11.
Reigen
igen
aufzuführen?
eigt war, Schnitzlers „Reigen“
aufzuführen oder nicht, be¬
l die zünftigen Theaterfach¬
icht ressortmäßig für Bühnen¬
besitzen, sondern als Kultur¬
der Theaterwelt jene Beachtung
des allgemein öffentlichen Le¬
demselben Grunde interessiere
e, die bereits eine leidenschaft¬
ufen hat. Ist sie ein Vor¬
echauf¬
„Reichspost“
Die
egen die Aufführung von
end die „Arbeiter=Zeitung
flichtet fühlt, den Drohungen
rteiorganes entgegenzutreten,
gekündete Attacke der Bestand
terscheint, sondern weil man
grundsätzlich nicht zur sieg¬
en lassen will, gleichviel um
dabei handelt. Es ist aber
rung des „Reigen“ eine der¬
rsetzung in der Öffentlichkeit
schung darüber, ob es zweck¬
tung Schnitzlers aufzuführen
u der Stellungnahme meines
tten Nummer dieses Blattes,
box 17/5
Karikatur der Woche.
Dr. Artur Schnitzler
hat seinen „Reigen“ in den
Neunzigerjahren geschrieben.
—4
2
00
„Ja, ja, in den Neunzigerjahren...
Begleiterscheinungen des Falles, finde ich, so peinlich es
auch ist, den gleichen Standpunkt einzunehmen, wie die
„Reichspost“, daß ein zwingendes Bedürfnis für die
Bühnengestaltung des „Reigen“ nicht vorhanden war und
daß durch die Nichtufführung ja sogar durch die Unter¬
drückung dieser Arkeit, kein künstlerisches Interesse be¬
rührt worden wäre. Gewiß gebührt Arthur Schnitzler
Rang und Charakter eines deutschen Dichters, aber nicht
weil er den „Reigen“ geschrieben hat, sondern weil er
der Welt eine Réihe von Werken gab, die in ihrer Fein¬
heit und Schönheit auch noch späteren Geschlechtern Freude
bereiten, als eindeutige Dokumente der gegenwärtigen lite¬
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rarischen Epoche dienen werden. Daß Schnitzler vor mehr
als zwei Jahrzehnten einen netten, kecken Gedanken aus¬
gearbeitet hat und seine Arbeit mit einer Reihe von
Geistesblitzen zierte, besonders aber das Werk in eine
geistreiche gefältige Form kleidete, darum hat es noch nicht
die Höhe erreicht, als dichterisches Erzeugnis über die
Bretter zu gehen, die die Welt bedeuten. Man glaube ja
nicht, daß ich ein Verteidiger einer lächerlichen Scham¬
haftigkeit und Prüderie bin, nichts liegt mir ferner, als
etwas Unsittliches oder Anstößiges in der Szenenfolge des
„Reigen“ zu erblicken und jeder, der dem Buch entrüstete
Worte nachsagt, gehört jener Kategorie an, von der
Heinrich Heine wohl in einem anderen Zusammenhang
sagte: „Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten
öffentlich Wasser.
Es war notwendig, dies alles vorauszuschicken, um
nicht in den Verdacht einer Muckerseele zu geraten, der
man mit Recht kein Urteil über geistige Arbeit, welcher
Art immer sie sei, zuerkennen darf. Weshalb ich nun den¬
noch der Meinung bin, daß der „Reigen“ nicht aufgeführt.
werden sollte, will ich nun kurz ausführen: Vorerst hat
wohl
der Dichter — und man frage einmal Schnitzler —
m Traume nicht daran gedacht, dem „Reigen“ jemals
Bühnenleben einzuflößen, sondern er hat diese Arbeit
niedergeschrieben aus Spielerei, Liebhaberei, aber nicht,
um ein Bühnenwerk zu schaffen. Und weiters bin ich gegen
die Aufführung des „Reigen“, weil die spekulative Absicht,
die mit der Aufführung verbunden ist, zu deutlich und
häßlich zum Vorschein kommt und ich die Meinung ver¬
trete, daß auch eine Privatbühne ersten Ranges Ver¬
pflichtungen künstlerischer Art besitzt, dagegen nicht das
Recht hat, uner dem Vorwand einer Dichung Bühnen¬
wirksamkeit zu verschaffen, die erotischen Momente als
zugkräftiges Aushängeschild zu benützen. Auch dies mag
gestattet sein, bzw. toleriert werden, in der Art, wie
beispielsweise vor etlichen Jahren ein kleines Theaterchen
Tag für Tag die Leute in „Das Beit“ von Lavedau ge¬
lockt hatte, ohne daß es dem Herrn Direktor eingefallen
wäre, der Welt einzureden, er verfolge mit der Aufführung
die reinsten Absichten und diene damit dem hohen Ideal,
die Kunst dem Volke näherzubringen. Also damit möge
uns der in diesem Genie etwas zu tüchtige Herr Direktor
Bernau gefälligst verschonen, dem vielleicht mein Urteil
über seine Tätigkeit darum nicht ganz gleichgültig sein
dürfte, als ich ja im gewissen Sinne vom Schicksal auser¬
sehen war, Herrn Direktor Bernan den Weg zum erfolg¬
reichen Theaterdirektor ein wenig freizumachen. Vielleicht bin
ich deshalb ein bischen zu anspruchsvoll und sehe schärfer als
andere denn sonst müßte es doch auch schon anderen, und
zwar den berühmten Theaterfachleuten aufgefallen sein
daß das Bernau'sche System sich gradlinig in der Richtung
bewegt, die zur Aufführung von „Schloß Wetterstein“
„Die Flamme“ — und dem „Reigen“ führt. Das ist kein
Zufall mehr, das ist auch keine künstlerische Absicht, son¬
dern es ist und bleibt eine reine Spekulation auf Sinn¬
lichkeit und Lüsternheit. Weil ich nun aus allen diesen Er¬
scheinungen erkenne, daß auch das Werk Schnitzlers
nur diesem Umstande die Aufführung an einem Theater
verdankt, und weil ich fest davon überzeugt bin, daß
Männlein und Weiblein nicht wegen der doch vorhandenen
dichterischen Schönheiten der Arbeit und nicht wegen des
grundlegenden Gedankens, der dem „Reigen“ innewohnt.
sondern nur deshalb ins Theater laufen werden, weil sie
manches sehen, einiges hören und noch vielmehr erraten
können — wenn's finster wird — darum bin ich gegen die
Aufführung des „Reigen“, der dem Dichter vielleich
großen materiellen Gewinn, aber keinezwegs jenen Ruhm
eintragen wird, der ihm damals zuteil wurde, als man
seinen Professor Bernhardi nicht über die deutschen Bühnen
Österreichs schreiten lassen wollte und für dessen Befreiung
man nicht aus spekulativen Momenten eintrat, sondern
um für das gedankenreiche Werk eines Dichters den Weg
M. S.
ins Freie zu bahnen.
Reigen
igen
aufzuführen?
eigt war, Schnitzlers „Reigen“
aufzuführen oder nicht, be¬
l die zünftigen Theaterfach¬
icht ressortmäßig für Bühnen¬
besitzen, sondern als Kultur¬
der Theaterwelt jene Beachtung
des allgemein öffentlichen Le¬
demselben Grunde interessiere
e, die bereits eine leidenschaft¬
ufen hat. Ist sie ein Vor¬
echauf¬
„Reichspost“
Die
egen die Aufführung von
end die „Arbeiter=Zeitung
flichtet fühlt, den Drohungen
rteiorganes entgegenzutreten,
gekündete Attacke der Bestand
terscheint, sondern weil man
grundsätzlich nicht zur sieg¬
en lassen will, gleichviel um
dabei handelt. Es ist aber
rung des „Reigen“ eine der¬
rsetzung in der Öffentlichkeit
schung darüber, ob es zweck¬
tung Schnitzlers aufzuführen
u der Stellungnahme meines
tten Nummer dieses Blattes,
box 17/5
Karikatur der Woche.
Dr. Artur Schnitzler
hat seinen „Reigen“ in den
Neunzigerjahren geschrieben.
—4
2
00
„Ja, ja, in den Neunzigerjahren...
Begleiterscheinungen des Falles, finde ich, so peinlich es
auch ist, den gleichen Standpunkt einzunehmen, wie die
„Reichspost“, daß ein zwingendes Bedürfnis für die
Bühnengestaltung des „Reigen“ nicht vorhanden war und
daß durch die Nichtufführung ja sogar durch die Unter¬
drückung dieser Arkeit, kein künstlerisches Interesse be¬
rührt worden wäre. Gewiß gebührt Arthur Schnitzler
Rang und Charakter eines deutschen Dichters, aber nicht
weil er den „Reigen“ geschrieben hat, sondern weil er
der Welt eine Réihe von Werken gab, die in ihrer Fein¬
heit und Schönheit auch noch späteren Geschlechtern Freude
bereiten, als eindeutige Dokumente der gegenwärtigen lite¬
Seite 5
rarischen Epoche dienen werden. Daß Schnitzler vor mehr
als zwei Jahrzehnten einen netten, kecken Gedanken aus¬
gearbeitet hat und seine Arbeit mit einer Reihe von
Geistesblitzen zierte, besonders aber das Werk in eine
geistreiche gefältige Form kleidete, darum hat es noch nicht
die Höhe erreicht, als dichterisches Erzeugnis über die
Bretter zu gehen, die die Welt bedeuten. Man glaube ja
nicht, daß ich ein Verteidiger einer lächerlichen Scham¬
haftigkeit und Prüderie bin, nichts liegt mir ferner, als
etwas Unsittliches oder Anstößiges in der Szenenfolge des
„Reigen“ zu erblicken und jeder, der dem Buch entrüstete
Worte nachsagt, gehört jener Kategorie an, von der
Heinrich Heine wohl in einem anderen Zusammenhang
sagte: „Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten
öffentlich Wasser.
Es war notwendig, dies alles vorauszuschicken, um
nicht in den Verdacht einer Muckerseele zu geraten, der
man mit Recht kein Urteil über geistige Arbeit, welcher
Art immer sie sei, zuerkennen darf. Weshalb ich nun den¬
noch der Meinung bin, daß der „Reigen“ nicht aufgeführt.
werden sollte, will ich nun kurz ausführen: Vorerst hat
wohl
der Dichter — und man frage einmal Schnitzler —
m Traume nicht daran gedacht, dem „Reigen“ jemals
Bühnenleben einzuflößen, sondern er hat diese Arbeit
niedergeschrieben aus Spielerei, Liebhaberei, aber nicht,
um ein Bühnenwerk zu schaffen. Und weiters bin ich gegen
die Aufführung des „Reigen“, weil die spekulative Absicht,
die mit der Aufführung verbunden ist, zu deutlich und
häßlich zum Vorschein kommt und ich die Meinung ver¬
trete, daß auch eine Privatbühne ersten Ranges Ver¬
pflichtungen künstlerischer Art besitzt, dagegen nicht das
Recht hat, uner dem Vorwand einer Dichung Bühnen¬
wirksamkeit zu verschaffen, die erotischen Momente als
zugkräftiges Aushängeschild zu benützen. Auch dies mag
gestattet sein, bzw. toleriert werden, in der Art, wie
beispielsweise vor etlichen Jahren ein kleines Theaterchen
Tag für Tag die Leute in „Das Beit“ von Lavedau ge¬
lockt hatte, ohne daß es dem Herrn Direktor eingefallen
wäre, der Welt einzureden, er verfolge mit der Aufführung
die reinsten Absichten und diene damit dem hohen Ideal,
die Kunst dem Volke näherzubringen. Also damit möge
uns der in diesem Genie etwas zu tüchtige Herr Direktor
Bernau gefälligst verschonen, dem vielleicht mein Urteil
über seine Tätigkeit darum nicht ganz gleichgültig sein
dürfte, als ich ja im gewissen Sinne vom Schicksal auser¬
sehen war, Herrn Direktor Bernan den Weg zum erfolg¬
reichen Theaterdirektor ein wenig freizumachen. Vielleicht bin
ich deshalb ein bischen zu anspruchsvoll und sehe schärfer als
andere denn sonst müßte es doch auch schon anderen, und
zwar den berühmten Theaterfachleuten aufgefallen sein
daß das Bernau'sche System sich gradlinig in der Richtung
bewegt, die zur Aufführung von „Schloß Wetterstein“
„Die Flamme“ — und dem „Reigen“ führt. Das ist kein
Zufall mehr, das ist auch keine künstlerische Absicht, son¬
dern es ist und bleibt eine reine Spekulation auf Sinn¬
lichkeit und Lüsternheit. Weil ich nun aus allen diesen Er¬
scheinungen erkenne, daß auch das Werk Schnitzlers
nur diesem Umstande die Aufführung an einem Theater
verdankt, und weil ich fest davon überzeugt bin, daß
Männlein und Weiblein nicht wegen der doch vorhandenen
dichterischen Schönheiten der Arbeit und nicht wegen des
grundlegenden Gedankens, der dem „Reigen“ innewohnt.
sondern nur deshalb ins Theater laufen werden, weil sie
manches sehen, einiges hören und noch vielmehr erraten
können — wenn's finster wird — darum bin ich gegen die
Aufführung des „Reigen“, der dem Dichter vielleich
großen materiellen Gewinn, aber keinezwegs jenen Ruhm
eintragen wird, der ihm damals zuteil wurde, als man
seinen Professor Bernhardi nicht über die deutschen Bühnen
Österreichs schreiten lassen wollte und für dessen Befreiung
man nicht aus spekulativen Momenten eintrat, sondern
um für das gedankenreiche Werk eines Dichters den Weg
M. S.
ins Freie zu bahnen.