II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 13

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11. Reigen
gezeichnet und doch ist jedes Individuum wieder ein
Typus, in seiner Weise gleichsam eine ideale Gestalt.
Jeuilleton.
In diesen turzen zehn Dialogen steht mehr über die
Physiologic und Psychologie der Liebe als in den tief¬
Ein neues Buch von Arthur Schnitzler.
sinnigsten und vieldeutigsten Abhandlungen. Und wer
die Liebe erkennt, erkennt die Menschen, und wer die
Vor einigen Tagen ist im Wiener Verlage ein
Menschen kennt, sieht in den Mechanismus, der das
nues Buch von Artyur Schnitzler erschienen. Es
Leben heißt, oder die Welt. „Reigen“ nennt der
nennt sich „Reigen“, zehn Dialoge. Neu ist das Buch
Dichter sein Buch. Es ist wie ein neckisches Gegen¬
eigentlich nicht. Im Vinter 1896/1897 ließ es der
tück zu den einst so beliebten Totentänzen. Eine
Verfasser als Manuskript für seine Freunde drucken.
Reihe von Liebestänzen ist es. Paar dreht sich um
Er schrieb damals in der Einleitung: „Ich glaube,
Raar und alles wirbelt um die große Flamme, an
der Wert dieser Szenen liegt anderswo als darin, daß
der sich seit Anbeginn der Zeiten die Menschheit
ihr Inhalt den geltenden Begriffen nach die Veröffent¬
wärmt, die allen Entwicklungswegen leuchtet, die
lichung zu verbieten scheint.“ Die geltenden Begriffe!
Nächte erhellt und lockend immer wieder L#fer heran¬
Was wird alles in deutschen Landen, von Frankreich
zieht, die in ihr verbrennen. Altarfeuer unn zehrender
und England gar nicht zu reden, gedruckt, was dieses
Brand, Leuchtturm im Ozean des Lebens, wütende
Büchlein an Kühnheit und Freiheit übertrifft! Und
Feuersbrunst, die keine Schonung kennt, Irrlicht und
andererseits wie turmhoch steht „Reigen“ über der
Herdfeuer, das alles ist die Liebe. Man könnte sie den
ganzen erotischen Literatur der letzten zwei Jahr¬
Sinn und die Weisheit des Lebens nennen und man
hunderte! Man kann höchstens die graziösen Pocten
irrt auch nicht, wenn man sie Narrheit und Unsinn
des achtzehnten Jahrhunderis zum Vergleich heran¬
schilt. Alle, die sie segnen, haben Recht, und alle, die
ziehen; die ersetzten aber meistens durch Lüsternheit
ihr fluchen, nicht minder. Sie ist die Quelle aller
und gesuchte Frivolität, was ihnen an schlagendem
Tragik, und dabei zugleich das Komischeste, was es
Witz abgieng. Und von psychologischer Menschen¬
gibt. Sie ist göttlich und teuflisch, himmlisch und ge¬
beobachtung sucht man in diesen Schaumschlägern der
mein, sie verkörpert das Tier im Menschen und
Zweideutigkeit vergebens eine Spur. Nein, Schnitzler
erhebt ihn über die Erde. Weit über die Erde hebt
sie
hat keinen Vorgänger. Sein Buch ist einzig in seiner
den Menschen empor auf blauen, leuchtenden Flügeln,
Art, ja klassisch in seiner Art. Es ist voll Weisheit
deren Spitzen geraucht sind in Himmelsgluten und sie
und Witz, voll Anmut und Schärfe. Jedes Indivi¬
duum ist echt und wahr, mir äußerstem Realismus stürzt ihn herab in Kot und Schmutz. Unser ganzes
Leben dreht sich um den einen Punkt, aus dem
der Menschheit und nicht nur der Frauen Weh und
Ach, so tausendfach, nach Goethes Rezept zu kurieren
ist. Aber es schickt sich nicht, von diesem Punkte laut
zu reden. Schnitzler hat nun die Frechheit, das zu
tun. Und trotzdem wird es gewiß eine Menge Leute
geben, nicht nur Dummköpfe und Tartüffes, die ihm
das Erscheinen dieses Buches im Handel bitter und
vielleicht nicht mit Unrecht verübeln werden. Denn
Eines ist sicher: Es ist keine Lektüre für unreife Men¬
schen, es ist ein Buch für sehr Erwachsene. Aber auch
Petronius und Lucian sind nur Bücher für Reife.
„Reigen“ läuft allzusehr Gefahr, als pornographische
Lektüre mit dem gewissen Augenblinzeln verkauft,
und mit der gewissen Gier verschlungen zu werden.
Und es wäre jammerschade, wenn man Schnitzler mit
dem Schmutz einer gewissen Literatur in einen Topf
werfen würde. Das sind gewiß lauter Bedenken, die
nur Deutschen in deutschen Landen koumen können.
Der Franzose ist unbefangener, ja ich möchte sagen,
künstlerischer. Er weiß den Künstler vom Schmutzfink
zu unterscheiden und er mißt solch ein teckes Prodult
übermütiger Laune nicht mit der strengen Elle der
Moral. Was aber wird der arme Schnitzler in deut¬
schen Landen über sein Buch noch zu hören bekommenk
„Reigen“ nennt der Dichter sein Buch. Erstes
Paar: Soldat und Dirne. Derselbe Soldat wird der
Geliebte eines Stubenmädchens. Das Stubenmädchen
und der junge Herr im Hause, wo sie dient, tanzen
im Reigen. Der junge Herr „verführt“ eine junge