II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 584

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14. Der Schleier der Satrice
Juixote.
Den
Drittes Mat-Heit
Wien 1002.
1
Neue Reden an die deutsche Nation.
(Dritte Rede.)
Das Absterben des Idealismus wird, wie die früheren Aus¬
führungen wohl gezeigt haben werden, durch die Presse nicht
nur nicht verzögert, sondern beschleunigt. Die magusta Germaniae
ist das Organ jener Weltauffassung geworden, die ausser Mark
und Pfennig kein Gut kennt. Wir wollen nun sehen, ob die
schönen Künste und Wissenschaften, die ihrem Wesen nach zur
freien Geistigkeit bestimmt zu sein scheinen, sich widerstands¬
fähiger gegen den Materialismus erwiesen haben.
Das Theater verdient den ersten Platz bei dieser Unter¬
suchung; denn es hat weitaus das zahlreichste Publicum. Gäbe
es hierfür eine Statistik, es liesse sich nachweisen, dass
die Bühne die grössten Summen ins Rollen bringt und zehn¬
mal mehr Menschen als die Literatur und fünfzigmal mehr
als die bildende Kunst eine Wichtigkeit bedeutet. Aber wieder
zeigt es sich, dass die Gunst der Menge keinen Segen
bringt; keine Kunst liegt so jämmerlich danieder wie das Theater.
Man erinnere sich an die Aufstellungen der deutschen Bühnen¬
genossenschaft über die Darbietungen der Verbandsbühnen;
Macher, denen jedes ernstere Streben fremd ist, werden am
häufigsten gespielt, weil sie von dem Publicum die geringste
gedankliche Mitarbeit verlangen. Nicht der zehnte Theil aller Vor¬
stellungen ist Dichtern oder auch nur Schreibern von Geschmack
eingeräumt, und auch dieses Wenige verdankt seine Aufführung
nicht einem edleren Bedürfnisse, sondern der Bildungs¬
heuchelei des zahlungsfähigen Philisteriums, das die Classiker
oder — wenn es modern thut — etwas von lbsen auch gesehen
haben will. Hat dieses oder jenes erfolgreiche Modestück zu¬
fällig auch literarische Qualitäten, so verdankt es wahrlich nicht
ihnen seinen Sieg, sondern der handwerksmässigen Geschick¬
lichkeit der Durchführung, bestenfalls noch der stofflichen Neu¬
heit. Wer naiv genug ist, noch an künstlerische Motive bei
Directoren und der ungeheuren Mehrzahl der um Stücklohn
Arbeitenden zu glauben, der sehe in die Kanzleien der Agenten,
höre ihre Reisenden und deren Gespräche mit den Theaterpächtern
oder lese, wenn er das nicht kann, ihre gedruckten Verlagsberichte.
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