II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 204

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11. Reigen
Sie, Marcel, ich steige nicht über sechsunddreißig Leitern, ehe
nichts gemein hatte und Marcei begann zu fürchten, er werde
ich sage, was ich denke. Sie gefallen mir, und ich gefalle Ihnen.
sich im Ernst in seine Geliedte verlieben. Da er nicht wußte,
Es ist keine Liebe, aber vielleicht ist es der Keim dazu. Nun
daß auch sie ihn zu lieben besorgte, sah er jeden Mlorgen nach,
also, ich gehe nicht; ich bleibe, und ich werde bleiben, so lange
in welchem Zustand die Blumen waren, deren Tod den Bruch
die Blumen, die Sie mir gegeben haben, nicht welken.“ „Ach!“
ihres Bundes herbeiführen sollte; und es wurde ihm schwer,
rief Marcel aus, „die sind in zwei Tagen welk! Hätte ich
sich ihre jeden Morgen neue Frische zu erklären. Aber schlie߬
das gewußt, so hätte ich Immertellen genommen!“
lich fand er den Schlüssel zu dem Geheimnis: als er eines
Nachis erwachte, sah er Musette nicht neben sich. Er stand
Seit vierzehn Tagen wohnten Musette und Marcel zu¬
auf, lief in das Zimmer und sah die Geliebte, die allnächtlich
sammen und führten, obgleich sie off ohne Geld waren, das
seinen Schlummer dazu benußte, die Blumen zu begießen,
reizendste Leben von der Welt. Musette empfand für den
damit sie nicht starben.
Känstler eine Zärtlichkeit, die mit ihren früheren Leidenschaften
Sese
Dodebrief.
Ileue Linien in neuer Richtung.
Die große Umwandlung der Modelinie gärt weiter, und angeschnittenen Kimonoärmeln heran. Da sein Rock sehr eng
wenn sich auch die Richtung zu klären beginnt, so könnte man
ist, erscheint die junge Dame richtiggehend ellipsenförmig, aber
im Augenblick jedoch von einer doppelzüngigen Mode reden,
keineswegs schlank. Sie entledigt sich der langen Jacke und
denn alle großen Häuser arbeiten mit gleicher Liehe enge und
trägt ein Kleidchen in absolut gerader enger Form. Um der
weite Kleider. Feststehend scheint bishei nur die Taillenlinie
neuen Mode ein wenig Rechnung zu tragen, hat man getöntes
zu sein, die sich als ganz wenig unterhalb der natürlichen Linie
Band aufgesetzt und in der Hüfthöhe in kleinen Tüten abstehend
überall deutlich erkennbar macht. Auch die Art der Behandlung
garniert. (Siehe Abbildung). Handelt es sich um Toiletten
von Rock und Taille scheint geklärt, denn auf jeden Fall ist
aus Taft, weichem Brokat oder gar aus Tüs, se beliebt man
der Rock der garnierte Teil des Kleides, während die Taille
selbstverständlich Raffungen, daneben bleiben die schon seit
schlicht und schmucklos bleidt. Der Rock verdient die ganz
Jahren beliebten Paillettekleider oder solche mit Perlfransen
ungeteilte Aufmerksamkeit des Modeschöpfers, denn die Gar¬
in der ganzen Länge des Rockes höchste Eleganz. Die
nierungsmöglichkeiten sind unerschöpflich. Wir sehen täglich
einseitige Raffung oder die einseitige Verbreiterung des Rockes,
Neuheiten, die bald den geraden Rock, meist aber die ver¬
der sich wohlverstanden nach unten immer wieder verjüngt, ist
breiterte Hüfte zeigen. Interessant ist die Behandlung des
sehr beliebt. An Jacken und Mänteln sieht man abstehende
Rückens. Abgesehen von einigen Modellen für Gesellschafts¬
Taschen, eingesetzte Pelzteile und abstehende Abnäher. Letztere
kleider, die den ausgesprochen gerafften Rücken zeigen, geht
sahen wir an einem Jackenkleid rund um die Hüftlinie in
man in der Betonung der schlanken Rückenlinie bis zum
regelmäßigen Abständen verteilt. Die Volantmode ist noch nicht
Außersten. Mögen die Hüften breit ausladen oder die Paniers
überwunden, sondern sie wird gerade durch die Vorliebe für
sogar noch vorn herumgehen — der Rücken bleibt in Rock
Spitzen noch mehr gepflegt werden.
und Taille einheitlich schlicht. Ein neues Genre ist der soge¬
Wenn nun also auch zwischen gerader Linie und Krinoline
nannte Schneiderrücken, der für gutgewachsene Gestalten geradezu
in ihren Andeutungen und Ausführungen im wahren Sinne
von vollendeter Eleganz und Grazie sein kann. Eine einzige
des Wortes zunächst noch ein Kampf besteht, so kann man
Stoffbahn fließt eng und gerade herunter, häufig ist auch noch
doch dazu neigen, daß die Krinoline in diesem Kampf siegen
der hohe Stehkragen angeschnitten. In der Taillenlinie ist die
wird. Aber an einem längeren Sieg, an eine durchgreifende
Bahn leicht an den Seiten festgehalten und bildet so die
Gestaltung dieser platz= und materialraubenden Modelaune in
natärlichste und einfachste Betonung des Körpers. Es kommt
unserer heutigen Zeit, in welcher der größte Teil der gebildeten
aber auch häufig vor, daß an solchem Kleide das Vorderteil
Frau die Eleganz nicht als Lebensinhalt betrachten kann und
in der man auch, ob man will oder nicht, mit dem be¬
gleichfalls flach ist und nur die Seiten durch eingesetzte Teile
mehr oder weniger breit ausladen. Es geschieht auch nicht
ängstigenden Raummangel unserer leider Gottes „modernsten
selten, daß schürzenartige breite Spitzenteile, Paniers, Raffungen
Verkehrsverhältnisse“ rechnen muß, scheint doch sehr zweifelhaft.
usw. die ganze Vorderseite einschließlich der Hüftpartien breit
Als angedeutete Veränderung einer Linie im vernünftigen
und voll machen.
Rahmen wird sie vielleicht Fuß fassen, schon der Abwechslung
Eine kleidsame Art der Rückengarnierung ist auch
halber; mehr aber wird das moderne Leben nicht gestatten.
der kleine Dolmann oder das lose bis zur Taille überhängende
So breit darf sich heutigen Tages auch die schönste und
Blusenteil. Hat man in einer Kollektion soeben ein bauschig
tüchtigste Frau nicht mehr machen, mag sie sonst ihren Platz
drapie#tee Kleid gesehen welches im wahrsten Sinnc des TLurtes
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