II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 292

11.
Reigen
box 17/5
HEuzs wihnnn JouRKAL,
WIEN
5. Februar 1921
Seite 2
Modesfhaus
RENEBERT
I., Kärntnerstrasse 28
Eingang: Schwangasse 1
eröffnet heute seine Salens und hriugl
die neuesten Schöpfungen sewie die letzten
Orfginal Pariser Modellhüte zer Schau¬
der Liste der angenommenen Stücke lieber, als die gesamte
aber man soll, ist man vom Standpunkt
Produktion der
des Geschäftstheatermenschen dem modernen Schaffen so wenig
geneigt, zumindest keine Namen nennen. Die Praxis hat jedenfalls
bewiesen, daß die Theater mit der modernen Literatur über Wedekind
hinaus keine Geschäft machen können, und leere Häuser kann sich
ein Direktor bei bester künstlerischer Absicht heute nicht leisten.
Die Direktoren greifen daher nach den Stücken des alten handfesten
Theaters, weil sie wissen, daß dem Publikum die Sardou=Technik noch
immer näherist als die Georg Kaisers. Der Erfolg des „Fall Clémenceau“
von Dumas etwa, das Aufsehen, das ein mit den Mitteln
ältesten Theaters gemächtes Stück, wie „Geständnis“, erregt, be¬
stimmt die Direktoren, sich nach dem Repertoire des alten Burg¬
theaters und der früheren Wiener Privattheater umzusehen. In
der Neuen Wiener Bühne erscheint nächstens „Rabagas“ von
Sard zu, ein politisches Stück, das einzige politische Stück von
Sardon. „Rabagas“ hat manches, das eine Brücke zu unserer
Zeit schlagen könnte, die Rei lution und ihre Helden sind Akteure
er Komödie und manches beziehungsreiche Wort fällt. Wir werden
a sehen, wie „Rabagas“ einem heutigen Publikum gefällt. Eines
t sicher, die Theaterkniffe des alten Sardou sind die eines
Schriftstellers, der zwischen Kulissen Bescheid weiß. Es kann sich
lso ver darum handeln, ob das Thema an sich genug zeit¬
jemäg ist.
Langsam wird nun die moderne französische Literatur wieder
uf unsere Bühnen kommen. Die Franzosen find ja bereit, ihre
Stücke deutschenegern zu überlassen, aber die Bedingungen...!
In Frank muß garantiert werden! Der Verleger ist da gezwungen,
ein kleines Vermögen in ein Stück zu investieren, das dann trotz
eines Riesenerfolges in Paris in Wien nicht gefällt. Solche
Fälle waren eben da. Eine sxanzösische Komödie „Les nouveaux
riches“ wanderte hier von einem Theater ins andere und
kein Direktor getraute sich zuzugreifen. Das Stück war in
Paris über funshundertmal aufgeführt worden, denn es schildert so
spezifisch Pariser Verhältnisse, daß eine Lokalisierung das be¬
sondere Pafüm der Szenen genommen hätte. Ein Pariser Stück,
das einen großen Erfolg auch außerhalb Paris in sich trägt. „L’école
des cocotes“, ist gerade auf dem Wege aus Paris in die
besiegten Länder. Vielleicht bekommen wir es nächstens zu sehen.
Auch eine der beiden neuen Sacha=Guitry=Komödien „Mein
Vater hat recht" oder „Ich liebe dich“ wird wohl hier gespielt
werden. Guitrys schönste Arbeit, das Lebensbild „Pasteur“ eignet
sich für unser großes Publikum nicht, weil ihm die Basis der
Pepularität Pasteurs fehlt.
Augenblicklich sind die Theaterkanzleien damit beschäftigt,
Stücke abzulehnen, die Szenenreihen à la „Reigen“ bringen.
Bekanntere und unbekanntere Autoren sind bestrebt, die „Reigen“.
Kühnheit Schnitzlers in den Schatten zu siellen. Eines dieser
Stücke ist stärter als das andere. Die Phantasie von Gymnasiasten
holt Verschollenes aus der Geheimlade und glaubt nan die Zeit
für gekommen. Dekadente Dichter mühen sich, den „Reigen“ zu
übertrumpfen, allüberall sucht man nach erotischer Literatur und
die Plakatsäulen kündigen schon einen Schwank: „Aber
lauf doch nicht so nackt herum“ an. Dieser Schwank und sein
Titel sind nämlich von Georges Feydeau, aber die Zensur wollte