box 17/1
11. Reigen
aus dem Boden stampfte, so wäre er mit 30 Millionen
nicht zu gut bezahlt.
was die Amerikaner haben und
Wir haben alles,
noch viel mehr dazu. Uns fehlt nur die Persönlichkeit
des Geschäftsmannes großen Stils, der die Macht be¬
sitzt, den vorhandenen Kräften eine moderne Ent¬
wicklung zu geben. Wir haben ebenso Millionäre des
Geldes wie Amerika, aber wir haben keinen Millionär
des Geistes. Nicht darauf kommt es an, ob der ge¬
wöhnliche Millionärpöbel ein paar Millionen mehr oder
weniger hat, sondern darauf, ob die Großkapitalisten
sich ihrer Verantwortung als Kapitäne des modernen
Industriestaates bewußt und bereit sind, unter der
Führung eines leitenden Gedankens und einer leitenden
Persönlichkeit ihre ganze Kraft für die Zukunft des
Landes einzusetzen.
Alles, was Leute wie Hanna oder Chamberlain
verbrochen haben mögen, wird ihnen verziehen werden,
weil sie ihr Land lieben und alles daran setzen, es
stärker und reicher zu machen.
Diese Männer zeigen, daß es auch in modernen
Ländern Patrioten gibt.
Wenn ein kontinentaler Europäer das Wort
gabe gemacht, dem Publiküm zu zeigen; wie ein an
und für sich wertloses Buch durch Verbindungen des
Herausgebers durch dessen soziale Steilung und En¬
gagierung einiger Agenten zum Stadtgespräch, ja sogar
zu einer buchhändlerisch hochgewerteten Ware wird.
Damit dürfte jener häßlichen Reklamschleife wohl das
Grabkreuzchen gesetzt. sein. Der Kundige wird wissen,
wer dem Buch Pate gestanden ist. Es mag interessieren,
welche Beweggründe es wohl waren, die diese Schleife
so korrumpierten, die doch einst wirklich populäre
Bücher zierte. Es mag auch interessieren, was sie
eigentlich korrumpierte. Greifen wir einige der gang¬
barsten belletristischen Bücher aus den letzten Jahren
heraus, um das Problem daran zu erörtern.
Da ist vor allem die vielgenannte Vera „Eine für
Viele“ die durch ihren Erfolg dem Velläge Seemanns
eine ganz eigene Richtung gegeben hat, wohl auch die
Ursache der Begründung der „Frauen-Rundschau“ in
Leipzig und indirekt des gleichnamigen Verlages wurde,
der eine Unmenge von Broschüren zur Frauenfrage
herausgab, die alle mehr oder weniger Verasche Pro¬
bleme erörtern.*)
Aber auch direkt hat sich Vera in den Mittel¬
punkt einer Erörterung, die eigentlich von Björnson
ausging, gestellt, indem sie mit ihrem Buche und noch
mehr durch ihre soziale Stellung 16 Auflagen, 8 Gegen¬
schriften und eine famose Parodie im Wiener „Floh“
zeitigte. Literarisch war schon Vera nicht viel wert,
obwohl sie noch über ihren Nachtretern stand, weil sie
eine wenn auch erlebte Novelle, nicht aber moralin¬
saure oder frotisch gewürzte Traktätchen gab. Für
Christine Tahler (Eine Mutter für viele) ist es bezeich¬
nend, daß sich ihre literarische Tätigkeit bis zur Vera¬
frage auf fein Kochbuch beschränkte. Felix Ebners
„Bekehnung zur Reinheit“ ist wegen der geschilderten
eidenséhaftslosen und total von der momentanen Ver¬
liebtheit beherrschten Männertype für das Vera-Problem
belanglos. „Kranke Seelen“ (Von einem Arzte) wird
bei der Verabewegung keine Freunde finden, weil die
modernen Frauen den Arzt, überhaupt den Mann, für
unfähig erachten, über das Weib ein Urteil abzugeben,
wohl aber bezüglich des Mannes dieses Recht sehr
in Anspruch nehmen. Man denke, wie unendlich tief
der arme Herr Doktor Moebius sich’s mit den Frauen
verdorben haben muß, daß er heute bekannt ist wie
der lebendige Gottseibéiuns. — Wer sich für diese
Sachen näher interessiert, mag sich das Verabuch vom
Verlage der „Frauen-Rundschau“ in Leipzig kommen
lassen.
Ein anderes Buch der Saison ist bekanntlich
Schnitzlers „Reigen“. Wenn Veras Buch ein Aufruf zur
Keuschheit war, kann man dies von der Schnitzlerschen
Schweinerei weniger behaupten und vielleicht gerade,
darum hatte das Buch einen so großen Erfolg. Dazu
kam noch eines: die Vorlesung des Buches wurde ver¬
boten und da es in Oesterreich keine bessere Empfehlung
gibt als einen zensurbehördlichen Erlaß, so war damit
das Buch auf das Beste empfohlen. Wir erinnern daran,
*) Vergl. „Geissel“ Nr. 115 „Geschlechtliches“,
11. Reigen
aus dem Boden stampfte, so wäre er mit 30 Millionen
nicht zu gut bezahlt.
was die Amerikaner haben und
Wir haben alles,
noch viel mehr dazu. Uns fehlt nur die Persönlichkeit
des Geschäftsmannes großen Stils, der die Macht be¬
sitzt, den vorhandenen Kräften eine moderne Ent¬
wicklung zu geben. Wir haben ebenso Millionäre des
Geldes wie Amerika, aber wir haben keinen Millionär
des Geistes. Nicht darauf kommt es an, ob der ge¬
wöhnliche Millionärpöbel ein paar Millionen mehr oder
weniger hat, sondern darauf, ob die Großkapitalisten
sich ihrer Verantwortung als Kapitäne des modernen
Industriestaates bewußt und bereit sind, unter der
Führung eines leitenden Gedankens und einer leitenden
Persönlichkeit ihre ganze Kraft für die Zukunft des
Landes einzusetzen.
Alles, was Leute wie Hanna oder Chamberlain
verbrochen haben mögen, wird ihnen verziehen werden,
weil sie ihr Land lieben und alles daran setzen, es
stärker und reicher zu machen.
Diese Männer zeigen, daß es auch in modernen
Ländern Patrioten gibt.
Wenn ein kontinentaler Europäer das Wort
gabe gemacht, dem Publiküm zu zeigen; wie ein an
und für sich wertloses Buch durch Verbindungen des
Herausgebers durch dessen soziale Steilung und En¬
gagierung einiger Agenten zum Stadtgespräch, ja sogar
zu einer buchhändlerisch hochgewerteten Ware wird.
Damit dürfte jener häßlichen Reklamschleife wohl das
Grabkreuzchen gesetzt. sein. Der Kundige wird wissen,
wer dem Buch Pate gestanden ist. Es mag interessieren,
welche Beweggründe es wohl waren, die diese Schleife
so korrumpierten, die doch einst wirklich populäre
Bücher zierte. Es mag auch interessieren, was sie
eigentlich korrumpierte. Greifen wir einige der gang¬
barsten belletristischen Bücher aus den letzten Jahren
heraus, um das Problem daran zu erörtern.
Da ist vor allem die vielgenannte Vera „Eine für
Viele“ die durch ihren Erfolg dem Velläge Seemanns
eine ganz eigene Richtung gegeben hat, wohl auch die
Ursache der Begründung der „Frauen-Rundschau“ in
Leipzig und indirekt des gleichnamigen Verlages wurde,
der eine Unmenge von Broschüren zur Frauenfrage
herausgab, die alle mehr oder weniger Verasche Pro¬
bleme erörtern.*)
Aber auch direkt hat sich Vera in den Mittel¬
punkt einer Erörterung, die eigentlich von Björnson
ausging, gestellt, indem sie mit ihrem Buche und noch
mehr durch ihre soziale Stellung 16 Auflagen, 8 Gegen¬
schriften und eine famose Parodie im Wiener „Floh“
zeitigte. Literarisch war schon Vera nicht viel wert,
obwohl sie noch über ihren Nachtretern stand, weil sie
eine wenn auch erlebte Novelle, nicht aber moralin¬
saure oder frotisch gewürzte Traktätchen gab. Für
Christine Tahler (Eine Mutter für viele) ist es bezeich¬
nend, daß sich ihre literarische Tätigkeit bis zur Vera¬
frage auf fein Kochbuch beschränkte. Felix Ebners
„Bekehnung zur Reinheit“ ist wegen der geschilderten
eidenséhaftslosen und total von der momentanen Ver¬
liebtheit beherrschten Männertype für das Vera-Problem
belanglos. „Kranke Seelen“ (Von einem Arzte) wird
bei der Verabewegung keine Freunde finden, weil die
modernen Frauen den Arzt, überhaupt den Mann, für
unfähig erachten, über das Weib ein Urteil abzugeben,
wohl aber bezüglich des Mannes dieses Recht sehr
in Anspruch nehmen. Man denke, wie unendlich tief
der arme Herr Doktor Moebius sich’s mit den Frauen
verdorben haben muß, daß er heute bekannt ist wie
der lebendige Gottseibéiuns. — Wer sich für diese
Sachen näher interessiert, mag sich das Verabuch vom
Verlage der „Frauen-Rundschau“ in Leipzig kommen
lassen.
Ein anderes Buch der Saison ist bekanntlich
Schnitzlers „Reigen“. Wenn Veras Buch ein Aufruf zur
Keuschheit war, kann man dies von der Schnitzlerschen
Schweinerei weniger behaupten und vielleicht gerade,
darum hatte das Buch einen so großen Erfolg. Dazu
kam noch eines: die Vorlesung des Buches wurde ver¬
boten und da es in Oesterreich keine bessere Empfehlung
gibt als einen zensurbehördlichen Erlaß, so war damit
das Buch auf das Beste empfohlen. Wir erinnern daran,
*) Vergl. „Geissel“ Nr. 115 „Geschlechtliches“,