II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 243

11.
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Reigen
WIENER MITTACSPOST.
WIEN
4. 1. 1921
Donnerstag,
Seite 4.
Theater und Kunst.
Die Wiener „Reigen“.
Inzzenierung.
Nach der Berliner Aufführung der
Schnitzterschen „Reigen“=Dialoge sieht man
der Wiener Premiere mit um so größerem
Interesse entgegen. Die Erstaufführung wird
in den Kammerspieten nicht aln
20. Junner, sondern erst eine Woche spa¬
ter stattf nden. Schnigzler felost nimmt an den
eifrigen Proven regen Anteil, spielt einzelne
Stellen selbst vor und auf seinen Wunsch ist
die Julzeue des „Reigen“ einem bisher in
Wien noch gar nicht hervorgetreienen jungen
Wiener Künstler übertragen wörden. Paul
Friedmann, einem Schuler Prosessor
Strnads.
Die Wiener Inszenierung wird sich von
der Berliner durchaus unterscheiden. Auzu
große Realität der Bühnendlloer ist einer der
Fehler der Perliner Aufführung. Der Buh¬
neuurch teit Friedmann wie vor allem den
Dialogcharalter des Wertes wahren, stattele
die einzeinen Zwiegesprache nicht wie Ein¬
alter aus, sondern stilisterl, vereinsacht Buhne
und Bühnendild. Die gange Dialdgleihe w ro
in einem roten Raum gestent: rote Vorhänge,
roter Boden. Ein kleinter Ausschnitt wisd von
den Vorhangen freigelassen und in diesen
kommt eine „St minlungs=Dekolation“, aufs
Inappfte charasteristisch für den jeweiligen
Schauplag. Was nicht unmittelbat zur Hand¬
lung gehört. bleiht weg.
Dex erste Dialog zeigt einen Kai mit
brennender Straßentaterie, im zweiten wird
ein Praterwirishausgarten angebeitel, nur
brenten. Deu
wenige ganz matte Lichler
dritte Dialog wird bloßz mit einem Diwa
ausgestatlet, der junge Herr und die junge
Frau sprechen zuerst vor zugezogenen Seitels¬
vorhangen vor wenigen Modelstucken, dalst
te len sich die Vorhänge und das Rühelager
wird sichtbar. Das Ehegesprach braucht hur
ein Ehedelt, breunende Nachllischlampe, das
Sepatee wird durch einen utschige Lifier

und ein paar Mödelstucke getennzeichnet
alles in dem Ausschnitt zwischen, den Seiten¬
vorhängen, das süße Madel und der Tichter
sprechen im Abendduntel vor einem Fenster.
an dem Schreiotisch und Oktomase stehen. In
der Szene zwischen Dichter und Schauspiele¬
kin, auf dem Lande, spielt die Simmmung der
freien Natur in die kändliche Stude herein.
bei der Schauspielerin wird in empirisierter
Form das Gekunstelle angedeutet. Bett und
Fautevil, eine glatte Tapelentur ergenen das
Bouooirvild. Der letzte Dialog, der bei der
Dirne spielt, soll nicht die oroinate Vordell¬
stimmung hervorrufen, sondern eine Nuance
ins Versöhnlche haben. Die Einrichtung des
Zimmers ist auf diesen Ton gestimmt
Zum Unterschied von der Berliner
Inszenierung wird während des ganzen
Abends der Vorhang nur nach der Szene
herabgelassen, auf der die Pause folgt. Zw¬
ganz verdunkelt, an der Ramve leuchten rote,
gegen die Bühne zu abgeblendete Lampen au
und in kaum einer Minute in der nächsie
Dialog gestellt. Eine Veroindung word durch
musikalische Untermalung, die in den einzel¬
nen Dialogen eine gewisse Rolle spielt, ge¬
schaffen und zwischen ihnen aumählich aus
ener Stimmung in die andere hinuverführt
und so eine Brucke schlagt, doch soll auch ein
Roytymus, der durchs Ganze geht, die Szenen
zusammenhalten und zu einem Reigen ge¬
stalten.
Lautensacks „Gelübde“ mußten wir nun doch über unt# 1977
ergehen lassen, Schnitzlers „Reigen“ wird demnächst folgen, da
Direktor Bernall ein Kafsenfr###cht. Gott sei Dank ist an
den Kreisen, die mit Spannung aus ziese öffentliche Feilbietung
chmutzigster Cochonnerien warten, närz, mehr zu verderben.
Anständige Leute werden auf diesen Genuß verzichten, wenn auch
noch soviel Reklame mit der „künstlerischen“ Regie betrieben
wird. Ob mit oder ohne musikalische Begleitung,ner
kleibt Schweinerei. Das ist derb, aber wenigstens gutes
das verstanden wird. Schnitzlers „Reigen“ und die „st
lihe“ Opernredou# für die eine Loge 20 „Fetzen“ bulgo
Tausender kostet, das sind Fanale, die in eine dunkle, grauen¬
volle Zukunft emporlodern.
Kenen
h. Schnitzlers Reigen und das Wieni Kinber¬
hilfsmerAua¬
drahtet unser Mit¬
arbeiter: Die Kammerspiele des Deutschen
Volkstheaters veranstalten nächsten Sonntag
eine öffentliche Generalprobe von Schnitzlers
Reigen zu Gunsten des Kinderhilfs¬
werks bei besonders erhöhten Sitzpreisen. So
sehr dem wohltätigen Zweck eine reiche Ein¬
nahme zu wünschen wäre, so wenig geschmackvoll
erscheint diese Veranstaltung.
Wir können
dieser sehr zart ausgedrückten Meinung unsers
Mitarbeiters nur beipflichten. Wenn etwas
nicht geeignet ist, dem Kinde, diesem höchsten
und reinsten Sinne der Geschlechterliebe, zu diee
nen, so ist #s dieses Werk, das den untertierischen
A 1421
Trieben im Menschen gewit# t ist. Wie sehr die
Begriffe jetzt verrückt sind,
lehrt auch dieses
neueste Beispiel.
Der 1000 Kronen=„Aüigen
Die Direktion des Deutschen Volks¬
theaters und der Kammerspiele ersucht uns
mit Bozug auf die von uns gebrachte Rotiz
„Der 1000, Kronen=Reigen“, um Aufnahme
der folgenden Zeilen:
Die Hälfte der Einnahme der General¬
probe fließt der vom Bundesminister Doktor
Resch geleiteken Kinderhilfsaktion zu. Es ist
außerdem nichttrichtig, daß „Der Reigen“ als
tägliche Nachkvorstellung gegeben werden
soll. Solche Absichd hat niemals beslanden.
Ebensowenig besteht der Plan, das Stück täg¬
lich zweimal, als Abend, und Nachtvor¬
stellung, zu spielen. Die Preise für die ersten
Aufführungen des „Reigen“ bewegen sich
zwischen 80 und 1000 Kronen. Und es exscheink
nir durchaus berechtigt, daß Aufführungen
von Stücken, die kroß der hohen Eintritts¬
preise durch Vormerkung ausverkauft sind.
die Fortführung der klossischen Menlagvor¬
sellungen ermöglichen, die, trotzdem sie eben¬
falls ausverkauft sind, ein ständiges Desizie
ergeben. Hochachtungsvoll Bernau.
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