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11. Reigen
Aruater Zeitung, Wien, Abendblahr
FEBRULRIN
Arbeiter-Zeitung
Eine gestörte Vorstellung des
„Reigen“
Die Früchte der „Reichspost“=Hetze.
Es vergeht fast kein Tag, seit die Kammerspiele Schnitz¬
lers „Reigen“ aufführen, an dem die „Reichspost“ nicht mir
roher Beharrlichkeit zu Störungen der Vorstellung hetzte. Vom
ersten Tag an drohte sie, „den Herrschaften das Vergnägen
bald zu verleiden“, sie wußte auch die katholische Jungmann¬
schaft aufzuwiegeln, die, wie die „Reichspost“ am Sonntag
mit Genuginung verzeichnete, in einer Vollversammlung den
Beschluß faßte, gegen die Aufführung von Schnitzlers „Reigen“
energisch Siellung zu nehmen und wei¬
tere Schritte in dieser Sache zu unter¬
nehmen“. Nun haben einige verhetzte junge Leute
tatsächlich die ersten „Schritte in dieser Sache“ gemacht.
Die Polizeikorrespondenz teilt mit, doch gestern abend
der Versach unternon#gen wurde, die Aufführung des „Reigen“
zu störer. 15 bis 20 junge Zeute drangen durch das
Foyer in den Zuschauereaum und machten dort einen heillosen
Lärm, Diese ihre „energische Stellungnahme“, zu dor sie von der
„Reichspost“ Tag für Tag aufgesordert worden waren, ist ihnen
allerdings übel bekommen. Die Störenfriede wurden rasch
aus dem Sauleentfernt, sechs von ihnen wurden
verhaftet. Nach Feststellung ihrer Versönsichkeit ließ men sie
wieder laufen. Die Vorstellung wurde nach einer larzen Unter¬
brechung zu Ende geführt.
Man kann nur im Intereste der von der „Rrichspost“
verhetten jungen Leate wünschen, daß es bei diesene
Versuch der Ausübung kieritalen Teirors in einer
vorstellung, die den schwarzen Muckern und He#
behagt, sein Bewenden hat. Denn ein zweiter 8
ihnen noch weit übler bekommen.
che 5—
der gestörte „Reigen“.
Was Direktor Vernau sagt.
Herr Direktor, Beryau hatte die Freunb¬
lichkeit, einen ünserer Mitarbeiter heute
morgens zu empfangen.
„Während hert gestrigen Vorstellung
sammelten sich zwänzig junge Burschen in dem
kleinen Gäßchen, das zur Stcyrernühl führt.
Sie warteten don Augenhlick ab, in dem der
Wachmann um die Ecke gegangen warf stürmten
ins Foyer, drängten zwoi Billettkontrollore zur
Seite, drangen in die Logen ein und riesen
„Kulturschande, Schieber, Juden,
aufhören!“ ins Theater. Sie wurden von
Aufsichtsbeamten sofort hinausgedrängt,
Das Spiel, es war im neunten Bild,
wurde ungefähr für drei Minuten
unterbroche; und dann bei demselben Wort
fortgesetzt, bei dem es aufgehört hatte,
Das Publikum antwortete mit
demonstrativem Beifall für den
Autor und für das Stück.“
„Ich halte die ganze Sache für
bestellt. Sechs von den jungen Burschen
sind ja verhaftet worden und ihre Einver¬
nahme wird ja zeigen, ob ich recht habe. Ich
werde mich keinesfalls von der
Gasse her bestimmen lossen, den
„Reigen“ abzusetzen. Solche Kindereien
werden dasselbe Fako erleben wie sie es in
Berlin erlebt haben. Wien hat doch sicher nicht
den Ehrgeiz, dort hinten nochzuziehen, wo Mün¬
chen vorneweg marschiert. Dinge wie sie im
„Reigen“ zur Sprache kommen, werden seit
fünfundzwanzig Jahren auf der Bühne gesagt
und nur verbohrte Menschen und Leute mit
einer schwärzen Brille nehmen an ihnen An¬
stoß. Der „Reigen“ ist kein Stück für Kinder
und wem er nicht gefällt, der braucht nicht ins
Thegter zu gehen.“
Der versuchte „Reigen“=Skandal in den
Kammerspielen.
Wie wir im heutigen Morgenblatte mitteilten,
wurde gestern abends versucht, die Aufführung ven
Schnitzlers „Reigen in den Kammerspielen zu
stören. Die Logen, in die die 15 bis 20 jungen Leute
während des vorletzten Bildes eindrangen, waren
besetzt und als die Demonstranten
ihr
„Pfui!“ in den Saal riefen, wurden
sie
ihrerseits vom Publikum, das sich über die Störung
entrüstete, mit Pfuirufen empfangen. Die Eindringlinge#
wurden schließlich aus dem Zuschauerraume gedrängt.
und die Vorstellung nahm ihren Fortgang.
Sechs Peisonen wurden arretiert und m#
Stadtkommissatiat gebracht. Es sind drei Privatbeamt
ein Postbeamter, ein Optiker und — ein Schlosser¬
gehilfe. Nach Feststellung ihrer Personaldaten wurden
ie entlassen. Die Strafamtshandlung ist eingeleilet.
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11. Reigen
Aruater Zeitung, Wien, Abendblahr
FEBRULRIN
Arbeiter-Zeitung
Eine gestörte Vorstellung des
„Reigen“
Die Früchte der „Reichspost“=Hetze.
Es vergeht fast kein Tag, seit die Kammerspiele Schnitz¬
lers „Reigen“ aufführen, an dem die „Reichspost“ nicht mir
roher Beharrlichkeit zu Störungen der Vorstellung hetzte. Vom
ersten Tag an drohte sie, „den Herrschaften das Vergnägen
bald zu verleiden“, sie wußte auch die katholische Jungmann¬
schaft aufzuwiegeln, die, wie die „Reichspost“ am Sonntag
mit Genuginung verzeichnete, in einer Vollversammlung den
Beschluß faßte, gegen die Aufführung von Schnitzlers „Reigen“
energisch Siellung zu nehmen und wei¬
tere Schritte in dieser Sache zu unter¬
nehmen“. Nun haben einige verhetzte junge Leute
tatsächlich die ersten „Schritte in dieser Sache“ gemacht.
Die Polizeikorrespondenz teilt mit, doch gestern abend
der Versach unternon#gen wurde, die Aufführung des „Reigen“
zu störer. 15 bis 20 junge Zeute drangen durch das
Foyer in den Zuschauereaum und machten dort einen heillosen
Lärm, Diese ihre „energische Stellungnahme“, zu dor sie von der
„Reichspost“ Tag für Tag aufgesordert worden waren, ist ihnen
allerdings übel bekommen. Die Störenfriede wurden rasch
aus dem Sauleentfernt, sechs von ihnen wurden
verhaftet. Nach Feststellung ihrer Versönsichkeit ließ men sie
wieder laufen. Die Vorstellung wurde nach einer larzen Unter¬
brechung zu Ende geführt.
Man kann nur im Intereste der von der „Rrichspost“
verhetten jungen Leate wünschen, daß es bei diesene
Versuch der Ausübung kieritalen Teirors in einer
vorstellung, die den schwarzen Muckern und He#
behagt, sein Bewenden hat. Denn ein zweiter 8
ihnen noch weit übler bekommen.
che 5—
der gestörte „Reigen“.
Was Direktor Vernau sagt.
Herr Direktor, Beryau hatte die Freunb¬
lichkeit, einen ünserer Mitarbeiter heute
morgens zu empfangen.
„Während hert gestrigen Vorstellung
sammelten sich zwänzig junge Burschen in dem
kleinen Gäßchen, das zur Stcyrernühl führt.
Sie warteten don Augenhlick ab, in dem der
Wachmann um die Ecke gegangen warf stürmten
ins Foyer, drängten zwoi Billettkontrollore zur
Seite, drangen in die Logen ein und riesen
„Kulturschande, Schieber, Juden,
aufhören!“ ins Theater. Sie wurden von
Aufsichtsbeamten sofort hinausgedrängt,
Das Spiel, es war im neunten Bild,
wurde ungefähr für drei Minuten
unterbroche; und dann bei demselben Wort
fortgesetzt, bei dem es aufgehört hatte,
Das Publikum antwortete mit
demonstrativem Beifall für den
Autor und für das Stück.“
„Ich halte die ganze Sache für
bestellt. Sechs von den jungen Burschen
sind ja verhaftet worden und ihre Einver¬
nahme wird ja zeigen, ob ich recht habe. Ich
werde mich keinesfalls von der
Gasse her bestimmen lossen, den
„Reigen“ abzusetzen. Solche Kindereien
werden dasselbe Fako erleben wie sie es in
Berlin erlebt haben. Wien hat doch sicher nicht
den Ehrgeiz, dort hinten nochzuziehen, wo Mün¬
chen vorneweg marschiert. Dinge wie sie im
„Reigen“ zur Sprache kommen, werden seit
fünfundzwanzig Jahren auf der Bühne gesagt
und nur verbohrte Menschen und Leute mit
einer schwärzen Brille nehmen an ihnen An¬
stoß. Der „Reigen“ ist kein Stück für Kinder
und wem er nicht gefällt, der braucht nicht ins
Thegter zu gehen.“
Der versuchte „Reigen“=Skandal in den
Kammerspielen.
Wie wir im heutigen Morgenblatte mitteilten,
wurde gestern abends versucht, die Aufführung ven
Schnitzlers „Reigen in den Kammerspielen zu
stören. Die Logen, in die die 15 bis 20 jungen Leute
während des vorletzten Bildes eindrangen, waren
besetzt und als die Demonstranten
ihr
„Pfui!“ in den Saal riefen, wurden
sie
ihrerseits vom Publikum, das sich über die Störung
entrüstete, mit Pfuirufen empfangen. Die Eindringlinge#
wurden schließlich aus dem Zuschauerraume gedrängt.
und die Vorstellung nahm ihren Fortgang.
Sechs Peisonen wurden arretiert und m#
Stadtkommissatiat gebracht. Es sind drei Privatbeamt
ein Postbeamter, ein Optiker und — ein Schlosser¬
gehilfe. Nach Feststellung ihrer Personaldaten wurden
ie entlassen. Die Strafamtshandlung ist eingeleilet.
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