11. Reigen
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S
THEATEK
„Reigen.“
#
(Vor der Aufführlng.)
Des Buch ist bereits Literaturgeschichte.
Geschrieben als quasi privates Dokument blieb
es frei von jeder Koketterie um Wirkung, Effekt,
Nüance. Hat Studiengehalt: Rücksichtslosigkeit
der seinem Dichter organischen Grazie. Tempe¬
rament der Ehrlichkeit. Wohl Raffinement,
aber nur das der psychologischen und sozialen
Spürkraft. Und über all dem: Ungeschminkte
Poesie. Die Romantik des lächerlich-rührenden
und tragisch=witzigen Alltags.
Zehn Szenen. Aufsteigend zu dem einen, dem
Zensor einst so gräßlichen „gewissen Punkt“ und
wieder abfallend von diesem. Unverhüllter selbst
als Bocacc o. Und fast universaler als dieser.
Mit schärferer Blimkite. Mit Perspektive ins
Vielfach=Menschlich
Das Motiv bleibt, Milien, Umstände,
Pointen wechseln. Es ist die eine Grundmelodie,
aber sie ist entrückend gewandelt, mit sprühenden
Feinheiten bale dicht, bold zart instrumentiert.
Slichnung von Emil Weiß.
2
##
Erther Schnitzler.
Eine kleine Hemmung: Man liest: Nicht
Schicksale, sondern Episoden. Nicht Charaktere,
sondern Typen. Nicht Definitionen, sondern
Exempel. Freilich: Es geht um das „Wie“, nicht
um das „Was“,
Und: Der Witz, der hier jeweils zündet, ist
mehr als Wahrheit, Beobachtung, Esprit.
hat Musik des Herzens und nicht des Geistes
Er bezeugt, daß selbst Notizenarbeit eines
Dichters, Laune, Passion, Nachdenklichkeit ent¬
sprungen, Seele und Färbe hat und die un¬
bewußt=harmonische Vollendung ihrer eigene
Form.
Die Zeit verwischte nichts an den Reigen¬
Stzenen. Die Zensurfreiheit hob sie aus der
Peinlichkeitssuggestion. Sie scheinen nun selbst¬
verständlich, naturnah.
Und mehr denn je ersteht das Positive
dieser „Erotik“. Ihr Mangel an jeglicher
Laszivität. Ihr prinzipieller, geisterfüllter, ja
L. U.
ihr sittlicher Ernst.
Die öffentliche, zu wohltätigem Zweck ver¬
anstaltete Generalprobe des „Reigen“ hat gestern,
Sonntag, die egschlossene, zu der nur die Ver¬
treter der Presse Zutritt hatten Samstaa statt¬
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31 MAN 192
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THEATEK
„Reigen.“
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(Vor der Aufführlng.)
Des Buch ist bereits Literaturgeschichte.
Geschrieben als quasi privates Dokument blieb
es frei von jeder Koketterie um Wirkung, Effekt,
Nüance. Hat Studiengehalt: Rücksichtslosigkeit
der seinem Dichter organischen Grazie. Tempe¬
rament der Ehrlichkeit. Wohl Raffinement,
aber nur das der psychologischen und sozialen
Spürkraft. Und über all dem: Ungeschminkte
Poesie. Die Romantik des lächerlich-rührenden
und tragisch=witzigen Alltags.
Zehn Szenen. Aufsteigend zu dem einen, dem
Zensor einst so gräßlichen „gewissen Punkt“ und
wieder abfallend von diesem. Unverhüllter selbst
als Bocacc o. Und fast universaler als dieser.
Mit schärferer Blimkite. Mit Perspektive ins
Vielfach=Menschlich
Das Motiv bleibt, Milien, Umstände,
Pointen wechseln. Es ist die eine Grundmelodie,
aber sie ist entrückend gewandelt, mit sprühenden
Feinheiten bale dicht, bold zart instrumentiert.
Slichnung von Emil Weiß.
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Erther Schnitzler.
Eine kleine Hemmung: Man liest: Nicht
Schicksale, sondern Episoden. Nicht Charaktere,
sondern Typen. Nicht Definitionen, sondern
Exempel. Freilich: Es geht um das „Wie“, nicht
um das „Was“,
Und: Der Witz, der hier jeweils zündet, ist
mehr als Wahrheit, Beobachtung, Esprit.
hat Musik des Herzens und nicht des Geistes
Er bezeugt, daß selbst Notizenarbeit eines
Dichters, Laune, Passion, Nachdenklichkeit ent¬
sprungen, Seele und Färbe hat und die un¬
bewußt=harmonische Vollendung ihrer eigene
Form.
Die Zeit verwischte nichts an den Reigen¬
Stzenen. Die Zensurfreiheit hob sie aus der
Peinlichkeitssuggestion. Sie scheinen nun selbst¬
verständlich, naturnah.
Und mehr denn je ersteht das Positive
dieser „Erotik“. Ihr Mangel an jeglicher
Laszivität. Ihr prinzipieller, geisterfüllter, ja
L. U.
ihr sittlicher Ernst.
Die öffentliche, zu wohltätigem Zweck ver¬
anstaltete Generalprobe des „Reigen“ hat gestern,
Sonntag, die egschlossene, zu der nur die Ver¬
treter der Presse Zutritt hatten Samstaa statt¬
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