II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 63

11. Reigen
vielleicht nicht direkt im
der Koalition, welche trotz
: „Haben wir überhaupt
en versucht.“
ntastische ... Dichtungen.
der Phantasie. Unver¬
aterkritiker am „Berliner
Dichter. Ein halber Ge¬
eiratet mit ihrem Verleger,
g hätte.
ie und Theaterstücke, in
serstiefeln vorkommen.“
pielerin am Neuen Theater.
Sein Ideal: Annäherung
Was er bisher erreichte
e Operette.“
schuldiger Objektivität die
ke mir selbst an den Hals
War früher als Kritiker,
rchtet. War als Kritiker
ist als Theatermann

Und ganz", wie es in den
edaure nur, daß der Ver¬
kes Buches mich um meine
ich weiß mir wirtlich viel
esonders in jenen Stunden
so fruchtbare und heilende
verschreiben sind, der noch
sch spürt. ... In solchen
von mir Dinge über mich
die ich in seinem Buch
te, aber mit welchen ich
nie Freude machen konnte.
grammatischer Augendlicks¬
elbstbelenntnis, wenn ich
geschrieben habe:
n allen Wunden
heilt,
schämten Stunden
Gegner teilt.
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der Monarch aber sich die Entscheidung vorbehalten habe,
so entspricht diese Mitteilung, wörtlich genommen, ganz
In der Tat ist gerade die Selbstironie einer der ver¬
söhnlichsten Charakterzüge des Berliners, der es von jeher
geliebt hat, seine schärfsten Spitzen gegen sich selbst zu
kehren, inenn er es müde geworden ist. sie gegen andere
zu richten. Ich bin überzeugt, daß auch Ludwig Fulda
und Hermann Sudermann ihre Selbstbilönisse mit einer
ganz anderen ironischen Untermalung abgetönt hätten, als
ie der Verfasser zu schaffen im stande war. Wer uns
von dem einen nichts anderes zu berichten weiß, als daß
er einer unserer ersten „Tantiémenkönige“ ist und vom
zweiten nur erzählt, daß „sein Vollbart sprichwörtlich“
geworden sei, hat von der feinen und subtilen Kunst des
Federporträts auch die Anfangsgründe noch nicht erfaßt.
Welchen dankbaren Stoff für den Beobachter könnten nicht
insere modernen Volkstribunen liefern! Wer möchte sie
nicht einmal linienscharf abgezeichnet sehen, diese Selbst¬
herrscher der Freiheit! Der Verfasser widmet den sozial¬
demokratischen Parteiführern nur ein kurzes Kapitel mit
dem witzig tuenden Titel: „Die Aristokraten des Zukunfts¬
staates.“ Der magere Scherz, den er sich leistet, besteht
darin, daß er den Herren pomphafte Titel mit dem Zusatz
„i. Z.“ verleiht, und das soll heißen: „Im Zukunftsstaat.“
llugust Bebel ist also „Universalminister und Universal¬
general, sowie Vorsitzender der Sittenkommission i. Z.“
Paul Singer ist „Kommerzienrat, Oberbürgermeister,
Reichs= und Polizeipräsident i. Z.“ Eduard Bernstein ist
„Bibliothekar und Minister für Unterrichts= und geistliche
Angelegenheiten des alten Bundes i. Z.“ Karl Kautsky ist
marxistischer Kardinal=Fürst=Erzbischof und Zentrums¬
ührer i. Z.“ Franz Mehring ist „Chef des Geheimen
Zivilkabinetts und der politischen Geheimpolizei i. Z.“
Man wird zugeben, daß mit solchen Wohlfeilheiten
die den Gesellschaftskörper tief aufwühlende Lebensarbeit
der deutschen Sozialdemokrate, wie man auch immer über
e denken mag, nicht einmal an der Oberfläche ge¬
streift wird.
Ein reizvolles Problem wäre die Schilderung der
Berliner Sitten gewesen. Aber freilich gehört dazu jener
Schriftsteller, nach welchem wir uns in der Runde ver¬
gebens umsehen. Er müßte den unbefangenen Heimatssinn
Theodor Fontanes mit der feinen Sprachkultur Guy de
Maupassants verbinden und zugleich die Gabe der auf¬
spürencen Beobachtung besitzen, die Emile Zolas bester
Besitz gewesen ist. In einer solchen Studie wäre vor
gen und Konferenzen,
die morgen und über¬
morgen in Wien stattfinden werden und den Handels¬
allem das Berlin des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem
Berlin des neunzehnten zu konfrontieren. Es wäre die
wichtige kulturgeschichtliche Frage zu untersuchen, in welchem
Grade die von Friedrich Nietzsche befruchtete moderne
Anklageliteratur mit ihrer Rebellion gegen die überlieserten
sittlichen Werte das Leben der hauptstädtischen Gesellschaft
beeinflußt hat, und ich bin der Meinung, daß dieser Ein¬
luß ein sehr großer gewesen ist. Zu allen Zeiten haben
sich die Bücher mehr in den Menschen gespiegelt, als sich
die Menschen jemals in den Büchern spiegeln werden,
und viel häufiger hat die Literatur für das Leben Modell
gesessen, als das Leben für die Literatur. Nur so ist es
zu erklären, daß wir überall einen Verfall der Schamhaftig¬
keit beobachten, ohne daß wir aber durch einen Gewinn
an freiem Menschentum entschädigt werden, wie man es uns
prahlend verheißen hat. Nur so begreift sich's, daß die
Frauen von ein# eine „Fernande“ von Victorien Sardou,
eine „Francillon von Alexander Dumas schon bedenklich
gefunden haben, während die Frauen von heute sogar eine
öffentliche Vorlesung von Arthur Schnitzlers „Reigen“
besuchen, ohne, auch nur hinter dem Fächer zu erröten.
Nur so versteht man's, daß einstmals Ada Christens
Lieder einer Verlorenen“ als eine äußerste lyrische Kühnheit
betrachtet werden konnten, während gegenwärtig die Brunst¬
rufe junger Mädchen, die in hitzigen Versen aufgefangen
ind, auf den Salontischen des Tiergartenviertels sorglos
ausgelegt werden. Es ist vielleicht mehr als ein spitzes
Bonmot, daß die jungen Mädchen von einst zuerst gewartet
haben, bis der Rechte kommt, um sich dann zu verheiraten,
während die jungen Mädchen von heute sich zuerst ver¬
heiraten und dann warten, bis der Rechte kommt.
Für den Sittenmaler des heutigen Berlin ist wahr¬
ich ausreichendes Material vorhanden, das seine Ver¬
arbeitung noch nicht gefunden hat. In unserem Werke ist
nichts davon zu finden, und so bleibt dem Verfasser das
einzige Verdienst, daß er die Grundlinien für ein Buch
gezogen hat, das — ein anderer hätte schreiben müssen.
Die Schilderung des heutigen Deutschland in Einzel¬
darstellungen der Menschen und Sitten seiner Hauptstädte,
ist eine gewichtige Aufgabe, die nach wie vor berusenen
Federn vorbehalten bleibt. Für das vorliegende Buch
gewinnt es einen ungewollten Doppelsinn, wenn der Ver¬
fasser in der Vorrede versichert, daß mehr als tausend
Perjönlichkeiten darin — ver zeichnet sind.