II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 62

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11. Reigen
Uebeceinstimmung, wenn auch vielleicht nicht direkt im
Einvernehmen mit den Führern der Koalition, welche trotz
„Leo Berg: Schrieb 1890: „Haben wir überhaupt
noch eine Literatur?“ Hat durch große Fruchtbarkeit die
bange Frage einem Ja zuzuführen versucht.“
„Paul Scheerbart: Phantastische ... Dichtungen.
Berliner Bureauchef im Reiche der Phantasie. Unver¬
ständlich aus Prinzip.“
„Fritz Mauthner: Theaterkritiker am „Berliner
Tageblatt“ a D. Ein halber Dichter. Ein halber Ge¬
lehrter. Ein ganzer Humorist.“
„Klara Viebig: Ist verheiratet mit ihrem Verleger,
was
ie dichterisch gar nicht nötig hätte.“
„Georg Engel: Romane und Theaterstücke, in
welchen immer pommersche Wasserstiefeln vorkommen.“
„Tilla Durieux: Schauspielerin am Neuen Theater.
Spielt ältere Schwestern.“
„Ernst v. Wolzogen: Sein Ideal: Annäherung
der Operette an vie Literatur. Was er bisher erreichte?
Annäherung der Litere an die Operette.“
Und um endlich #ich in schuldiger Objektivität die
Papptafel nicht zu übergehen, die mir selbst an den Hals
gehängt wird:
„Oskar Blumenthal: War früher als Kritiker,
ist jetzt als Schwankdichter gefürchtet. War als Kritiker
satirisch gegen die Theaterleute; ist als Theatermann
satirisch gegen die Kritik.“
Also das bin ich! „Voll und ganz", wie es in den
Festreden heißt. ... Und ich bedaure nur, daß der Ver¬
fasser nicht für diesen Absatz seines Buches mich um meine
Mitarbeiterschaft gebeten hat. Ich weiß mir wirklich viel
schlimmere Dinge nachzusagen. Besonders in jenen Stunden
ironischer Selbstschau, die eine so fruchtbare und heilende
Kraft haben und jedem zu verschreiben sind, der noch
Entwicklungsmöglichkeiten in sich spürt. ... In solchen
Stunden hätte der Verfasser von mir Dinge über mich
hören können ... Dinge . .. die ich in seinem Buch
zwar nicht gern gelesen hätte, aber mit welchen ich
wenigstens so vielen anderen eine Freude machen konnte.
Denn es ist mehr als ein epigrammatischer Augenblicks¬
einfall, es ist ein ehrliches Selbstbelenninis, wenn ich
zelegentlich den Vierzeiler niedergeschrieben habe:
Nur der wird einst von allen Wunden
Der lieben Eitelkeit geheilt,
Der manchmal in verschämten Stunden
Die Anlicht seiner — Gegner teilt.
der Monarch aber sich die Entscheidung vorbehalten habe,
gen und Ko
so entspricht diese Mitteilung, wörtlich genommen, ganz
morgen in Wien
In der Tat ist gerade die Selbstironie einer der ver¬
allem das Berlin
söhnlichsten Charakterzüge des Berliners, der es von jeher
Berlin des neu
geliebt hat, seine schärfsten Spitzen gegen sich selbst zu
wichtige kulturgesch
kehren, wenn er es müde geworden ist, sie gegen andere
Grade die von
zu richten. Ich bin überzeugt, daß auch Ludwig Fulda
Anklageliteratur 1
und Hermann Sudermann ihre Selbstbildnisse mit einer
sittlichen Werte d
ganz anderen ironischen Untermalung abgetönt hätten, als
beeinflußt hat, un
sie der Verfasser zu schaffen im stande war. Wer uns
fluß ein sehr groß
von dem einen nichts anderes zu berichten weiß, als daß
sich die Bücher in
er einer unserer ersten „Tantiémenkönige“ ist und vom
die Menschen je
zweiten nur erzählt, daß „sein Vollbart sprichwörtlich“
und viel häufiger
geworden sei, hat von der feinen und subtilen Kunst des
gesessen, als das
Federporträts auch die Anfangsgründe noch nicht erfußt.
zu erklären, daß n
Welchen dankbaren Stoff für den Beobachter könnten nicht
keit beobachten,
unsere modernen Volkstribunen liefern! Wer möchte sie
an freiem Mensche
nicht einmal linienscharf abgezeichnet sehen, diese Selbst¬
prahlend verheißen
herrscher der Freihent! Der Verfasser widmet den sozial¬
Frauen von einst
demokratischen Parteiführern nur ein kurzes Kapitel mit
eine „Francillon“
dem witzig tuenden Titel: „Die Aristokraten des Zukunfts¬
gefunden haben, i
staates.“ Der magere Scherz, den er sich leistet, besteht
öffentliche Vorle
darin, daß er den Herren pomphafte Titel mit dem Zusatz
besuchen, ohne, a
„i. Z.“ verleiht, und das soll heißen: „Im Zukunfisstaat.“
Nur so versteht
August Bebel ist also „Universalminister und Universal¬
„Lieder einer Verla
general, sowie Vorsitzender der Sittenkommission i. Z.“
betrachtet werden
Paul Singer ist „Kommerzienrat, Oberbürgermeister
rufe junger Mädch
Reichs= und Polizeipräsident i. Z.“ Eduard Bernstein ist
sind, auf den Sall
„Bibliothekar und Minister für Unterrichts= und geistliche
ausgelegt werden.
Angelegenheiten des alten Bundes i. Z.“ Karl Kautsky ist
Bonmot, daß die
„marxistischer Kardinal=Fürst=Erzbischof und Zentrums¬
haben, bis der Rech
ührer i. Z.“ Franz Mehring ist „Chef des Geheimen
während die jun
Zivilkabinetts und der politischen Geheimpolizei i. Z.“
heiraten und dan
.. Man wird zug hen, daß mit solchen Wohlfeilheiten
Für den Sitt
die den Gesellschaftskörper tief aufwühlende Lebensarbeit
lich ausreichendes
der deutschen Sozialdemokratie, wie man auch immer über
arbeitung noch nich
sie denken mag, nicht einmal an der Oberfläche ge¬
nichts davon zu
streift wird.
einzige Verdienst,
Ein reizvolles Problem wäre die Schilderung der
gezogen hat, das
Berliner Sitten gewesen. Aber freilich gehört dazu jener
Die Schilderung
Schriftsteller, nach welchem wir uns in der Runde ver¬
darstellungen der
gebens umsehen. Er müßte den unbefangenen Heimatssinn
ist eine gewichtige
Theodor Fontanes mit der feinen Sprachkultur Guy de
Federn vorbehalte
Maupassants herbinden und zugleich die Gabe der auf¬
gewinnt es einen
spürencen Beobachtung besitzen, die Emile Zolas bester
fasser in der Vorr
Besitz gewesen ist. In einer solchen Studie wäre vor Verjönlichkeiten da