II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 191

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Reigen
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Reichspost
vom: S 77 4
Nachmittagsausgabe
F
Wien
Der Direktor Kövessy der „Neuen Bühne“ in Buda¬
pest, dem offenbar die Zoten, die derzeit schon — nicht
nur in Budapest — über die Bretter gehen, noch zu wenig
papriziert erscheinen, hatte den Einfall, Sch######s.
„Reigen“ (eine Sammlung von Sexualnovellen) zu
„dramatisieren“ und mit Musikbegleitung (!)
über die Bretter der „Neuen Bühne“ gehen zu lassen, die
wohl die Halbwelt Budapests bedeuten sollen. Das war
selbst der Budapester Polizei zu stark und sie verhot bi
weiteren Aufführungen.-Dafür wird sie vom Feuille¬
tonisten Arpad der „Zeit“ obwohl er selber Kövessys
Einfall geschmacklos findet, also gerüffelt:
Die Budapester Polizei kümmert sich verzweifelt wenig um
jene Angelegenheiten, die in ihr Ressort fallen, dagegen muß
man ihr das Zeunnis ausbellen, daß sie sich um Dinge schert,
die Abgeordneten aus dem Parlament hinausgeworfen, und
jetzt entfernt sie mit gleicher Energie die Dichter aus dem
Thegter. Schnitzlers „Reigen“ der auf einer neuen klenen
Bühne der uigarischen Hauptstadt zur Darstellung gelangte,
verletz das Anstandsgefühl unserer Polizei,
und die
weiteren Aufführungen dieer eigenartigen Novität wurden
untersagt. Die Polizei, die kaum schlechter sein könnte, als sie
st, will das Publikum besser machen, als es ist und jene
Menge, di: die Moral der Polizei bisher mit Fug und Recht
kritisierte, bekommt jetzt diese Krilik in verschärfter Form zurück.
Nach schlechten Polizeisitten also eine schlechte Sittenpolizei.
Der Mann hat eientlich recht. Nicht die Polizei¬
sondern die Kanairäumer wären berufen, den „literari¬
schen“ Augiasstall zu säubern.
Schnitzler unter dem Titel
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menfaßte. Hätte der geistvolles
% Beniueton.
seinen „Reigen“ für bühne
dann würde er wohl selbst eine
Schnitzlers „Reigen“ auf der Bühne.
bereitet oder angeregt haben.
Von Arpad (Budapest).
Schnitzler weiß jeder Schrift
denkende Leser, daß Novellen
Die Budapester Polizei kümmert sich ver¬
Dialogform vorherrscht, fast so
die
zweifelt wenig um jene Angelegenheiten,
stücke sind wie Tafelredner
ihr
in ihr Ressort fallen, dagegen muß man
das Zeugnis ausstellen, daß sie sich um
Was Goethe in den wenigen
Dinge schert, die sie ganz und gar nichts an¬
Frauen Weh und Ach sagt,
gehen. So hat sie vor kurzem die Abgeord¬
Punkte zu kurieren sei und
neten aus dem Parlament hinausgeworfen, und
bitteren Versen andeutete: „
jetzt entfernt sie mit gleicher Energie die Dichter
Kind, was Liebe ist? Ein
aus dem Theater. Schnitzlers „Reigen“ der
Haufen Mist“ — das hat Sch
auf einer neuen kleinen Bühne der ungarischen
„Reigen“ in bunten Bildern
Hauptstadt zur Darstellung gelangte, verletzte
die verliebten und verliebt tu
das Anstandsgefühl unserer Polizei, und die
und Weiblein aus den Tiefen
weiteren Aufführungen dieser eigenartigen
(die oft als ihre Höhen gelte
Novität wurden untersagt. Ob es bei diesem
Augen, und wenn er auch wide
Ausschnitte aus dem Leben
Verbot bleibt, ob das Ministerium Ja und
Amen zu dieser neuesten Zensur sagt, wollen
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wir abwarten. Eines ist jedoch schon heute
und verschönt beinahe das
gewiß: die Polizei, die kaum schlechter sein
Gleichnis zu reden: Sonnenstra
pfützen.
könnte, als sie ist, will das Publikum besser
machen, als es ist, und jene Menge, die die
Der ungarische Bearbeiter
Moral der Polizei bisher mit Fug und Recht
nahm jedoch dem Werk Schnitzl
kritisierte, bekommt jetzt diese Kritik in ver¬
strahlen, den Glanz des Talents
der Dichtkunst. Mit derber Ha
sitten also eine schlechte Sittenpolizei.
künstlerisch sorgsam gefeilten
Skizzen zerschlagen und d
Wenn man nun auch keine Ursache hat, die
Schmutzigste auf die Bretter
wenn sie diese in alles stecken will, ist dies noch
Roheiten eigener Mache noch ve
lers Buch fand in Alexander?
lange kein Grund, die Dramatisierung der be¬
konnten Skizzen und Satiren zu preisen, die gezeichneten Uebersetzer, doch die