II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 178

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K
Telephon 12801.
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„OBSERVE
I. österr. behördl. kenz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Oseljenangabe ohne Gewähr.)
ossische Zeitung, Berlm
Ausschnitt aus:
vom 23. 41. 790#
S
2
Der Verein „Stille Bühne“ versammelte gestern, am
theaterfreien Mittwoch, seine Mitglieder und Gäste im Hotel
Prinz Albrecht“ zu einer Abendvorlesung von sehr fraglichem
Wert: Herr Giampietro trug Arthur Schnitzlers „Reigen“
vor. Das Buch, das Schnitzler vielleicht schreiben, gewiß aber
nicht veröffentlichen mußte, wurde in diesen Blättern bereits
charakterisiert. Es ist eine lange Folge von intimen erotischen
pausenreichen Zwiegesprächen, die an die Grenze des Unaussprech¬
lichen herandrängen, über diese wohl auch ausgleitend hinüber¬
spielen und die nach einer Art Tanzregel dadurch zum Reigen
verknüpft sind, daß der eine Teil des erledigten Paars sich immer
wieder mit einer neu auftretenden Person verbindet. Die Schärfe
der Beobachtung (namentlick in den volkstümlichen Stücken)
Feinheit des spielenden Witzes lassen die
die
Herkunft der Dialoge von einem vornehmen literarischen
Autor erkennen. Wer, unbeirrt von der gleißenden Pikanterie der
Oberfläche, auf den satirischen Grund blickt der kann vielleicht
auch in diesen Gesprächen den pessimistischen Weltschmerz er¬
der durch Schnitzlers medizinisch angehauchte No¬
kennen,
vellen hindurchgeht. Dennoch ist das Ganze keineswegs ein
genießbares Kunstwerk, ist es sogar für den Leser nicht,
der sich die wohltuende Freiheit der Unterbrechung gestatten
kann, geschweige denn für den Hörer, der das volle Dutzend
scharf gewürzter Pillen von bitterem Nachgeschmack in einem Zuge
herunterschlucken soll. Jedes der Gespräche führt auf kurzem Wege
zu einem Punkt, wo alle Bescelung in der stumpfen Physis unter
geht, und diese Eintönigkeit wäre ästhetisch unerträglich, auch wenn
es sich um ganz entgegengesetzte, minder verfängliche „brutale Tat¬
sachen“, etwa um ein Dutzend Monologe entschlossener Selbstmörder
handelte. Der Künftler, der alles wissen muß, mag dergleichen
Studien über ein und dasselbe Motiv in seiner Mappe sammeln,
sie mögen, wenn der Masin erst historisch geworden, interessanten
Einblick in seine Arbeitswaise gewähren.— fur den Kunstgenuß sind
sie nicht geschaffen, und für die traurige Befriedigung schmutziger Neu¬
gierde sind sie zu gut. Herr Giamptero, der bekannte Charakter¬
komiker, der durch sein eigentümliches Naturell, durch Gelassenheit
des Humors und eine Art naiver Blasiertheit bedeutende Wirkungen
erzielen kann, hatte mit der Vorlesung einen schweren Stand. Er
scheute mit Recht das Wagnis einer reichen und deutlichen Nüancierung,
und die leiseren Regungen des Humors, mit denen er den ver¬
ständigen Vortrag belebte, konnten die Schatten der Eintönigkeit
nicht bannen. Als in fast zwei Stunden erst die größere Hälfte
des „Reigens“ erledigt war, lösten sich die Herren= und Damen¬
reigen im Zuhörerraum auf; ein großer Teil des Publikums,
darunter der Berichterstatter, wartete die letzten Wendungen
nicht ab. A. K.
Telephon 12801.
„OBSERVER“
I. österr. behördl konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago. Christiania, Genf, Kopenhagen
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-York, Paris, Rum,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Geyführ.)
Ausschuitt aus Ote
. à u . 725
— Kds
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Weines Geuilleton:
Vorlesung von Schulers „Reigen“.
(Joseph Giampietxölas gestern abend im
Verein „Stille Bühns" den „Reigen“ von
Arthur Schnitzlersbor. Dieses „verbotene"
Buch, das wir bei aller Verehrung für Schnitz¬
ler, diesen begabtesten und feinsten unter den
Wiener Dichtern, als nichts weniger denn ein
Kunstwerk bezeichnen können, wurde durch die
Interpretation Giampietros kaum verdaulicher.
Er unterstrich die allererotischsten Lebens¬
momente, die der Dichter in langweiliger
Reihenfolge vorführt, mit zu starker Aufdring¬
lichkeit, machte, wenn er am Schlußpunkt jedes
einzelnen „Auftritts“ anlangte, höchst verständ¬
liche Pausen und ein so verständnisvolles Ge¬
sicht, daß ein Teil des Publikums vor Vergnügen
förmlich wieherte. Ein anderer Teil des Publi¬
kums hingegen verließ bereits nach d em vierten
Reigen=„Dialog“ den Saal. Im übrigen schien
die Zusammensetzung des Auditoriums recht
interessant. Man sah viele elegante Damen,
sah sie bei den schlüpfrigsten Szenen, die Giam¬
pietro las — es gibt im erotischen Leben wahr¬
haftig keine schlüpfrigeren — leise auflächeln,
sah sie sanft erröten und dann ganz schüchtern
in die Hände klatschen. Und das war der Haupt¬
reiz des gestrigen Abends.