice ist
Sind freche Wünsche, die das Licht des
damals öffentlich
ist weder das Lüderchen, noch das Gänschen,
außer sich; sie will bleiben, er aber greift nach
Tag's
en eines Bühnen¬
das der Emilia Galotti nachgesagt wurde, sie
dem Gistbecher, den er der Hetäre entriß und
Zurückjagt in den Winkel uns’rer Seele,
os minderwertige, ja
ist lediglich ein tragischer Backfisch, der das
stürzt tot zusammen. Großes Entsetzen der un¬
Daraus sie erst bei Nacht zu kriechen wagen.
die Bretter brachte.
Geträumte für die Wirklichkeit ansah und die
glücklichen Herzogsbraut, die die Hochzeitsnacht
“ blieb trotzdem un¬
Wirklichkeit als einen Traum empfand.
in den Armen eines anderen feieren wollte. Sie
Willst du, daß dem gefäll'gen Ehmann gleich,
uther gab nichts auf
Eine Fülle von Episoden, die das Kolorit
eilt hinaus, der Schleier bleibt zurück. Schnitzler
Ich fremden Kuß von deinen Lippen trinke,
früher selbst einer!
erscheint und dankt für den Beifall
der Zeit anziehend wiedergeben, rankt sich um
Und kommst daher als Dirne deines Traums?“
8nur für Wien tot.
die geschilderten Vorgänge. Schnitzler ließ
Ich weiß nicht, ob diese herrlichen Verse
IV.
dann und wann ein
einen guten Teil davon dem Gebot der drei
der Theorie des Professors Freud entsprechen,
Gartensaal und Park mit dem Ausblick
ine Seele fuhr sogar
Theaterstunden ruhig opfern. Herterichs Regie
aber grau ist alle Thei vie und grün ist auch
auf die prachtstrotzende Schloßfassade. In
denn aus dem Schau¬
war mit Lust und Liebe bei der
der Poesie gold'ner Baum. Filippo heißt seine
diesem, von Remigius Geyling gedichteten
ne gemacht, die über
Sache. Raoul Aslan gab den Herzog
Beatrioe gehen, die wiederkommen und ihn
Wunderraum spielt der vierte Akt. Der Herzog
eelenwanderung!
mitnehmen wird, wenn sie zu sterben Lust
hoheitsvoll und in den Effektszenen mit siegen¬
lud Hoch und Nieder zum Hochzeitsfeste. Im
er Herterich das Werk
hat. Sie geht und der Dichter verbringt die
der Kraft. Nicht uninteressant gestaltete Herr
Park soll es so erotisch hergehen, als wäre jedes
es stellte sich heraus,
Andersen den Dichter Filippo Loschi. Der
halbe Nacht mit zwei Kurtisanen, deren eine sich
Beet ein Bett. Und die Sprossen dieser Nacht
Beatrice“ nicht zer¬
sterblich in ihn verliebt.
junge Künstler sollte öfter beschäftigt werden.
sollen adelig geboren sein. Doch die Haupt¬
und auch nicht ver¬
Er hat mehr als Seltenheitswert. Hilde
person fehlt. Wo ist Beatrice? Endlich kommt
färfere Augen da und
Wagener war eine rührende Beatrice; der
sie. Wo war sie? Ein spannendes Verhör folgt.
Im zweiten Aufzug winkt dem Traum
aber das seine Ge¬
Deutlichkeit im Sprechen sollte sie mehr Auf¬
Wo blieb der Schleier? Sie soll ihn herbei¬
Beatricens Erfüllung. Schon hat sie einge¬
merksamkeit schenken. Auch dem Kostüm, auf
schaffen. Sonst droht ihr der Tod. Nach langem
willigt, einen Arbeiter ihres Vaters zu hei¬
dessen Echtheit ich gern verzichte, wenn die
Zagen und Zaudern entschließt sie sich, den
raten, als der Herzog erscheint und sie zum
Wohlgestalt darunter leidet. Noch sind hervor¬
Herzog an den Ort zu führen, wo sie den
Blut=, Farben= und
Zeitvertreib begehrt. Er verspricht ihr Kleider
zuheben Hennings als Graf Fantuzzi und Frau
Schleier ließ. Hand in Hand mit ihrem Ge¬
der Renaissance in
aus Damast, Brillanten und Perlen und einen
Reinhold=Devrient und Herr Straßni als die
mahl geht sie hochdramatisch ab. Sie geht ab
Schleier von wunderbarer Schönheit. Doch
handt exakt erforscht
Eltern der Beatrice. Einige minder gute Lei¬
und Schnitzler kommt, stürmisch gerufen.
dichtet hat, wird uns
Beatrice, die mit dem Sänger bedingungslos
stungen wären zu tadeln, wenn der Raum
auspiel fünfaktig ver¬
Ich kann nicht sagen, wie viel adelige
gehen wollte, will vom Herzog geheiratet
hiezu ausreichte. Arthur Schnitzler war den
los; Gift und Dolch
Sprossen inzwischen der Stadt Bologna im
werden! Und der Fürst von Bologna sagt in
ganzen Abend über Gegenstand herzlicher
Grausamkeit und
Park der Minne geschenkt wurden, nur so viel
einer effektvollen Szene Ja und Amen. Der
Ovationen. Direktor Herterich desavouierte
tungsgier und Kunst¬
weiß ich, daß dort jene Dirne, die das Gift in
aus allen Himmeln gestürzte Angestellte des
glänzend einen seiner Vorgänger. Diese
heit und Edelmut
Wappenschneiders erdolcht sich aus Liebesgram.
den Becher geschüttet hat, einen Jüngling mit
Pitätlos gkeit ist ihm nicht hoch genug am¬
auf. Es gärt in
Der dritte Aufzug spielt wieder bei ihrer Haarnadel erstach. In ihren Armen, das
zurechnen.
Filippo. Mitternacht naht und die zwei Kind war tot!
hochpoetisch.