II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 310

Dienstag
liner Börsen=zeitung Nr. 0s
3. Februar 1921
Sport
Arbeitsgemein¬
issenschaft
schaft im Berliner
Skisport. Von den
spürk und dessen erolische Verwegenheit er daher
Vereinigung beitrete. Man werde sich sogar nicht
interessierten Kreisen ist
mißdeuten kann.
mit dem Bühnenboykott begnügen, sondern die
in Berlin die Arbeits¬
Hier war der Eindruck — beim Publikum wie bei
Man
Sezession mit allen Mitteln „abwürgen“.
gemeinschaft der Ber¬
ein ziemlich einheitlicher. Die ersten
der Kritik —
werde mit den Transportarbeitern und den Elektri¬
iner S'isport treibenden
Szenen gingen eindruckslos vorüber. Aber der Dia¬
zitätskollegen zusammengehen, um Konzerte oder
Vereine gegründet wor¬
log zwischen der „jungen Frau“ und dem geleganten
unmöglich zu
den. Auf Einladung des
andere Veranstaltungen
jungen Herrn“ erwärmte rasch das Interesse. Und
machen, in denen die Mitglieder der Vereinigung
Herrn Gürtzlaff von der

nun stieg die Teilnahme
die durchaus künstle¬
Schneeschuhabteilung des
tätig sein aollten.
rische Teilnahnte —
an dem Werk von Szene
zu
Trotz dieser scharfen Kampfansage traten alle An¬
Berliner Schliteschuhklubs
Das Gefühl witzig gesteigerter Wirklich¬
Szene.
wesenden in die Vereinigung ein, die damit be¬
fand eine Besprechung
keit, die Freude an der geistigen Belebung der
reits auf fast hundert Mitglieder ange¬
statt, an welcher vom
— also asthetisch technisch ausgedrückt: das
Szene
wachsen ist. Auch Mitglieder der Staatstheater
Ski=Klub
Stembogen,
war bald so stark, daß man das
Formgefühl —
Die
sind, wie mir erklärt wird, dabei zu finden.
Berlin, Baesler, Herr
Bedenkliche, das Schlüpfrige, Stoffliche kaum mehr
Versammelten haben ausdrücklich trotz der Ab¬
Kirchner
Herr
und
empfand
Arndt teilnahmen. Von
würgedrohung sich verpflichtet, die Abgabe von
An dieser Reinigung der Wirkung hatte die Dar
2 Prozent für die Genossenschaft zu zahlen, weil sie
anderen Vereinen waren
ihren verdienst
stellung der Kammerspiele
die schlechte finanzielle Lage der Genossenschaft an¬
erschienen: Herr Gürge
vollen Anteil. Insbesondere die Frauenrollen wur¬
laff und Herr Keller vom
erkennen und nicht den Wunsch haben, sie zu
den mit delikatestem Humor gespielt. Traute
Berliner Schlittschuhklub,
schwächen.
Carlsen hatte für die lüsterne Verlogenheit der
Hers Klemm von der
Sie haben aber zugleich — und das gibt der Sonn¬
„jungen Frau“ einen entzückenden Ton, Hedwig
Schneeschuhabteilung der
tagsversammlung die ungeheuere Bedeutung — be¬
Keller war das reizvolle Wiener Mädel in seiner
Sektion Hohenzollern des
chlossen, durch eine sofort einzureichende
anmutsvollen Nichtigkeit und Marietta Olly
deutschen und österrei¬
Feststellungsklage Klarheit darüber zu
fand für die Schauspielerin ein parodistisches
Alpenvereins
chischen
schaffen, ob die Genossenschaft berechtigt
Pathos, dem kein Wort wirkungslos entglitt.
Menzel,
Herr
1
und
ist, derartge prozentuale Abgaben ein¬
war es denn ein heiter und liebenswurdig be¬
Herr Schneider, Herr
zuführen. Man befürchtet deutlich, daß die
wegter Abend, und das Publikum nahm das Bill
Dr. Kunz und Herr
nächste Delegiertentagung eine stärkere Schröpfung
des die ganze Welt umschlingenden= unentrinnbaren
Domnick vom Berliner
der hohen Gagen beschließen wird, und man will
Liebesreigens mit fröhlichem Einverständnis auf.
Schneeschuhklub. In die
bereits vorher sich vergewissern, wie weit die recht¬
Weniger dankbar zeigte es sich für Rößlers
Arbeitsgemeinschaft wur¬
lichen Kompetenzen der Genossenschaft in dieser
„Paihetischen Hut“. Man hätte glauben kön¬
gewählt:
Herr
820
den
Frage überhaupt gehen.
Die
10
nen, daß hier der Erfolg unausbleiblich sei.
Menzel als Obmann,
Die durch Abel entfesselte Frage der Zwangsmit¬
gährenden Stoffe unserer Zeit von einer erfahrenen
die Herren Gürtzlaff,
gliedschaft — die prinzipielle Klarstellung der Bei¬
Hand zu einem Ragout gemischt — das hatte von
Klemm und Amndt.
tragsfrage — es scheint, daß die Genossenschaft, in
vornherein seinen pikanten Reiz. Zudem war der
Anßdet wurde ein Renn¬
den letzten Jahren unter der Gunst der politischen
Autor ja so klug, es jedem mundgerechi zu machen.
ausschuß gebildet, dem
Verhältnisse ungeheuer aufgeschwollen, bei diesem
Es ironisiert das sozialistische Regime, aber es stellt
nachstehende Herren an¬
äußerlich üppigen Wachstum viel von der innern
auch einen Edelsozialisten auf die Bühne; es ver¬
gehören: Obmann Herr
Geschlossenheit eingebüßt hat, die schließlich die wahre
lachte den Totentanz monarchistischer Gespenster,
Dr. Kunz, die Herren
Kraft der Organisationen ausmacht. Die Besorg¬
aber die sympathischeste Figur des ganzen Spieles
Neukirch, Gützlaff, Klemm,
nis wächst, daß der zügellose Radikalismus von links
ist doch der enthronte Konig. Man mag das klug
Arndt.
Lange
und
auch auf diesem Gebiete einen schönen und segens¬
oder gerecht nennen — je nach dem Grade persön¬
Als nächste Ziele wurden
reichen Bau in seinen Grundfesten erschüttert!
in Wien scheint es für die
aufgestellt: 1. Bei gün¬
E. K.
Komödie nicht förderlich gewesen zu sein. Man hatte
stiger Schneelage im
den Eindruck, als ob jede Partei zunächst nur die
ein
Monat Februar
020
Unliebenswürdigkeiten empfände, die ihr der Autor
Reunen in Berlin mit
Wiener Theater.
zu sagen hat. Und die genug künstlerische Gesinnung
Start im Klubhause des
Aus Wien schreibt uns unser LF=Korrespondent:
aufbringen, um im Theater wenigstens, losgelöst von
Berliner Schlittschuhklub,
jeder Gruppe, nur mit menschlichem Anteil den Vor¬
„ergen“ auch
Nun entfaltet Sch
bei welchem folgende
gängen zu folgen, diesem wertvollsten Teil des
auf unserem Theater seine lockenden Künste. Er kam
Rennen gelaufen werden
Publikums war der Ernst doch zu spielerisch „und
sieltsamerweise später zu uns als nach Berlin. Selt¬
sollen: a) Rennen für Her¬
die Heiterkeit zu dünn. Dazu kam nun noch eine
denn er gehört zu uns. Nicht nur, weil der
ham —
ren 8 km, b) Rennen für
Nacktheit in der Aussprache erotischer Dinge, die hier
Dichter ein Wiener ist, ja nicht einmal, weil alle
Jugendliche bis 16 Jah¬
verstimmte. Es gibt gewiß eine Höhe des Niveaus,
Gestalten dieses Reigens mit sehr klugem Auge
ren 4 km, c) Rennen für
einen Ernst und Bekennermut der Darstellung, dem
aus dem Leben Wiens geholt sind; er gehört zu
Damen-4 km, d) Alters¬
das absolute Wort gestattet sein muß und gestattet
uns, weil sein Blick wienerisch ist, seine zärtliche
rennen 8 km. 2. Anfangs
ist. Man fühlt eben dessen innere Notwendigkeit.
Ironie, sein überschwängliches Gefühl für die Be¬
März ein Propaganda¬
Diese Atmosphäre ist um Rößlers Stück wahrhaftig
deutung des erotischen Lebens. Er hat die Wiener
vortrag des Herrn Klemm,
nicht gebreitet. Und da drängt sich eine „rinzipielle
Atmosphäre.
bei welchem der große
Anmerkung auf. Wir alle haben den Kampf gegen
Vor etwa fünfundzwanzig Jahren sind diese auf¬
Film „Die Wunder des
die Zensur mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit ge¬
richtigen Dialoge entstanden. Sie waren von vorn¬
Schneeschuhs“vorgeführt
kämpft. Wir atmeten befreit auf, als uns der Um¬
herein nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt. Der
3. Eine
werden soll.
sturz, wenn auch nicht die Beseitigung so doch wenig¬
Dichter ließ sie in einigen Exemplaren für seine
Osterfahrt vom 24. März
stens eine wesentliche Beschränkkung der Zensur
Freunde drucken. Es ist wichtig, das heute zu be¬
bis 29. März ins Niesen¬
brachte. Aber es ist die Frage, ob diese Erleichte¬
tonen. Denn es beweist, wie sachlich sein Interesse
gebirge (Wiesenbaude)
rung des Zensurdrucks ein unbedingter Kultur¬
an der Arbeit war. Sie war ein Atelierscherz.
nit eigenem Sonderzuge
gewinn ist. Ich meine das nicht in dem banalen
Jeder Nebenblick lag ihm ganz ferne. Sich selbst und
Daselbst ein Schneeschub¬
und oft ausgesprochenen Sinn, daß uns der Ge¬
ein paar Gleichgesinnten zur Freude breitete da ein
schmack des Zensors manche Geschmacklosigkeiten
kursus, Touren und ein
Künstler seine lächelnde Erfahrung aus.
Abschlußrennen.
ersparte. Nietzsche sagt einmal, daß die geistige

Später — Jahre nachher
veranlaßte ihn sein
er kannte natürlich nur

Situation Rußlands
Herr H. v. Pelzer,
Verlag, die Dialogreihe der Oeffentlichkeit als Buch
das zaristische Reich — ihm große Hoffnungen er¬
der im Vorjahre am
zu übergeben. Und nach Jahrzehnten erst hat die
weckte. Denn gerade die Strenge der Zensur er¬
1. September im Lands¬
Bühne ihm das Werkchen abgerungen. Man darf
ziehe den russischen Geist zu einer außerordentlichen
berger Jagdrennen zu
wohl dieses starke Wort wählen. Schnitzler selbst hat
Kultur des Ausdrucks. Begreiflich; denn er muß
Karlshorst mit Hunding
jüngst erzählt, wie oft und nachdrücklich das Theater
die ssorgsamst gewählten Wege beschreiten, um zu
zu Fall kam und sich da¬
sich um die Szenenreihe bemüht habe —
was ja
seinem Ziel zu gelangen. Es bedarf der Spannung
auch sehr begreiflich ist — und wie es erst dem ein¬
bei den linken Unterarm
all seiner Kräfte, um das, was ihm am Herzen liegt,
dringlichen und autoritativen Wunsche Reinhardts
brach, ist jetzt wieder so¬
o auszusagen, daß die Zensur es ihm nicht wehren
gelungen ist, seine Bedenken zu überwinden.
weit hergestellt, daß er
kann. Sein Wort wird um so kunstvoller, gewählter,
Für Wien selbst sind alle diese Randbemerkungen
in der Morgenarbeit in
geprägter sein müssen, je unnachsichtlicher es be¬
überflüsst Aber es läßt sich wohl denken, daß ein
den Sattel steigen kann.
obachtet und beherrscht wird.
fremdes Publikum ihrer bedarf. Ein Publikum, das
Herr v. Pelzer ist außer¬
dem Kulturboden, aus dem diese Bilder aufblühten,
Heut kann der Dichter bei uns frei herausreden.
dem noch fleißig in der
ferne steht. Denn da, wo der Wiener sich von dem
Das bedeutet eine Entspannung seiner Kräfte, Ver¬
Reitbahn tätig, da er
s#auch des wirklichen Lebens unmittelbar berührt
fall und Unkultur. Für den wirklich hochstehenden
in den in nächster Zeit
and von seiner kunstvollen Gestaltung bezaubert
Künstler ist die Zensur natürlich wesenlos; er trägt
stattfindenden Springkon¬
füchlt, empfindet der Fremde vielleicht nur ein leich¬
das strengste Richteramt in sich. Aber für den
kutrenzen teilnehmenwill,
stes Spiel, dessen Wahrhaftigkeit er nicht sofort
Mittelstand der Literatur, von dem die Kultur des