11. Reigen
tadt,
richte
lain:
Nord¬
Abge¬
kulm¬
richte
Ab¬
bach
a.A.:
kterl¬
er.
einde
Abge¬
Ab¬
48,
box 17/2
—
„Es wird schwarz regiert in Bayern.“ Man
schreibt der „Münchn. Post“: „Der Schädler=Kurs hat
einen neuen Triumph zu verzeichnen. Nach den Elf
Scharfrichtern, nach dem Akademisch=dramati¬
schen Verein rücken die schwarzen Sittlichkeitsschnünler
auch den beiden Münc ner Witzblättern „Jugend“ und
„Simplicissimus“ sachte auf den Leib. Es soll vom
Ministerium eine Verfügung an die Polizei ergangen sein,
die beiden Blätter aus allen Auslagen der
Stadt entfernen zu lassen, die nicht rein buch
händlerischen Geschäften gehören. Die. Elf Scharf¬
richter aber sollen dauernd unter scharfe Kon
trolle genommen werden.
Die Bestätigung dieser Meldung bleibt abzuwarten.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir von den groben An¬
griffen des so,ialdemolratisa en Organs auf die „M. N.
N.“ Notiz nehmen, die sich gegen unser passives Verhalten
im Fall des Akademisch=dramatischen Vereins
richten. Die „M. N. N.“ haben dabei ein sehr gutes Ge
wissen. Sie haben die Nachricht von der bevorstehenden
Disziplinierung mit zuerst gebracht und die Ver¬
mutung, Abgeordneter Dr. Schädler habe die Auflösung
veranlaßt, deutlich genug ausgesprochen. Auf Grund zu¬
verlässiger Informationen wissen wir nun, daß das
Kultusministerium den akademischen Senat
der Universität schon im September auf das
Reigen=Malheur „hinweisen“ wollte, also vor
Schädlers Rede. Nach uns gewordenen Mitteilungen
hat dann das Ministerium die Entschl eßung — begreif¬
1
lusgabe. Montag 7. Dezembei 1903
licherweise — dann erst zu Beginn des Semesters
dem Senat mitgeteilt.
Ob das Rektorat oder der Senat sich in seiner Ent
schließung von Dr. Schädler hat leiten lassen, können
wir nicht glauben. Sollte es aber feststehen, daß
ein ultramontauer Herrscher die Universitätsbehörde zu
einer Maßregel bewogen hätte, die in gleicher Schärfe
sonst nicht erfolgt wäre, so würden wir es an Kritik nicht
fehlen lassen. Aber auch die „Münchn. Post“ hat keinen
Schatten eines Beweises dafür, daß Professor Kuhn den
Verein aufgelöst hat dem Centrum zuliebe. — Im übrigen
haben wir keine Veranlassung, die Entscheidung des Se¬
nats zu kritisieren. Man mag das Urteil sehr hart finden,
es ist aber nicht derart, daß den Mitgliedern des aufgelösten
Vereins in Zukunst die Möglichkeit genommen wäre, sich
ernsthaft mit moderner Literatur zu befassen und nach
Herzenslust moderne Stücke aufzuführen. Außerdem aber
möchten wir der Freiheit der Disziplinargewalt
des akademischen Senats, ohne genau informiert zu
sein, nicht zu nahe treten. Um das zu tun, müßte man den
Tatbestand viel genauer kennen als die „Münchn. Post“.
Im Uebrigen ist es eine Unwahrheit, wenn die
„Münchn. Post“ behauptet, die liberale Presse und insbe¬
sondere die „M. N. N.“ seien der Zensur gegenüber energisch
aufgetreten, nur wenn es sich um seuile Werke seniler
Dichter handle. Wir dürfen wohl annehmen, daß das
sozialdemokratische Blatt diese absolut falsche Behauptung
zurücknehmen wird.
* Miahlunchd aunbanmmüssen
Dr. Max Goldschmidt
„ Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
—
Ausschnitt aus
Leipziger neueste Nachrichten
□T DEZ 108
—
Schnitzlers „Reigen“ im Urteil der Presse. Eine witzige Zu¬
sammenstelüber Schnitzlers neues Stück entnehmen wir
den „Münchn. Neuest. Nachr.“ Es schrieben: „Frankfurter
Zeitung": „Daß sich der Verein nicht abschrecken ließ, war erfreulich
und wurde gestern auch reichlich belohnt durch den starken Beifal!
der Zuschauer.
„Bayerisches Vaterland“: „Der koschere
Verein führte das Gesaires von Aaron Schnitzler auf“ usw. „Münch¬
ner Post“: „Der große Erfolg hat bewiesen, daß die Stückchen in ihrer
tändelnden Grazie auch auf der Bühne wirken. Die Darbietung wurde
mit stürmischem Beifall belohnt.“ Ausdem Disziplinar¬
beschluß: „Die Aufführung hat große Entrüstung hervor¬
gerusen. Wiener „Zeit": „Das Experiment (nämlich die Auf¬
führung des „Reigens“) ist vollauf gelungen. Das Haupt der Jung¬
Wiener Schule hat einen vollen Triumph gefeiert.“
„All¬
gemeine Zeitung": „Schnitzler hat seinen Schriftstellernamen
durch diese Aufführung frivol aufs Spiel gesetzt, wenn nicht
verloren.“ Blättermeldung: Der Verein soll aufgelöst werden
auf Grund der von der „Allgemeinen Zeitung“ gegen ihn erhobenen Vor¬
würfe. Die „Allgemeine Zeitung“ sowie sämtliche Blätter, die
Notizen über die Sache bringen, sprechen gegen die Auflösung des Ver¬
eins und heben seine literarischen Verdienste hervor. Nur ein paar
klerikale Blätter sind anderer Meinung. Blättermeldung: Der
Verein ist aufgelöst worden; es wird ihm vorgeworfen „Zynismus“
„grobe Geschmacksverirrung“, „Mangel an Takt und Geschmack“ usw.
Blättermeldung: Hermann Bahr will in Wien Schnitzlers
„Reigen“ öffentlich vorlesen. — Wer hat nun Recht?
tadt,
richte
lain:
Nord¬
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„Es wird schwarz regiert in Bayern.“ Man
schreibt der „Münchn. Post“: „Der Schädler=Kurs hat
einen neuen Triumph zu verzeichnen. Nach den Elf
Scharfrichtern, nach dem Akademisch=dramati¬
schen Verein rücken die schwarzen Sittlichkeitsschnünler
auch den beiden Münc ner Witzblättern „Jugend“ und
„Simplicissimus“ sachte auf den Leib. Es soll vom
Ministerium eine Verfügung an die Polizei ergangen sein,
die beiden Blätter aus allen Auslagen der
Stadt entfernen zu lassen, die nicht rein buch
händlerischen Geschäften gehören. Die. Elf Scharf¬
richter aber sollen dauernd unter scharfe Kon
trolle genommen werden.
Die Bestätigung dieser Meldung bleibt abzuwarten.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir von den groben An¬
griffen des so,ialdemolratisa en Organs auf die „M. N.
N.“ Notiz nehmen, die sich gegen unser passives Verhalten
im Fall des Akademisch=dramatischen Vereins
richten. Die „M. N. N.“ haben dabei ein sehr gutes Ge
wissen. Sie haben die Nachricht von der bevorstehenden
Disziplinierung mit zuerst gebracht und die Ver¬
mutung, Abgeordneter Dr. Schädler habe die Auflösung
veranlaßt, deutlich genug ausgesprochen. Auf Grund zu¬
verlässiger Informationen wissen wir nun, daß das
Kultusministerium den akademischen Senat
der Universität schon im September auf das
Reigen=Malheur „hinweisen“ wollte, also vor
Schädlers Rede. Nach uns gewordenen Mitteilungen
hat dann das Ministerium die Entschl eßung — begreif¬
1
lusgabe. Montag 7. Dezembei 1903
licherweise — dann erst zu Beginn des Semesters
dem Senat mitgeteilt.
Ob das Rektorat oder der Senat sich in seiner Ent
schließung von Dr. Schädler hat leiten lassen, können
wir nicht glauben. Sollte es aber feststehen, daß
ein ultramontauer Herrscher die Universitätsbehörde zu
einer Maßregel bewogen hätte, die in gleicher Schärfe
sonst nicht erfolgt wäre, so würden wir es an Kritik nicht
fehlen lassen. Aber auch die „Münchn. Post“ hat keinen
Schatten eines Beweises dafür, daß Professor Kuhn den
Verein aufgelöst hat dem Centrum zuliebe. — Im übrigen
haben wir keine Veranlassung, die Entscheidung des Se¬
nats zu kritisieren. Man mag das Urteil sehr hart finden,
es ist aber nicht derart, daß den Mitgliedern des aufgelösten
Vereins in Zukunst die Möglichkeit genommen wäre, sich
ernsthaft mit moderner Literatur zu befassen und nach
Herzenslust moderne Stücke aufzuführen. Außerdem aber
möchten wir der Freiheit der Disziplinargewalt
des akademischen Senats, ohne genau informiert zu
sein, nicht zu nahe treten. Um das zu tun, müßte man den
Tatbestand viel genauer kennen als die „Münchn. Post“.
Im Uebrigen ist es eine Unwahrheit, wenn die
„Münchn. Post“ behauptet, die liberale Presse und insbe¬
sondere die „M. N. N.“ seien der Zensur gegenüber energisch
aufgetreten, nur wenn es sich um seuile Werke seniler
Dichter handle. Wir dürfen wohl annehmen, daß das
sozialdemokratische Blatt diese absolut falsche Behauptung
zurücknehmen wird.
* Miahlunchd aunbanmmüssen
Dr. Max Goldschmidt
„ Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
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Ausschnitt aus
Leipziger neueste Nachrichten
□T DEZ 108
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Schnitzlers „Reigen“ im Urteil der Presse. Eine witzige Zu¬
sammenstelüber Schnitzlers neues Stück entnehmen wir
den „Münchn. Neuest. Nachr.“ Es schrieben: „Frankfurter
Zeitung": „Daß sich der Verein nicht abschrecken ließ, war erfreulich
und wurde gestern auch reichlich belohnt durch den starken Beifal!
der Zuschauer.
„Bayerisches Vaterland“: „Der koschere
Verein führte das Gesaires von Aaron Schnitzler auf“ usw. „Münch¬
ner Post“: „Der große Erfolg hat bewiesen, daß die Stückchen in ihrer
tändelnden Grazie auch auf der Bühne wirken. Die Darbietung wurde
mit stürmischem Beifall belohnt.“ Ausdem Disziplinar¬
beschluß: „Die Aufführung hat große Entrüstung hervor¬
gerusen. Wiener „Zeit": „Das Experiment (nämlich die Auf¬
führung des „Reigens“) ist vollauf gelungen. Das Haupt der Jung¬
Wiener Schule hat einen vollen Triumph gefeiert.“
„All¬
gemeine Zeitung": „Schnitzler hat seinen Schriftstellernamen
durch diese Aufführung frivol aufs Spiel gesetzt, wenn nicht
verloren.“ Blättermeldung: Der Verein soll aufgelöst werden
auf Grund der von der „Allgemeinen Zeitung“ gegen ihn erhobenen Vor¬
würfe. Die „Allgemeine Zeitung“ sowie sämtliche Blätter, die
Notizen über die Sache bringen, sprechen gegen die Auflösung des Ver¬
eins und heben seine literarischen Verdienste hervor. Nur ein paar
klerikale Blätter sind anderer Meinung. Blättermeldung: Der
Verein ist aufgelöst worden; es wird ihm vorgeworfen „Zynismus“
„grobe Geschmacksverirrung“, „Mangel an Takt und Geschmack“ usw.
Blättermeldung: Hermann Bahr will in Wien Schnitzlers
„Reigen“ öffentlich vorlesen. — Wer hat nun Recht?