II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 304

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Reigen
In den Kammerspielen ist der „Reigen“ nicht die ganz
1große Sensation geworden, die man sich noch in Fr General¬
probe versprach. Die ersten Bilder wirkten nur niederdrückend
in der phrasenlosen Deutlichkeit des Vorganges, die jeder Leiden¬
schaft und jeder seelischen Erregung entbehrt. Die Bühne ver¬
langt ja Handlung, aber es muß ja nicht gerade diese sein. Die
weiteren Bilder, die doch mehr oder weniger Gesellschaftssatire
enthalten, schnitten ein bißchen besser ab. Am besten die einzig
richtige Lustspielszene, die der ganze „Reigen“ enthält, die
Szene „Schauspielerin und Graf“, von Marietta Olly und
Hans Lackner mit hinreißender Launo gespielt. Es erwies
sich, daß der „Reigen“ auf der Bühne nicht mehr geworden
war. als er seinerzeit im Buch gewesen ist. Im Gegenteil,
weniger. Den richtigen Schauplatz dieser Dialoge, das Bett,
konnte man ja doch nicht auf die Bühne bringen, den Höhe¬
punkt der Handlung mißte man verdunkeln und verschleiern,
er liegt überdies in der Mitte jeder Szene, die auf diese Weise
in zwei Hälften auseinanderfällt: Eine aufsteigende und eine
alsinkende. Die Szene beginnt mit 2. und endigt mit Un¬
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Montags Zeitung, Wien
lust, das ist der Witz jeder Szeno, der sich immer wiederholt,
aber diese Unluststimmung am Schluß jeder Szene wirkt leider
suggestiv. Die Spekulation auf die Erotik des Publikums ist leider
nicht geglückt und die pesümistisch=graziöse Weltanschauung, die
dem „Reigen“ als Buch ihren Parsum verleiht, wurde nicht
gewüedigt. Man hat ja auch seinerzeit versucht, die „Renaise
fance“ von Gobincau auf die Bühne zu zerren und hat
auch damit keine guten Erfahrungen gemacht. Man hätte also
gewarnt sein können. Und wenn man schon durchans in den
Kammerspielen Szenen reiner Erotik aus Geschäftsgründen
bringen will, so hätte man sich schließlich an Maurice Don¬
nays Szenen aus der Vie Parifienne ekinnern können, be¬
titelt: „Commeellesse donnent“ und hätte damit
wahrscheinlich ebensogut, wenn nicht besser, seinen Zweck erreicht.
Von den übrigen Mitspielenden des „Reigen“ seten
noch die Damen Hodwig Keller und Traute Carlsen sowie
Hem Ziegler erwähnt. Die übrigen Mitspielenden blieben
ziemlich farblos und waren aus dem zur Verfühung stehenden
Ensemble des Volkstheckters nicht besonders glücklich gewühlt.
Man hätte besser und charakteristischer besetzen können. Dann
wäre der Abend wenigstens schauspielerisch vollkommen ge¬
wesen. Freilich, die Liebhaber des Buches wären trotzdem nicht
auf hie Rechnung gekommen, denn, was das Buch ihnen bietet
kann ihnen die Bühne niemals bieten und was die Bühne
bietet, für die zahlenden Besucher nicht jene Sensation, die
en geserderten Höchstpreisen entspricht. Also weder ein Abend
für die Wenigen, noch ein Abend für die Vielen. Der gute
schlechte Ruf eines Werkes wurde kompromittiert. Nach Schluß
des Ganzen erscholl allerdings demonstrativer Beifall, der einer
Rethe von Darstellern und dem Dichter Arthur Schnitlen
galt, der in anderen Werken der Bühne viel mehr ge#iden hatte,
wie diesmal. Es waren die Leser und nicht die Zuhörer, die
applandierten. Direktor Bernau dankte im Namen des
Dichters.