1
1an
vox 19/4
12.016
Telephon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Oee Ausschnltt
≅ 197 „OBSERWEF
Nr. 85
L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichtes
Wien, I., Concondiaplarz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom.
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblatt
vom: 9/ 7%
#ngs Eine neue Dichtung Arthur Schnitzlers wurde gestern
in einem „Intimen Abend“ des Vereins zur Förderung der
Künste von dem Wiener Schriftsteller Dr. Ludwig Bauer vor¬
gelesen. Es war das die kleine dialogisierte Szene „Die
Gouvernante“ aus einem Cyklus „Szenen aus dem Familien¬
leben“, den Schnitzler gegenwärtig unter der Feder hat. Die Szene
beginnt graziös ironisch mit einer Unterhaltung zwischen einem
ach zehnjährigen Mädel aus „guter" Familie und seiner Gonvernante,
die es zum Ball frisiert: das Mädel plaudert keck von der Liebe,
die Gouvernante spielt die Ehrbare. Dann eine Aussprache zwischen
# der Gonvernante und dem „jungen Herrr“ des Hauses. Bitter ernst:
sie haben sich „geliebt", nun fühlt die Souvernante sich Mutter give
werden; der junge Herr will sie nicht heiraten, nur aus dem o.
Hause entfernen, aber sie wird in stolzem Trotz freiwillig bar
gehen. Dann wird's wieder lustig: Der ahnungslose Hauslehrer, der hraus.
die Gonvernante schon lange umschwärmt hat, erscheint, und sie ge¬
steht ihm schamhaft, daß sie ihn wiederliebe und heiraten wolle. Und das
er ist glücklich. Der ironische Schluß setzt sehr schnell und kurz eins den
und verblüffte gestern das Publikum einigermaßen.
Außerdem las Dr. Bauer noch Dichtungen zweier anderer Wiener
kal Schriftsteller vor. Die Novellette „Die Straße des Elends“ war eine 1 die
glückliche Probe der zierlichen Erzählungskunst Naaul-Auern=en¬
ung")
W0
heimers, die in tändelndem Geplander Ernstes zu kunden weiß. tliche
Und Ludwig Bauer selbst erwies sich in seiner „Erzählung von, Mit¬
Jedem“ und zwei Dialogen als kluger und geistreicher Kopf, der in
knappen, reizvollen Dichtungen die Torheiten des Lebens aufzuweisen
und mit herbem Spott zu beleuchten versteht.
eubneffängabé ohlie Gewähr
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Berlin N. 24.
Telephon: Ill, 3051.
—
Ausschnitt aus
Deutsche Marte, Berin
6. 12.03
9 Der Junme Wiener Dichterabend des
reins zur Förderung der Kunst am Mittwoch dot
#ncherlei interessante Anregungen. Dr. Ludwig
Bauer rezitierte ein einaktiges, bisher ungedrucktes
Perk von Schnitzler „Die Gouvernante“, eine graziöse
Stizte Raan Auebeime
des Elends“
Fund eigene Dichtungen, die sicherlich das Interessanteste
des Abends waren. Seine „Geschichte eines Jeden“,
eine bittere Satire des Lebens von dem Moment des Ge¬
borenwerdens bis zum Augenblick der eigenen Vaterfreude,
ist die fesselnde Arbeit eines nachdenklichen Glaubenslosen.
Dieselbe trostlose Bejahung des Zufalls als des regieren¬
den Prinzips im Menschendasein charakterisierte auch
seine beiden kleinen Dialoge. „Der Künstler“ und „Die
Jugend“, der todkranke Künstler bestürmt den Arzt um
Reitung, denn er könne, er wolle, er dürfe nicht sterben.
Welten lönne er noch schaffen. Er fühle sich als
schöpferischer Gott. Und Götter seien doch unsterblich.
Aber mit der ichwindenden Kraft des Todgeweihten
schwindet auch sein Wille zum eben noch heißbegehrten
Leben. Mit der Hellsichtigkeit des Sterbenden erkennt
er plötzlich das unlogische Chaos in allem, die Nichtig¬
keit von Leben und Streben. Der Arzt schließt
ihm die toten Augen mit den Worten: „Nun mußt Du
ja wissen, ob Du recht gesehen hast.“ Schnitzlers
„Gouvernante“ eine Szene aus dem Familienleben, in
der die morsche Moral von Eltern, Kindern und
Dienern gegeißel' wird, war im Sujet wenig originell.
Nur in der ironischen Selbstverständlichkeit, mit der die
handelnden Personen gezeichnet waren, lag Schnitzler¬
scher Esprit. Der sonst gelungene Abend lit leider
unter dem leisen Organ des Rezitators, das kaum bis
zur Hälfte des Saales durchdrang.
he.
1an
vox 19/4
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L. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichtes
Wien, I., Concondiaplarz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom.
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblatt
vom: 9/ 7%
#ngs Eine neue Dichtung Arthur Schnitzlers wurde gestern
in einem „Intimen Abend“ des Vereins zur Förderung der
Künste von dem Wiener Schriftsteller Dr. Ludwig Bauer vor¬
gelesen. Es war das die kleine dialogisierte Szene „Die
Gouvernante“ aus einem Cyklus „Szenen aus dem Familien¬
leben“, den Schnitzler gegenwärtig unter der Feder hat. Die Szene
beginnt graziös ironisch mit einer Unterhaltung zwischen einem
ach zehnjährigen Mädel aus „guter" Familie und seiner Gonvernante,
die es zum Ball frisiert: das Mädel plaudert keck von der Liebe,
die Gouvernante spielt die Ehrbare. Dann eine Aussprache zwischen
# der Gonvernante und dem „jungen Herrr“ des Hauses. Bitter ernst:
sie haben sich „geliebt", nun fühlt die Souvernante sich Mutter give
werden; der junge Herr will sie nicht heiraten, nur aus dem o.
Hause entfernen, aber sie wird in stolzem Trotz freiwillig bar
gehen. Dann wird's wieder lustig: Der ahnungslose Hauslehrer, der hraus.
die Gonvernante schon lange umschwärmt hat, erscheint, und sie ge¬
steht ihm schamhaft, daß sie ihn wiederliebe und heiraten wolle. Und das
er ist glücklich. Der ironische Schluß setzt sehr schnell und kurz eins den
und verblüffte gestern das Publikum einigermaßen.
Außerdem las Dr. Bauer noch Dichtungen zweier anderer Wiener
kal Schriftsteller vor. Die Novellette „Die Straße des Elends“ war eine 1 die
glückliche Probe der zierlichen Erzählungskunst Naaul-Auern=en¬
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W0
heimers, die in tändelndem Geplander Ernstes zu kunden weiß. tliche
Und Ludwig Bauer selbst erwies sich in seiner „Erzählung von, Mit¬
Jedem“ und zwei Dialogen als kluger und geistreicher Kopf, der in
knappen, reizvollen Dichtungen die Torheiten des Lebens aufzuweisen
und mit herbem Spott zu beleuchten versteht.
eubneffängabé ohlie Gewähr
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Berlin N. 24.
Telephon: Ill, 3051.
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Deutsche Marte, Berin
6. 12.03
9 Der Junme Wiener Dichterabend des
reins zur Förderung der Kunst am Mittwoch dot
#ncherlei interessante Anregungen. Dr. Ludwig
Bauer rezitierte ein einaktiges, bisher ungedrucktes
Perk von Schnitzler „Die Gouvernante“, eine graziöse
Stizte Raan Auebeime
des Elends“
Fund eigene Dichtungen, die sicherlich das Interessanteste
des Abends waren. Seine „Geschichte eines Jeden“,
eine bittere Satire des Lebens von dem Moment des Ge¬
borenwerdens bis zum Augenblick der eigenen Vaterfreude,
ist die fesselnde Arbeit eines nachdenklichen Glaubenslosen.
Dieselbe trostlose Bejahung des Zufalls als des regieren¬
den Prinzips im Menschendasein charakterisierte auch
seine beiden kleinen Dialoge. „Der Künstler“ und „Die
Jugend“, der todkranke Künstler bestürmt den Arzt um
Reitung, denn er könne, er wolle, er dürfe nicht sterben.
Welten lönne er noch schaffen. Er fühle sich als
schöpferischer Gott. Und Götter seien doch unsterblich.
Aber mit der ichwindenden Kraft des Todgeweihten
schwindet auch sein Wille zum eben noch heißbegehrten
Leben. Mit der Hellsichtigkeit des Sterbenden erkennt
er plötzlich das unlogische Chaos in allem, die Nichtig¬
keit von Leben und Streben. Der Arzt schließt
ihm die toten Augen mit den Worten: „Nun mußt Du
ja wissen, ob Du recht gesehen hast.“ Schnitzlers
„Gouvernante“ eine Szene aus dem Familienleben, in
der die morsche Moral von Eltern, Kindern und
Dienern gegeißel' wird, war im Sujet wenig originell.
Nur in der ironischen Selbstverständlichkeit, mit der die
handelnden Personen gezeichnet waren, lag Schnitzler¬
scher Esprit. Der sonst gelungene Abend lit leider
unter dem leisen Organ des Rezitators, das kaum bis
zur Hälfte des Saales durchdrang.
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