11. Reigen
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und
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igen
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lus¬
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ber,
hmte
ieder
in es
recht
volle
r.
sserte
des
oma.
5,
1 den
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ner, Greif, Schnitzler.
noch bei Lebzeiten des Autors eine siebente Auflage
ausgegeben werden kann. Doppelt seltsam, wenn der
Dichter dem Publikum so wenig entgegenkommt, wie
Martin Greif es thut. Stürmische Erfolge sind ihm
deshalb auch nie beschieden gewesen, seine Lyrik hat ja
auf den ersten Anblick so wenig Bestechendes, fast will
es manchmal scheinen, als ob er mit Absicht jedem
lauten Effekt ängstlich aus dem Wege ginge. Ganz all¬
mählich haben sich die Menschen an ihn gewöhnt und
ihn liebgewonnen, denn wer sich einmal in diese Ge¬
dichte vertiefte, den lassen sie nicht wieder los. Es sind
keine Prunkstücke; schlicht wie alte Volksweisen muten sie
manchmal an, voll süßer Schwermut oder schalkhafter
Munterkeit. Seine Naturbilder sind oft nicht mehr als
ein in knappen Umrissen festgehaltenes Motiv, aber wie
weiß er dieses Wenige mit Duft zu füllen! Greif ver¬
steht es meisterhaft, durch ein flüchtiges Andeuten, einen
nur leise angeschlagenen Akkord die Seele des Lesers in
Schwingung zu versetzen, ihn zur dichterischen Mitarbeit
anzuregen. Eine eingehende Würdigung des Buches
soll hier aus Anlaß der neuen Auflage nicht versucht
werden, doch möchte ich es nicht unterlassen, den vom
Verlag sehr würdig ausgestatteten Band dringend zu
Martin Boelitz.
Nürnberg.
Dramatisches.
Reigen. Zehn Dialoge von Arthur Schnitzler. Wien
und Leipzig 1903, Wiener Verlag. 251 S. M. 3,50
(5,
Hetärengespräche. Nur daß sie hier immer von einem
männlichen und einem weiblichen Wesen geführt werden,
während es bei Lucian sehr oft Weiber unter sich sind.
Das Thema ist das gleiche wie bei dem griechischen
Erzähler. Nur daß in den zehn Dialogen Schnitzlers
an einer bestimmten Stelle die Worte schweigen, weil
dann Thaten reden. Nach den Thaten wird der Dialog
zu Ende geführt und zeigt dann jedes Mal den Revers
zu den ersten Gesprächen. Der Mann, der vorher nicht
genug schmeicheln konnte, ist jetzt mürrisch, zugeknöpft,
brutal; und das Weib, das vorher sich sträubte, wird
nun anhänglich, weich, beredt. Darin liegt wohl der
Hauptwitz der Dialoge. Nur weist er so wenige Varianten
auf, daß er mit der Zeit langweilig werden würde, gäbe
es nicht immer wieder überall viel neue, witzige, geist¬
reiche und treffende Einzelheiten in den Dialogen. So
sind denn diese zehn Variationen auf der einen Saite
in der That etwas Besonderes und zeugen vor allem
Die
von der hohen Sprachmeisterschaft Schnitzlers.
Sprache ist das künstlerisch Wertvollste an dem Werk.
Es fällt uns wieder Lucian ein, dessen künstlerischer
Hauptreiz ebenfalls in seinem vortrefflichen Griechisch
besteht.
Man sagte bisher gerne der deutschen Sprache nach,
sie sei zu keusch, um über geschlechtliche Dinge anders
als brutal und ungeschlacht sich äußern zu können. Zum
Vergleich zog man gerne das Französische heran, wo
sich auch bei den unanständigsten Dingen im Wort
durchaus der Anstand wahren läßt. Nun, Schnitzler hat
dasselbe in deutscher Sprache vermocht. Er kann in ihr
das Unanständigste anständig sagen. Das konnte nicht
einmal Lucian mit seiner Sprache. Denn als er wirklich
einmal eine erotische Szene en détail schildern wollte,
nannte er die weibliche Hauptfigur bezeichnender Weise
Palästra und entlieh den nötigen Wortschatz den terminis
technicis des griechischen Ringkampfes. Erst Longus
verstand sein Griechisch wirklich so zu handhaben, daß er
alles sagen konnte, ohne ernstlich Anstoß zu erregen.
Denselben Weg hat das Deutsche unter Schnitzlers Hand
genommen. Die Sprachforscher finden in derlei ein
Symptom des Verfalls einer Sprache. Der Kultur¬
historiker meint, darin offenbare sich die Dekadenz eines
Volkes. Ich glaube, beide sind im Irrtum, denn so wenig
die Zeitgenossen des Longus sein Griechisch sprachen,
so wenig wird sich nun jeder unserer Zeitgenossen der
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ner, Greif, Schnitzler.
noch bei Lebzeiten des Autors eine siebente Auflage
ausgegeben werden kann. Doppelt seltsam, wenn der
Dichter dem Publikum so wenig entgegenkommt, wie
Martin Greif es thut. Stürmische Erfolge sind ihm
deshalb auch nie beschieden gewesen, seine Lyrik hat ja
auf den ersten Anblick so wenig Bestechendes, fast will
es manchmal scheinen, als ob er mit Absicht jedem
lauten Effekt ängstlich aus dem Wege ginge. Ganz all¬
mählich haben sich die Menschen an ihn gewöhnt und
ihn liebgewonnen, denn wer sich einmal in diese Ge¬
dichte vertiefte, den lassen sie nicht wieder los. Es sind
keine Prunkstücke; schlicht wie alte Volksweisen muten sie
manchmal an, voll süßer Schwermut oder schalkhafter
Munterkeit. Seine Naturbilder sind oft nicht mehr als
ein in knappen Umrissen festgehaltenes Motiv, aber wie
weiß er dieses Wenige mit Duft zu füllen! Greif ver¬
steht es meisterhaft, durch ein flüchtiges Andeuten, einen
nur leise angeschlagenen Akkord die Seele des Lesers in
Schwingung zu versetzen, ihn zur dichterischen Mitarbeit
anzuregen. Eine eingehende Würdigung des Buches
soll hier aus Anlaß der neuen Auflage nicht versucht
werden, doch möchte ich es nicht unterlassen, den vom
Verlag sehr würdig ausgestatteten Band dringend zu
Martin Boelitz.
Nürnberg.
Dramatisches.
Reigen. Zehn Dialoge von Arthur Schnitzler. Wien
und Leipzig 1903, Wiener Verlag. 251 S. M. 3,50
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Hetärengespräche. Nur daß sie hier immer von einem
männlichen und einem weiblichen Wesen geführt werden,
während es bei Lucian sehr oft Weiber unter sich sind.
Das Thema ist das gleiche wie bei dem griechischen
Erzähler. Nur daß in den zehn Dialogen Schnitzlers
an einer bestimmten Stelle die Worte schweigen, weil
dann Thaten reden. Nach den Thaten wird der Dialog
zu Ende geführt und zeigt dann jedes Mal den Revers
zu den ersten Gesprächen. Der Mann, der vorher nicht
genug schmeicheln konnte, ist jetzt mürrisch, zugeknöpft,
brutal; und das Weib, das vorher sich sträubte, wird
nun anhänglich, weich, beredt. Darin liegt wohl der
Hauptwitz der Dialoge. Nur weist er so wenige Varianten
auf, daß er mit der Zeit langweilig werden würde, gäbe
es nicht immer wieder überall viel neue, witzige, geist¬
reiche und treffende Einzelheiten in den Dialogen. So
sind denn diese zehn Variationen auf der einen Saite
in der That etwas Besonderes und zeugen vor allem
Die
von der hohen Sprachmeisterschaft Schnitzlers.
Sprache ist das künstlerisch Wertvollste an dem Werk.
Es fällt uns wieder Lucian ein, dessen künstlerischer
Hauptreiz ebenfalls in seinem vortrefflichen Griechisch
besteht.
Man sagte bisher gerne der deutschen Sprache nach,
sie sei zu keusch, um über geschlechtliche Dinge anders
als brutal und ungeschlacht sich äußern zu können. Zum
Vergleich zog man gerne das Französische heran, wo
sich auch bei den unanständigsten Dingen im Wort
durchaus der Anstand wahren läßt. Nun, Schnitzler hat
dasselbe in deutscher Sprache vermocht. Er kann in ihr
das Unanständigste anständig sagen. Das konnte nicht
einmal Lucian mit seiner Sprache. Denn als er wirklich
einmal eine erotische Szene en détail schildern wollte,
nannte er die weibliche Hauptfigur bezeichnender Weise
Palästra und entlieh den nötigen Wortschatz den terminis
technicis des griechischen Ringkampfes. Erst Longus
verstand sein Griechisch wirklich so zu handhaben, daß er
alles sagen konnte, ohne ernstlich Anstoß zu erregen.
Denselben Weg hat das Deutsche unter Schnitzlers Hand
genommen. Die Sprachforscher finden in derlei ein
Symptom des Verfalls einer Sprache. Der Kultur¬
historiker meint, darin offenbare sich die Dekadenz eines
Volkes. Ich glaube, beide sind im Irrtum, denn so wenig
die Zeitgenossen des Longus sein Griechisch sprachen,
so wenig wird sich nun jeder unserer Zeitgenossen der