II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 50

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11. Reigen
müssen seinen, Ozederlelhe#,
dieser nur die Konsequenzen aus dem 1867er Gesetze
zieht. Er führt dann aus, daß man aus diesem Ge¬
etze das ungarische Heer eskamotirt und ein gemein¬
sames Heer daraus gemacht habe. Dann hat man das
Recht der Nation auf ihre Sprache konsiszirt und ein
Majestätsrecht daraus gemacht.
Präsident suspendirt die Sitzung.
Charakterisirungsvermögen, seine Menschenkenntniß
und sein Witz, doch der „Reigen“ selbst ist das leicht¬
fertigste, aller Werke des Wiener Dichters; — selbst¬
verständlich, daß es den größten Erfolg hatte. Vor
Jahr und Tag schrieb Schnitzler eine Novelle: „Die
Todten schweigen“, die zu den besten und schönsten
Werien der deutschen Literatur gehört, doch diese
tiefe, innige, rührende Arbeit ging fast spurlos ver¬
loren. Anders der „Reigen“, der „Sensation“ macht
und jetzt, nachdem das Buch in Deutschland verboten
wurde, noch mehr Aufsehen und noch mehr Auflagen
hervorrufen dürfte. Im „Reigen“ schildert Schnitzler
en letzten Akt der Liebe. Wie die Dirne, die Schau¬
vielerin, die kokette Frau und die dazu passenden
Männchen sich geberden, wenn sie die letzten Schleier
der Scham fallen lassen. Trotz der feinen Beobach¬
tungen und geistvollen Bemerkungen ein abstoßendes
Buch. Es macht den Eindruck einer eleganten Garcon¬
wohnung, von der man nur die — Nebenräume sieht.
Wenn Heine ruft: „Weißt Du, mein Kind, was Liebe
ist? Ein Stern in einem Haufen Mist“, so hat
Schnitzler in seinem Reigen der Liebe Alles genau
geschildert, ... nur nicht den Stern.
Und diese drei Bücher erzielen große Erfolge. Die
enormen Auflagen können jedoch nur Diejenigen über¬
raschen, welche den Dingen nicht auf den Grund gehen
die
und die Zusammenhänge nicht sehen wollen,
Autoren mit Lesern verbinden. Die Antoren haben
nämlich absichtlich oder unabsichtlich den perversen Ge¬
schmack der großen Menge getroffen. Lientenant Bilse
findet Beifall, weil er der Skandalsucht fröhnt, die
Frauen seiner vorgesetzten Offiziere an den Pranger
tellt und das schmutzige Treiben in einer kleinen Gar¬
nison enthüllt. Daß er wegen seines Buches noch ein¬
—eia. sOVe Alletouf autP T
schusses über die Vorlage betreffend die Inartikulirung
insichtlich des Schutzes der Donaufischerei mit Rumä¬
nien abgeschlossenen Vertrages vor. Der Bericht wird
in Druck gelegt, vertheilt und seinerzeit auf die Tages¬
ordnung gestellt werden.
Sodann folgte die Interpellation Julius Hor¬
väths.
jesperrt wurde, macht dieses nur interessanter, denn
dadurch wird die Authentizität der Ehebrüche sozu¬
agen antlich beglaubigt. Fräulein Mombert wieder
eizt durch ihre Persönlichkeit, denn eine junge Dame,
die ungenirt Cochonnerien erzählt, findet immer Be¬
vunderer. Der alte Schlögl hat einst in Wien dagegen
gewettert, daß kleine Kinder in Wirthshäusern Zoten
singen und sein Feldzug machte auch dieser moralischen
Roheit ein Ende. Man hört jetzt nicht mehr fünfjährige
Mädchen auf den Bühnen der „Volksmuse“ Lieder
zirpen, die einen Lieutenant (und wäre er auch aus
der kleinsten Garnison) erröthen lassen. Doch einen
ähnlichen krankhaften Reiz auf die Menge, wie ihn
die kleinen Volkssängerinen seinerzeit ausübten, übt
jetzt die vornehme junge Dame aus, welche uns das
perverse „Nixchen“ von innen und außen zeigt. Und
such Schnitzler wirkt eigentlich nur „sensationell“, weil
das Lesepublikum sehen will, wie sich ein begabter
Dichter zum Zotenerzähler erniedert. Der Zulauf, den
der „Reigen“ erzielt, ist der großen Wirkung vergleich¬
bar, die ein vornehmer Kavalier hat, der im Zirkus
auftritt. Wenn ein wirklicher König als Clown aufträte,
die Leute würden sich an den Zirkuskassen die Hälse
rechen!... Freilich, mit der Kunst hätten all diese
Wirkungen nichts zu thun und auch mit der Literatur
aben die Erfolge des Bilse=Mombert=Schnitzler=Klee¬
blättchens nichts zu schaffen. Es sind die perversen
Effekte perverser Bücher auf den perversen Geschmack.
Goethe läßt einmal einen alten Gelehrten, der in
einer Abendgesellschaft gewesen, über die Gäste klagen:
— ich würd sie nicht lesen.“ Nun
„Wärens Bücher,
denn, befolgt das Rezept Goethes!
Der Einsiedler vom Schwabenberg.
Reichbiageusgestonelen Flanz Steiner stattgeha
en Versammlung beschlossen, aus Anlaß der
26. d. stattfindenden Wahl das Mandat dem Un
versitätspoofessor Hofrath Dr. Béla Földes anz
ieten. Dies ist auch geschehen, doch hat Dr. F
des in einem an Franz Steiner gerichteten Schr
ben erklärt, daß es ihm seine Gesundheitsverhältni
verzeit nicht gestatten, dem Antrag Folge zu
Aus den Memoiren eines Theaterdirektor
Ich bin glücklich! Heute habe ich das Thea
*
übernommen und von allen Seiten regnet es bere
Zweitausendsiebenhundertunddreiß
Glückwünsche.
Gratulationsschreiben flogen mir zu und jedes die
Schreiben flehte den Segen des Himmels auf m
herab — bat aber auch um Freikarten. Wenn ich
die Hälfte der Freikartengesuche günstsc erledige, kal
ch in den ersten vier Wochen auf volle Häuser rechn
Eine Deputation von Künstlern erschien bei in
Herren und Damen in großer Toilette. Alle versp
hen, mich mit Begeisterung zu unterstützen. Der Li
haber und die Primadonna hielten wundervolle
den: .... „Ungarische Kunst... neue Aera
riotismus... Uneigennutz... Vorschuß!... Es
rührend. Alle weinten. Ich schwamm in Thränen
Wonne. O selig, o selig ein Theaterdirektor zu se
Meine größten Hoffnungen setzte ich auf eine
französische Operette, die zwei prächtige Damenro
enthielt. Doch meine Operettensängerinen wiesen
Partien entrüstet zurück. Die Eine warf mir die
Rolle vor die Füße, die Andere warf mir die and
Rolle ins Gesicht!... Ein hübscher Anfang.
Der Regisseur, den ich zu Rathe zog, erklärte
daß berühmte Operettensängerinen einen Hang
Einsamkeit haben; — wenigstens auf der Bühne.
wolien ganz allein sein, obwohl schon in der B
teht, daß es nicht gut wäre, wenn der Mensch allein
Man müßte ihnen Operetten. schreiben, in wel
überhaupt nur eine einzige Rolle vorkommt.