11. Reigen
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Donnerstag, 26. November 1903.
a) Betreffend Errichtung von Arbeitsnachweisen: 1. Esst
sind unparitätische Arbeitsnachweise erstrebenswert. 2. Es ist
wünschenswert, daß alle Arbeitnehmer durch den Arbeitsnach
weis bezogen werden. In großen Städten wird man jedoch
nachgeben müssen, daß Arbeitgeber die Leute direkt annehmen
können, daß sie hiervon aber dem Arbeitsnachweis Mitteilung
zu machen haben. 3. Die Arbeitsnachweise müssen die Ver¬
pflichtung übernehmen, keine Leute aus Streik= oder Sperr¬
orten einzustellen. Die Legitimationen der Leute müssen ge¬
nau geprüft werden.
b) Betreffend die Einführung von Arbeits¬
zeugnissen: Kein Arbeitgeber des Baugewerbes darf
einen Arbeiter entlassen, ohne ihm das gesetzlich vorgeschriebene
Arbeitszeugnis auszuhändigen. Jeder Arbeitgeber des Bau¬
gewerbes hat die Pflicht, nur solchen Arbeitnehmer einzu¬
stellen, welcher im Besitze eines Arbeitszeugnisses (§ 113 der
G.=O.) über seine letzte Beschäftigung ist.
Die Arbeiter im Baugewerbe werden den Zweck dieser
Bestimmungen, die den Bauunternehmer zum alleinigen Herrn
auch des Arbeitsverhältnisses machen sollen, wohl selbst er¬
raten haben. Sie werden darum auch in der Lage sein, zu
beurteilen, wie dringend notwendig die fortgesetzte Stärkung
ihrer Organisationen ist, wenn die Bauarbeiter nicht willen¬
lose Sklaven des Bauunternehmertums werden wollen.
Begutachtung der Unfallfolgen. Die sozialpolitischen Hilfsorgane
der Berliner Arbeiter, nämlich das Zentralarbeitersekretariat, das
Berliner Sekretariat und die Zentralkommission der Krankenkassen
Berlins, haben jetzt eine Einrichtung geschaffen, die den Versicherten
von erheblichem Nutzen sein wird und alle Beachtung verdient. Sie
haben, wie der Arbeitersekretär Robert Schmidt im Korrespondenz¬
blatt der Generalkommission berichtet, mit dem Verein der freige¬
wählten Kassenärzte ein Abkommen getroffen, nach dem sich 43 Ber¬
liner Aerzte zur Untersuchung Verletzter bereit erklärt
haben.
Bei der Beurteilung des Maßes der Erwerbsbeschränkung, nach
dem die Unfallrente zu bemessen ist, spielt, wie R. Schmidt aus¬
führt, das ärztliche Zeugnis trotz aller Einwendungen doch immer die
Um die Einseitigkeit der Gutachten
Hauptrolle bei der Entscheidung.
vieler der sogenannten Vertrauensärzte zu paralysieren, ist jetzt im
Unfallversicherungsgesetze bestimmt, daß auf Antrag des Verletzten
bei der ersten Rentenfestsetzung neben dem Vertrauensarzte noch
ein anderer Arzt gehört werden muß. Diese Bestimmung
ist wirkungslos geblieben, denn einige Berufsgenossenschaften haben
an Stelle des Vertrauensarztes ein gewisses Honorarverhältnis mit
einigen Aerzten gesetzt und obwohl das sachlich dasselbe ist, hat doch
das Reichs=Versicherungsamt erklärt, daß diese Honorarärzte keine
Vertrauensärzte im Sinne des Gesetzes seien. Es ist für die Ver¬
letzten aber von größter Wichtigkeit, von einem unbeeinflußten und
unparteiischen Gutachter untersucht zu werden. Der Mangel an
solchen Gutachtern ist ein allgemein empfundener; denn selbst wenn
ich ein Arzt bereit erklärt, dem Verletzten ein Gutachten auszustellen,
was vielfach gar nicht geschieht, dann fragt es sich wieder, ob der
Arzt mit dem Unfallversicherungsgesetz soweit vertraut ist, daß er
weiß, worauf es in seinem Gutachten ankommt. Die besten Gut¬
achten sind in dem Falle unbrauchbar und der Verletzte hat sein Geld
umsonst ausgegeben. Oft sind schwierige Fragen zu lösen über den
Zusammenhang des Leidens mit dem Unfall. Die Erfahrungen
hierüber haben eine umfassende Literatur gezeitigt, die nicht jedem
Arzt bekannt ist, und so kommt der Uneingeweihte zu Schlußfolge¬
rungen die ganz unhaltbar sind, oder doch eine gewisse Unsicherheit
auf diesem Gebiete verraten.
Es kommt hinzu, daß die in den Rekursschriften vielfach ge¬
stellten Anträge, es möge ein Obergutachter seitens des Reichs=Ver¬
icherungsamtes gehört werden, nur dann Aussicht auf Annahme
haben, wenn durch widersprechende äcztliche Gutachten erst dargetan
wird, daß die Beschwerden des Verletzten verschiedentlich beurteilt
werden. Nur auf die Angabe des Verletzten über seine Beschwerden
erfolgt in den seltensten Fällen die Einholung eines Obergutachtens.
Das Fehlen eines vom Verletzten beigebrachten Gutachtens ist in
solchen Fällen ein schwerer Mangel.
Diesem Mangel soll die erwähnte Neueinrichtung abhelfen.
Für die Spezialgebiete ist vom Verein freigewählter Kassen¬
ärzte folgende Einteilung geschaffen: Chirurgie, Orthopä¬
die, Innere Krankheiten, Nervenkrankheiten,
Hals¬
Augenkrankheiten,
Ohrenkrankheiten,
Harnkrank¬
Hautkrankheiten,
krankheiten,
heiten, Frauenkrankheiten und Geisteskrank¬
heiten.
Bei der Vexeinbarung ist seinerzeit ausdrücklich betont, daß die
Honorarsätze nicht so niedrig bemessen werden sollen, weil darunter
eine eingehende Beurteilung des Patienten leiden dürfte. Ferner
war berücksichtigt, daß schon die schriftliche Abfassung des Gutachtens
oft eine erhebliche Zeit in Anspruch nimmt; umso eingehender hier
aber der Arzt seinen Standpunkt begründen kann, jemehr wird sein
Urteil an Wert gewinnen. Deshalb ist als niedrigster Honorarsatz
10 Mark in Ansatz gebracht
In manchen Fällen wird sich natürlich auch die Abgabe eines
schriftlichen Gutachtens erübrigen, besonders dann, wenn der Arzt sich
nur dem anschließen kann, was von der anderen Seite schon festge¬
# sollen von einem Kollegium
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Donnerstag, 26. November 1903.
a) Betreffend Errichtung von Arbeitsnachweisen: 1. Esst
sind unparitätische Arbeitsnachweise erstrebenswert. 2. Es ist
wünschenswert, daß alle Arbeitnehmer durch den Arbeitsnach
weis bezogen werden. In großen Städten wird man jedoch
nachgeben müssen, daß Arbeitgeber die Leute direkt annehmen
können, daß sie hiervon aber dem Arbeitsnachweis Mitteilung
zu machen haben. 3. Die Arbeitsnachweise müssen die Ver¬
pflichtung übernehmen, keine Leute aus Streik= oder Sperr¬
orten einzustellen. Die Legitimationen der Leute müssen ge¬
nau geprüft werden.
b) Betreffend die Einführung von Arbeits¬
zeugnissen: Kein Arbeitgeber des Baugewerbes darf
einen Arbeiter entlassen, ohne ihm das gesetzlich vorgeschriebene
Arbeitszeugnis auszuhändigen. Jeder Arbeitgeber des Bau¬
gewerbes hat die Pflicht, nur solchen Arbeitnehmer einzu¬
stellen, welcher im Besitze eines Arbeitszeugnisses (§ 113 der
G.=O.) über seine letzte Beschäftigung ist.
Die Arbeiter im Baugewerbe werden den Zweck dieser
Bestimmungen, die den Bauunternehmer zum alleinigen Herrn
auch des Arbeitsverhältnisses machen sollen, wohl selbst er¬
raten haben. Sie werden darum auch in der Lage sein, zu
beurteilen, wie dringend notwendig die fortgesetzte Stärkung
ihrer Organisationen ist, wenn die Bauarbeiter nicht willen¬
lose Sklaven des Bauunternehmertums werden wollen.
Begutachtung der Unfallfolgen. Die sozialpolitischen Hilfsorgane
der Berliner Arbeiter, nämlich das Zentralarbeitersekretariat, das
Berliner Sekretariat und die Zentralkommission der Krankenkassen
Berlins, haben jetzt eine Einrichtung geschaffen, die den Versicherten
von erheblichem Nutzen sein wird und alle Beachtung verdient. Sie
haben, wie der Arbeitersekretär Robert Schmidt im Korrespondenz¬
blatt der Generalkommission berichtet, mit dem Verein der freige¬
wählten Kassenärzte ein Abkommen getroffen, nach dem sich 43 Ber¬
liner Aerzte zur Untersuchung Verletzter bereit erklärt
haben.
Bei der Beurteilung des Maßes der Erwerbsbeschränkung, nach
dem die Unfallrente zu bemessen ist, spielt, wie R. Schmidt aus¬
führt, das ärztliche Zeugnis trotz aller Einwendungen doch immer die
Um die Einseitigkeit der Gutachten
Hauptrolle bei der Entscheidung.
vieler der sogenannten Vertrauensärzte zu paralysieren, ist jetzt im
Unfallversicherungsgesetze bestimmt, daß auf Antrag des Verletzten
bei der ersten Rentenfestsetzung neben dem Vertrauensarzte noch
ein anderer Arzt gehört werden muß. Diese Bestimmung
ist wirkungslos geblieben, denn einige Berufsgenossenschaften haben
an Stelle des Vertrauensarztes ein gewisses Honorarverhältnis mit
einigen Aerzten gesetzt und obwohl das sachlich dasselbe ist, hat doch
das Reichs=Versicherungsamt erklärt, daß diese Honorarärzte keine
Vertrauensärzte im Sinne des Gesetzes seien. Es ist für die Ver¬
letzten aber von größter Wichtigkeit, von einem unbeeinflußten und
unparteiischen Gutachter untersucht zu werden. Der Mangel an
solchen Gutachtern ist ein allgemein empfundener; denn selbst wenn
ich ein Arzt bereit erklärt, dem Verletzten ein Gutachten auszustellen,
was vielfach gar nicht geschieht, dann fragt es sich wieder, ob der
Arzt mit dem Unfallversicherungsgesetz soweit vertraut ist, daß er
weiß, worauf es in seinem Gutachten ankommt. Die besten Gut¬
achten sind in dem Falle unbrauchbar und der Verletzte hat sein Geld
umsonst ausgegeben. Oft sind schwierige Fragen zu lösen über den
Zusammenhang des Leidens mit dem Unfall. Die Erfahrungen
hierüber haben eine umfassende Literatur gezeitigt, die nicht jedem
Arzt bekannt ist, und so kommt der Uneingeweihte zu Schlußfolge¬
rungen die ganz unhaltbar sind, oder doch eine gewisse Unsicherheit
auf diesem Gebiete verraten.
Es kommt hinzu, daß die in den Rekursschriften vielfach ge¬
stellten Anträge, es möge ein Obergutachter seitens des Reichs=Ver¬
icherungsamtes gehört werden, nur dann Aussicht auf Annahme
haben, wenn durch widersprechende äcztliche Gutachten erst dargetan
wird, daß die Beschwerden des Verletzten verschiedentlich beurteilt
werden. Nur auf die Angabe des Verletzten über seine Beschwerden
erfolgt in den seltensten Fällen die Einholung eines Obergutachtens.
Das Fehlen eines vom Verletzten beigebrachten Gutachtens ist in
solchen Fällen ein schwerer Mangel.
Diesem Mangel soll die erwähnte Neueinrichtung abhelfen.
Für die Spezialgebiete ist vom Verein freigewählter Kassen¬
ärzte folgende Einteilung geschaffen: Chirurgie, Orthopä¬
die, Innere Krankheiten, Nervenkrankheiten,
Hals¬
Augenkrankheiten,
Ohrenkrankheiten,
Harnkrank¬
Hautkrankheiten,
krankheiten,
heiten, Frauenkrankheiten und Geisteskrank¬
heiten.
Bei der Vexeinbarung ist seinerzeit ausdrücklich betont, daß die
Honorarsätze nicht so niedrig bemessen werden sollen, weil darunter
eine eingehende Beurteilung des Patienten leiden dürfte. Ferner
war berücksichtigt, daß schon die schriftliche Abfassung des Gutachtens
oft eine erhebliche Zeit in Anspruch nimmt; umso eingehender hier
aber der Arzt seinen Standpunkt begründen kann, jemehr wird sein
Urteil an Wert gewinnen. Deshalb ist als niedrigster Honorarsatz
10 Mark in Ansatz gebracht
In manchen Fällen wird sich natürlich auch die Abgabe eines
schriftlichen Gutachtens erübrigen, besonders dann, wenn der Arzt sich
nur dem anschließen kann, was von der anderen Seite schon festge¬
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