II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 52

11.
Reigen
störte die Treue nie, die festhielt an
Vorfahren. Der Einzug der ver¬
umer der „Deutschen Zeitung“
eilage, welche sich auf den Seiten
ndet. Der Inhalt der Beilage ist
Von Franz Christel.
Alpen. — Von Hans Kersch¬
ristel. — Von Vest v. Paum¬
henflirt. — Von Karl Ptak.
e Freundschaft. — Von F. G.
Platz. — Von Alexander v. Biczo.
Von Albert Geßmann d. J
ühlingstraum. — Von Dr. Day¬
Von Albertine Luhde=Ilg.
Von Forster.
Kati. — Von H. Löffler.
enswertes Lokal. — Von Ignaz
ria. — Von Franz v. Salzburg.
e. — Von Josef Th.
Nachdruck verboten.
wierte Dimension.
kter nicht ganz ungefährlich ist, die
uzitieren, hat jüngst ein Berliner
Frau Rothe, die dem Publikum die
ft mit ihr vermitteln wollte, vier¬
materialisierte und Blumen aus dem
te, ist einfach eingesperrt worden. Die
Gericht sind von der höchst unspiri¬
g ausgegangen, daß die ganze Ge¬
ßitierung und Belebung der vierten
windel sei und Frau Rothe Betrug
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in Finsternis — siehe, es rang sich zum Licht. Wohl war
das ein Auferstehn, aber ein Auferstehn vor der Erlösung.
getrieben habe. Punktum. Die vierte Dimension ist wieder
einmal ex #ffo abgetan und erledigt. Aber bioß für
diesen Fall, bloß in Sachen des Spiritismus. Die vierte
Dimension aber, das Element des Ewig=Unbegreiflichen,
das Nichts, das mit einem Male dem staunenden Mittel¬
europäer als bedeutsames Etwas vorgesetzt wird, das
Irreelle und absolut Unwahre, an das er schließlich nach
heftig betriebener Suggestion entgegen seiner innersten
Uleberzeugung dennoch glaubt, hauptsächlich, weil er
fürchtet, sich zu blamieren, diese unwägbare Kraft des
mit allem Nachdruck der Wahrheit vorgetragenen Unver¬
nünftigen umgibt uns im heutigen Leben überall und
tausende von uns unterstehen ihren Einflüssen mehr, als
sie ahnen. Seltsam, daß gerade die Zeit, die den dürren
Naturalismus erzog, deren Canon die norwegischen und
russischen Wahrheitseiferer sind, für solche Einwirkungen
zugänglich ist, aber — sie herrschen jetzt mehr denn je.
Vor einiger Zeit wurde in einem hiesigen Theater
die Aufführung eines Stückes angekündigt, das als be¬
ondere Sensation einen außerordentlichen englischen
Dichter in Wien einführen sollte. Bernard Shaw heißt
der Mann, und einige Zeit vor der Aufführung konnte
man Dutzende von Feuilletons lesen, in denen die
wunderliche Eigenart dieses „Poeten“ gefeiert und als
ein Sphinxrätsel hingestellt wurde. Für den ersten Blick
sähen seine Schriften recht trivial aus, aber — wer sie
nur mit feinem Gefühl zu lesen verstünde! Welche
Zauber und Perlen echter Dichtung würde der in den
cheinbar alltäglichen Werken finden! Also verkündete
zunächst der „Entdecker“ Shaws für Wien, ein Herr
Trebitsch, und man hörte aufmerksam und gespannt auf
seine und seiner Genossen Rede. Dann wurde das Stück
gegeben. Ein ganz erbärmliches, schlecht gemachtes,
ordinäres Spektakelstück mit ein paar witzlos frechen
Wendungen. Man sah sich erstaunt an. Also dieses lang¬
weilige Geplapper ...?! Ja, wenn der Verfasser ein
Herr Maier aus Wien oder Oberhuber aus Linz wäre, dann
könnte man kurzen Prozeß damit machen. Man würde
einfach vom zweiten Akte an lachen, höhnen und mit¬
die Herren Ugron und Hollo dessen versahen, waren sie
nicht mehr Herren ihrer eigenen Versammlung und
spielen und das Stück könnte nicht einmal „aus“ werden.
Aber so! Dieser Shaw soll ja, wie in weitläufigen
Essays versichert wird trotz alledem ein großer Dichter
sein und weil sich in England, seiner Heimat, kein Mensch
um ihn kümmert, bei uns in Wien „gemacht“ werden.
Von Poesie ist zwar in diesem schauerlich langweiligen
Sudelwerke nichts zu merken, aber wenns so allgemein
behauptet wird, könnte ja am Ende doch etwas dran
ein. Also seien wir vorsichtig. So kam es, daß das
Stück nicht durchfiel, sondern mit einem gewissen Respekt
zu Ende angehört wurde. Den Vernunftgrund dafür
wird man vergeblich suchen.
Ein anderes Bild eines vierdimensionalen Erfolges.
Im Carl=Theater trat eine Tänzerin auf, von der gesagt
wurde, und sie selbst verkündete es mit Emphase, daß
ihr Tanz der Tanz der Zukunft sei. Kunstschriftsteller
von und ohne Beruf zerpurzelten sich vor Entzücken über
die Linien dieses Tanzes. Endlich kam sie, die Amerika¬
nerin schottischer Abkunft, die von der Serpentinen¬
tänzerin Loie Fuller in die große Welt eingeführt worden
war, ließ sich gnädig von einem Dutzend begeisterter
Reporter, die in ihrem ganzen Leben keine gute Tänzerin
gesehen hatten und in ihren Begriffen von der Kunst
Terpsichores nicht über die Kulturerse einungen Galiziens
hina iskamen, interwieven, äußerte die albernsten und
arrogantesten Ansichten über unser Ballett und wurde von
der Gemeinde der Ewigahnungslosen, die zwar nicht die
geringste Verstellung von ihrem Tanz und von Tanz
überhaupt hatten, aber bei ihr zu einem five o’elock tea
eingeladen waren, verhimmelt, ehe sie noch auf der
Bühne eines ihrer berühmten nackten Beine gezeigt
hatte. Endlich war der Abend des Debüts. Trotz der
unverschämt hohen Preise ein dicht besetztes Haus. Die
Diva erscheint. Erste Enttäuschung. Eine derbknochige
robuste Person mit einem Profil, das nichts von Dante
Gabriel Rossetti, nichts von Boticelli und nichts von
Burne Jones hatte, sondern uns, ach, so zutreffend,
„krowotisch“ erschien. Dann tanzte sie zu einer ein¬
chläfernden Musik. Allerhand Gesten und Hüpfer, wohl