II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 30

11.
box 17/1
Reigen
Telephon 12801.
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER“
Nr. 63
1. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
WVien, I., Concondiaplatz 4.
Vertrebungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus:
Ostiadlischt Hindschan, Wien
vom: (7/2 74 07
* Vergl. „Die Gesellschaft“ 1895 und „Neue
Bahnen“ 1902.
Reigen. Zehn Dialoge. Von Arthur Schnitz.
ler. Buchschmuck von Berthold Löffler. Wiener
Verlag. Nicht nur ein ordinäres, sondern auch ein
nichtssagendes und plattes Buch, mit dem sich der
Verfasser außerhalb des Schrifttums stellt in die
Reihen der gewissenlosen Sudler, deren mephitische
inclusive
Erzeugnisse die Spalten der sogenannten Wiener
Porto.
„Witz“=Blätter ad majorem Veneris vulgivagat
Zahlbar
gloriam füllen. Schnitzler hat freilich schon von
im Voraus.
allem Anfang an starke Neigung zu diesem sauberen
Handwerk besessen, für ihn existierte beinahe nichts
schnitte ist das
als das Geschlechtliche, und zwar in seiner grobsinn¬
uch steht es den
u ändern.
lichen Erscheinungsform. So als ob es nichts anderes
gäbe, das künstlerisch verwertet werden könnte! Als ob
enthaltend die
die Dirnen= und Halbdirnenwelt das Höchste wäre,
er Morgen¬
1 das dem Künstler zu Gebote steht! Nun Schnitzler
Viener Zeitung“)
b war in dieser Eigenschaft (als Künstler) niemals
wirthschaftliche
ernst zu nehmen, es lag ihm offenbar nichts an dem
vird. Diese Mit¬
was er sagen wollte, hingegen alles an dem, wie
er es sagen wollte. Daher das prasselnde Feuerwer
von mehr oder minder geistreichen Einfällen, daher
das augenscheinliche Bestreben, um jeden Preis
originell zu sein und das Publikum zu blenden. Dast
allenthalben der bekannte foetor judaieus zu spüren
ist, wie bei der „Décadence“ überhaupt, habe ich be¬
reits anderwärts festgestellt und pathologisch zu er¬
klären versucht. Waren aber Schnitzlers frühere)
Bücher noch teilweise genießbar, so ist dies beim
„Reigen“ nicht der Fall. Ich habe selten etwas lang
weiligeres und platteres gelesen. Dabei ist es mit so
hündischer Geschlechtsgier geschrieben, daß es einen
ekelt. Ein Jüngel, das den Pubertätskitzel spürt
schreibt nicht viel anders. Es heißt, daß Schnitzler das
Zeug vor etwa sechs Jahren zu Papier gebracht habe,
ja, warum läßt er es nun erst erscheinen?!
Ist er
dem Geschmack oder der Geschmack ihm so un
treu geworden, daß er glaubt, der „Reigen“ werde
einem Lorbeerkranze ein weiteres Blatt hinzufügen.
Jedenfalls ist die Veröffentlichung gleich eine
tüchtigen Schlappe, die er nicht so bald wett machen
wird. Dieses Buch beweist, wie berechtigt die aller
dings ungeschickte Interpellation im Abgeordneten
hause wegen des Bauernfeldpreises war. Der biedere
Bauernfeld muß sich ja zehnmal im Grabe umdrehen
wenn er an seinen Schützling denkt. Die zweite Seit
des Buches belehrt: „Von diesem Buche wurden 25
numerierte Exemplare auf Büttenpapier abgezogen
und vom Autor signiert“ — das ist wichtig zu wissen:
schade daß ich nie ein solches Exemplar kaufen werde.
derlei Papier ist dem Wohlbehagen gewiß nicht zu
träglich, zudem viel zu teuer! Der „Buchschmuck“ is
genau so geschmacklos und platt, wie der Inhalt de¬
Buches. Der „Wiener Verlag“ macht Herrn Grimn¬
in Ofen=Pest starke Konkurrenz!
Stauf v. d. March.
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„GBSERYEP“
Nr. 39
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus;ooneten, #unc
2 31 I0
vom:
Literatur.
Arthur Schnitzler, „Reigen“, Wiener
„Verlag 1903. — Dieses Buch besteht aus einer Reihe
zvon Dialogen, welche insgesamt ein einziges Thema, das
heickelste allerdings, aber auch das natürlichste von der
Welt, in zehnerlei Arten variieren: Wie sich der Mann,
in den verschiedenen Typen als Soldat, als junger
Herr, als Gatte, als Dichter und als Graf dem Weibe
unmittelbar gegenüber benimmt und wie sich das Weib,
in den verschiedenen Typen als Dirne, als Stuben¬
50
Für
inclusive
mädchen, als junge Frau, als süßes Mädel und als
200
Schauspielerin dem Manne unmittelbar gegenüber
Zahlbar
500
gibt. Schnitzler hat in diesem Buche sozusagen
im Voraus.
1000
alles, was die gebildeten Schriftsteller und Dichter
itte ist das
des Mittelalters und der Neuzeit zwischen die ein¬
steht es den
Abonnemen
zelnen Kapitel ihrer Romane oder in ihrem Stücken
ndern.
Abonnenter
hinter den zimperlichen Vorhang verlegten, mit fröh¬
licher Beherztheit auf einmal ausgesprochen, und esthaltend die
Der
Morgen¬
ist auf diese Weise in der Tat ein Manstrum antiker
er
Zeitung“)
blätter
Schamlosigkeit daraus geworden. Manche nennen diesen
chaftliche
wodurch
„Reigen“ gemein und ereifern sich für Sitte und Religion,
iese Mit¬
Leben des
vergessen aber, daß ein Kunstwerk weder mit diesem noch
theilunger
mit jenem traditionellen Firlefanz etwas zu schaffen
hat, und die meisten der Literaturästheten beobachten
vorderhand noch ein peinliches Schweigen, bis zum
Zeitpunkt wahrscheinlich, da ihnen einer der kritischen

d Sact. Annn
Häuptlinge das Signal zum Angriff geben wird.
Unterdessen aber sehe ich nicht ein, weshalb ich es
nicht loben sollte. Ja, dieses Buch ist wunderbar fein,
tief und witzig; es ist unterhaltend und lehrreich; ich
betrachte es als ein literarisches Ereignis, welches
vielleicht eine neue Epoche unverkünstelter Naturbe¬
trachtung einleitet, undes ist allen Leuten, den Prüden
und den Feigen; den Scheinheiligen und den Sittlich¬
keitsfexen, ja sogar den kleinen Mädchen und den
kleinen Bübchen bestens zu empfehlen, da das wohl¬
tätige Gift dieses Buches sie möglicherweise gegen un¬
sere größte Zeitlüge immunisiert; die Vorurteilslosen
und die Freunde der Wahrheit werden es sicherlich
mit Freuden begrüßen.
L. Berndl.