II, Theaterstücke 14, Der Schleier der Beatrice. Schauspiel in fünf Akten (Shawl), Seite 619

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14. Der Schleier der Beatrice
Burgtheater=Première.
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Mar Kalbek.
Ich sah — ja wen sah ich nicht noch
alles? Weißt Du, ich setze Dir die wichtig¬
sten Namen noch in aller Eile her und wer
Dich besonders interessiert, den nennst Du

mir, und ich erzähle Dir dann, was ich weiß.
Ich weiß nämlich noch ungeheuer viel, aber

der Brief ist ohnedies schon so lang und
wie mir scheint, ein bißchen gar zu sehr

blaustrümpfelig geworden. Bitte, rümpfe
nicht die Nase: ich bin einmal intelligent
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und hab' ein Urteil, daran wirst Du Dich
und die andern noch gewöhnen müssen, ob
es Dir recht ist oder nicht. Also ich sah
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noch: Lindner, Wertheimer, Hango, Wilhelm

Specht, Donath, Paul Althof, Levetzow, das
sind lauier Lyriker, aber es soll noch mehr

von dem Völkchen geben; dann an Erzählern
*
und Geschichtenschreibern S. Fritz, Brociner,
A. Engel, an Volksdichtern Hawel, Baumberg,
Marg. Langkammer, Viktor Leon, an Feuille¬

tonisten M. Herzfeld, Messer, Stößl, Weyr,
Der Brapour=Arier.
Paul von Schönthau und schließlich Arthur
Pserhofer, der wie immer einem frisch= Karikatur auf Max Kalbeck aus einem Ball¬
kalender.
gebadeten Kinde glich und eine Menge Witze
machte.
Wir haben dann nach dem Souper, zählen wußte. Er ist ein reizender Mensch
Vetter Franz und ich, noch eine Menge Cafés und ich höre ihm gerne zu. Wer weiß!
abgeklappert — denke Dir! — und dort Nun, wir werden ja sehn —
Herzliche Grüße
zeigte man mir noch allerhand Gestalten,
Deine Hetty.
Nachschrift. Noch eines muß ich Dir
lauter kommende Leute, aber ich hatte genug
gesehen und genug gehört und verlangte schreiben. Einen Menschen scheinen wir in
nach Ruhe. Wie die Komödie im Burg= Berlin nicht gekannt und sehr unterschätzt
theater ge= zs haben. Hier lebt er in allen Herzen und
spielt wur= hundertmal hab' ich es hören müssen: Ja,
de, kann ich den hätten Sie kennen sollen. Ich meine
Dir wirk¬
Karlweis der vor kurzem gestorben ist.
lich nicht
Ich kenne jetzt Wien genug und begreife,
mitteilen;
daß seine Art, lächelnd zu zausen, gütig zu
der Zu¬
geißeln für hier die richtige war. Die Wiener
schauer¬
sind viel empfindlicher, aber auch viel em¬
raum gab pfindsamer, das soll sensibel heißen, man
mir zu viel
darf ihnen nicht so dick kommen wie bei
zu thun,
uns, wei' sie das gleich verstimmt. Die eine
auch mußte
Hand muß streicheln, wenn die andere haut.
ich fortwäh¬
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Ach, und der Karlweis muß ein prächtiger
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rend den Mensch gewesen sein, ein herrliches Gemüt, und

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Erläute¬
kaum fünfzig war er und erst seit ein paar
rungen mei¬
Jahren auf der Höhe. Aber er hat bis zum
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nes Vetters
letzten Moment nicht gewußt, wie es mit
Franz fol¬
ihm steht. Das Volkstheater führte seinen
gen, der im¬
Simson auf, und mit dem Bewußtsein
mer nochet= seines Erfolges schlief er ein.
Verta von Suttner.
was zu er¬
(Aufnahme von C. Pietzner Wien.)
Nochmals Deine Hetty.