II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 141

Reigen
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Wohl gesprochen, sich den Magen warm zu halten, edle Blume der Ritter¬
schaft! Heil dem erleuchteten Don Horribiliskribifax, der die Wölfe im Lammsfell so
glücklich ausgeschnüffelt hat. Uns Mucker, pfäffisch=polizistenhafte Oesterreicher zu
nennen, vermag nur ein nachgemachter Don Quixote; ein echter nimmermehr! Aber
das ist die richtige Maxime: je dümmer etwas dargestellt wird, desto glaubhafter
erscheint es dem verehrlichen Lesepöbel. Columniare andacter . .. verläumde nur
frisch darauf los, etwas bleibt immer hängen. Don Quixoteisch? o nein! nur echt
jüdisch=liberal=unverschämt!
„Die Wage“ behandelt den Gegenstand in akademischer Form. Der Autor
meint:
„Isoliert, für sich betrachtet, ist jeder dieser Ausschnitte aus dem Geschlechtsleben porno¬
graphisch, wenn er nichts anderes wollte, als diese Bilderweise — dann ist Arth. Schnitzler
tatsächlich ein Pornograph. Aber „er wollte darauf hinweisen, daß die irreguläre Geschlechts¬
beziehung die Schuldigen nicht isoliert läßt, daß A und 0 derselben die Dirne und wieder die
Dirne ist. Die Dirne ist gesund — dann geht alles gut! Aber stellen Sie sich vor, daß sie
krank ist — dann wird der ganze Reigen zu einem Totentanz . . . Das ist die Idee, die starke
sittliche Idee die das Werk suggeriert ...“
Freilich „es ist wahr, der Gedanke steht nicht
ausdrücklich im Buche, aber wenn ich darauf kam, ich beinah'! ahnungsloser Engel, um wie
viel mehr muß die schuldige Frau, der schuldige Gatte d'rauf verfallen, um wie viel tiefer und
stärker muß auf sie die warnende koörzitive Wirkung sein!“
Eroë Schnitzler! Bringt er doch die strebsame Jugend auf Gedanken und
flößt unterschiedlichen „beinah'! ahnungslosen Engeln warnende koërzitive Wir¬
kungen“ ein. Das ist eminent menschenfreundlich (wenn auch nicht kollegial gewissen
Aerzten gegenüber, für die Quecksilber und Jodoform Butter aufs Brod bedeutet!)
Na, hoffentlich halten die kosrzitiven Wirkungen bei der litt. Jungmannschaft an!
Komisch ist nur, daß ein anderer Reigentänzer u. zw. in der „Freistatt“,
freilich nach einem ebenso ordinären, als frechen Ausfall gegen die Verurteiler des
„Reigen"*) Schnitzlern vorwirft, er habe das
„Problem der geschlechtlichen Vereinigung zu leicht genommen, so konnte ihm das
Malheur passieren, daß er die Leidenschaft, die Liebe ins grelle Licht der Satire rücken,
daß er beweisen wollt=: es ist alles nur Amüsement, in Wirklichkeit aber nur den Geschlechts
trieb in zehn ausgetiftelte Gespräche projizierte.
... an der Tragödie ist Schnitzler vorüber¬
geschlüpft und hat eine tänzelnde Tändelei auf den Markt gebracht . . . Stendhal würde
den „Reigen“ eine Rohheit nennen.“
Was sagt der kosrzitierte Mitarbeiter der „Wage“ hiezu?! Uebrigens hat
schon Conrad in seiner furibunden Aurempelung unseres Blattes bemerkt: „ich setze
aber gleich bei: „aus der ganzen Gattung (der Schnitzlerei) mache ich mir
nicht viel und meine Frau und meinen Sohn muntere ich nicht auf, „Reigen“ zu
lesen.“ Nun denn:
wozu der Lärm? was steht den Herrn zu Diensten
Für eine Rohheit? — der Kasus macht uns lachen..
Wir salutieren den gelehrten Herrn,
Ihr habt uns weidlich schwitzen machen.
Anfang Juli.
Die Schriftleitung.
*) Vgl. „nun wäre es weiter ohne Belang, wenn z. B. ein „Aesthetiker“ von den Qualitäten
— unn
des Hru. Stauf von der March das Werk eine „Verschweinung unseres Schrifttums“ nennt“
den Aesthetiker Stauf v. d. March haben Leute von Ruf auerkannt, so daß es ihm sehr gleichgiltig
sein dürfte, ob er von Hrn. Adolf Danegger, der außer einem frechen Maul gar nichts aufzuweisen
Die Schriftl.
hat, anerkannt wird oder nicht!