11. Reigen
box 17/1
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER“
Nr. 83
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Hom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Deatsches Plett, Emburg
vom:
171902
——
Herr Arthur Schnitzler ein Schmutzler. In einer
Besprechung von Schnitzlers „Reigen“ heißt es anläßlich
der Aufführung im Münchener atademisch=dramatischen
Verein in der „Allgemeinen Ztg.“ u. a. folgendermaßen:
„Von den zehn kleinen Gesprächen, die der Wiener Schrift¬
steller Arthur Schnitzler im Jahre 1900 als Manuskript,
im Jahre 1903 für die Oeffentlichkeit drucken ließ, sind
vom akademisch=dramatischen Verein drei vor geladenem
Publikum aufgeführt worden. Schnitzler hat durch seine
Schauspiele sowie durch mehrere Novellen sich einen der
vorderen Plätze in der gegenwärtigen deutschen Literatur
inclusive
errungen. Er ist verschiedentlich ausgezeichnet worden,
Porto.
auch durch die höchste Ehrung, die sein Vaterland dem
Zahlbar
dramatischen Schriftsteller verleihen kann, den Grill¬
im Voraus.
parzer=Preis. (Allerdings! Aber zum Erstaunen weitester
te ist das
Kreise. Schr.) Der Mann hat also einen geachteten Na¬
cht es den
den durch achtbare Leistungen erworben; er hat diesen
ern.
Namen zu bewahren; er darf ihn nicht frivol aufs Spiel
ialtend die
setzen. Es ist Schnitzlers gutes Recht, die Liebe aufzu¬
Morgen¬
fassen, wie er will. Aber es ist auch unser gutes Recht,
r Zeitung")
diese Auffassung als unkünstlerisch, als kultur¬
hschaftliche
feindlich, als vom Standpunkt jeder Sittlichkeit als
Diese Mit¬
unsittlich zu empfinden. Es stand Schnitzler frei,
sein Werk zu verfassen; es stand ihm vollkommen frei, es
für einen intimeren Kreis, unter Auuschluß der Oeffent¬
lichkeit, drucken zu lassen; wie viel Achtung er seinen
Freunden gegenüber aufs Spiel zu setzen hat, muß er
selbst wissen. Aber was ihm nicht mehr frei stand, war,
die Dialoge in die Oeffentlichkeit zu werfen; denn er
hatte einen angesehenen Namen zu verlieren, einen der
besten, öffentlich am meisten geehrten Namen. Er hat
ihn durch diese Veröffentlichung gefährdet, wenn nicht ver¬
loren. Denn wenn seine Verteidiger kommen und sagen,
es sei sein Künstlerrecht, zu schreiben und drucken zu lassen,
was ihm beliebe, wie es ihm beliebe und wann es ihm
beliebe, wenn es nur künstlerisch gearbeitet sei, so erwidern
wir ihnen, daß die sittliche Gesundheit und Kraft einer
Nation denn doch bedeutend gewichtiger sind als die Ver¬
öffentlichung einer noch so virtnos gemachten Alkoven¬
studie. Wir können uns kaum mehr retten
vorall dem Schmutz, der von Paris und Berlin,
Wien und Pest her in Deutschland zusammenströmt; es ist
geradezu unheimlich, wie tief und rapid der Stand der
öffentlichen Anständigkeit in den letzten zehn Jahren ge¬
sunken ist, der Schmutz türmt sich höher und höher; er
stinkt zum Himmel; kein Stand, kein Lebensalter sind
mehr intakt. Man mag Katholik oder Protestant, Christ
oder Atheist, radikal oder konservativ sein: Reinheit des
Familienlebens, Kenschheit der Frau. Treue des Mannes,
Reinhaltung der Jugend. Gesundheit der Geschlechter
stehen auf dem Spiele! Und da geht einer von den ersten
und geachtetsten deutschen Schriftsteller hin und überläßt
der Oeffentlichkeit ein solches Buch.“
Das fremde Blatt macht sich diese Ausführengen zu
eigen und versieht sie mit der Ueberschrift „Gegen das
viele Unsaubere in der Literatur.“ — Herr Arthur Schnitz¬
ler ist ein jüdischer Arzt in Wien.
box 17/1
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERYER“
Nr. 83
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Hom,
Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Deatsches Plett, Emburg
vom:
171902
——
Herr Arthur Schnitzler ein Schmutzler. In einer
Besprechung von Schnitzlers „Reigen“ heißt es anläßlich
der Aufführung im Münchener atademisch=dramatischen
Verein in der „Allgemeinen Ztg.“ u. a. folgendermaßen:
„Von den zehn kleinen Gesprächen, die der Wiener Schrift¬
steller Arthur Schnitzler im Jahre 1900 als Manuskript,
im Jahre 1903 für die Oeffentlichkeit drucken ließ, sind
vom akademisch=dramatischen Verein drei vor geladenem
Publikum aufgeführt worden. Schnitzler hat durch seine
Schauspiele sowie durch mehrere Novellen sich einen der
vorderen Plätze in der gegenwärtigen deutschen Literatur
inclusive
errungen. Er ist verschiedentlich ausgezeichnet worden,
Porto.
auch durch die höchste Ehrung, die sein Vaterland dem
Zahlbar
dramatischen Schriftsteller verleihen kann, den Grill¬
im Voraus.
parzer=Preis. (Allerdings! Aber zum Erstaunen weitester
te ist das
Kreise. Schr.) Der Mann hat also einen geachteten Na¬
cht es den
den durch achtbare Leistungen erworben; er hat diesen
ern.
Namen zu bewahren; er darf ihn nicht frivol aufs Spiel
ialtend die
setzen. Es ist Schnitzlers gutes Recht, die Liebe aufzu¬
Morgen¬
fassen, wie er will. Aber es ist auch unser gutes Recht,
r Zeitung")
diese Auffassung als unkünstlerisch, als kultur¬
hschaftliche
feindlich, als vom Standpunkt jeder Sittlichkeit als
Diese Mit¬
unsittlich zu empfinden. Es stand Schnitzler frei,
sein Werk zu verfassen; es stand ihm vollkommen frei, es
für einen intimeren Kreis, unter Auuschluß der Oeffent¬
lichkeit, drucken zu lassen; wie viel Achtung er seinen
Freunden gegenüber aufs Spiel zu setzen hat, muß er
selbst wissen. Aber was ihm nicht mehr frei stand, war,
die Dialoge in die Oeffentlichkeit zu werfen; denn er
hatte einen angesehenen Namen zu verlieren, einen der
besten, öffentlich am meisten geehrten Namen. Er hat
ihn durch diese Veröffentlichung gefährdet, wenn nicht ver¬
loren. Denn wenn seine Verteidiger kommen und sagen,
es sei sein Künstlerrecht, zu schreiben und drucken zu lassen,
was ihm beliebe, wie es ihm beliebe und wann es ihm
beliebe, wenn es nur künstlerisch gearbeitet sei, so erwidern
wir ihnen, daß die sittliche Gesundheit und Kraft einer
Nation denn doch bedeutend gewichtiger sind als die Ver¬
öffentlichung einer noch so virtnos gemachten Alkoven¬
studie. Wir können uns kaum mehr retten
vorall dem Schmutz, der von Paris und Berlin,
Wien und Pest her in Deutschland zusammenströmt; es ist
geradezu unheimlich, wie tief und rapid der Stand der
öffentlichen Anständigkeit in den letzten zehn Jahren ge¬
sunken ist, der Schmutz türmt sich höher und höher; er
stinkt zum Himmel; kein Stand, kein Lebensalter sind
mehr intakt. Man mag Katholik oder Protestant, Christ
oder Atheist, radikal oder konservativ sein: Reinheit des
Familienlebens, Kenschheit der Frau. Treue des Mannes,
Reinhaltung der Jugend. Gesundheit der Geschlechter
stehen auf dem Spiele! Und da geht einer von den ersten
und geachtetsten deutschen Schriftsteller hin und überläßt
der Oeffentlichkeit ein solches Buch.“
Das fremde Blatt macht sich diese Ausführengen zu
eigen und versieht sie mit der Ueberschrift „Gegen das
viele Unsaubere in der Literatur.“ — Herr Arthur Schnitz¬
ler ist ein jüdischer Arzt in Wien.