11. Reigen
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Aufführungsrechtes nahelegen zu müssen,
dieser Auffassung, die, abgesehen von einem kleinen,
für das Wiener Volksempfinden gewiß nicht ma߬
gebenden Zuhörerkreis, wohl eine einmütige
ist,
durch Untersagen der weiteren
Aufführung Rechnung tragen zu
wollen“. Da Herr Glanz den Bürgermeister bittet,
ihm über die „sodann getroffene Verfügung bald¬
möglichst eine Mitteilung zukommen zu lassen, so hat,
wie wir zu wissen glauben, der Bürgermeister mit der
Mitteilung“ nicht gezögert und Herrn Glanz wissen
lassen, er habe keinen Anlaß, von der einmal und nach
sorgfältiger Erwägung aller Umstände getroffenen Ver¬
fügung abzugehen, und werde eine neue und andere
Verfügung auch nicht treffen. Womit die Sache eben
zum zweitenmal erledigt ist.
Denn was der Minister des Innern da unter¬
nimmt, ist ein dreister Eingriff in eine Rechtssphäre,
die ihm nicht untertan ist; ein Eingriff ganz im Geiste
des alten Polizeiösterreich, wo er ja der ständige Brauch
war. Da war es freilich möglich, daß man im Burgtheater
die weiteren Aufführungen von „Rose Bernd“ von
Gerhart Hauptmann verbot, weil irgend ein Frauen¬
zimmer
vom Hof an dem unehelichen Kinde
„Aergernis“ genommen hatte; aber in der Republik
werden die altösterreichischen Polizeimanieren trotz des
Glanz nicht einreißen. Die Behauptung, daß dem Minister
des Innern gegenüber einem Bundesland — das ist
Wien
ein „Aufsichtsrecht“ zustehe, ist einfach
eine Unverschämtheit; der Bundesminister
hat
gegenüber den Landeshauptleuten die Zuständig¬
eiten, die ihm die Verfassung gibt: keine anderen.
Und daß in der Bundesverfassung von einem Rechte
der Aussicht über die Verwaltung der Bundesländer
die Rede wäre, ist ratürlich unwahr; das hat sich
Herr Glanz einfach erfunden. Der Wackere würde sich
natürlich hüten, etwa gegen den Landeshauptmann von
Vorarlberg dieses Aufsichtsrecht in Anspruch zu
nehmen; gegen den Landeshauptmann von Wien
erdreistet er sich dieses Anspruchs und vermeint,
sich ihm gegenüber als Vorgesetzter aufspielen zu
dürfen! Daß dieselbige „Reichspost“ die, wenn etwa ein
sozialdemokratischer Minister des Innern den Landes¬
hauptmann von Steiermark beaufsichtigen wollte, auf
die Bundesverfassung verweisen würde, der Tat¬
sache ganz vergißt, daß wir nun ein Bundes¬
taat sind, die Länder souveräne Staaten, also
der Aufsicht des Ministers des Innern nicht
untertänig, ist nicht überraschend und, natürlich, auch
licht wichtig; den Herrn Minister des Innern in
einen Kompetenzen zu halten, wird aber unschwer ge¬
lingen. Er wird auch den Landeshauptmann von
Wien nicht beaufsichtigen und in die Verwaltung
des Bundeslandes Wien nichts dreinreden dürfen.
Ueber künstlerische Fragen werden wir mit Herrn
Dr. Glanz keine Diskussion führen, die Heiterkeit aber
ob des Schauspiels, ihn als Dolmetsch des Wiener
Volksempfindens auftreten zu sehen, ungehemmt
walten lassen. Der Herr Dr. Glanz irrt auch sehr,
wenn er die Stimmen der Kunstkritiker,
die Zweifel geäußert haben, ob der „Reigen
aufzuführen sei, als Zeugen dafür anführt, daß die
Aufführungen verboten werden sollen. Man kann sehr
wohl der Meinung sein, daß man ein Stück nicht
aufführen sollte —
wir zum Beispiel halten
einen recht beträchtlichen Teil der Stücke, die
jahraus, jahrein auf den Wiener Theatern
gespielt
werden,
für Stücke,
die“
eine
Aufführung nicht verdienen —, ohne damit bekunden
zu wollen, daß man die Zensur anrufen und ein Verbot
billigen würde. Jenes ist ein kunstrichterliches Urteil,
dieses ist, wie die Zenfur überhaupt, eine Frage der
Freiheit. Und obwohl der „Reigen“ an sich recht wenig
geeignet ist, zum Objekt eines Streites um Freiheitsdinge
zu dienen, ist es doch so, daß nun ein Eingriff und
Angriff des klerikal=polizeilichen Geistes des monarchisti¬
schen Oesterreich vorliegt und abzuwehren ist. Der
wird aber seine Reigen nicht mehr tamzen
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Aufführungsrechtes nahelegen zu müssen,
dieser Auffassung, die, abgesehen von einem kleinen,
für das Wiener Volksempfinden gewiß nicht ma߬
gebenden Zuhörerkreis, wohl eine einmütige
ist,
durch Untersagen der weiteren
Aufführung Rechnung tragen zu
wollen“. Da Herr Glanz den Bürgermeister bittet,
ihm über die „sodann getroffene Verfügung bald¬
möglichst eine Mitteilung zukommen zu lassen, so hat,
wie wir zu wissen glauben, der Bürgermeister mit der
Mitteilung“ nicht gezögert und Herrn Glanz wissen
lassen, er habe keinen Anlaß, von der einmal und nach
sorgfältiger Erwägung aller Umstände getroffenen Ver¬
fügung abzugehen, und werde eine neue und andere
Verfügung auch nicht treffen. Womit die Sache eben
zum zweitenmal erledigt ist.
Denn was der Minister des Innern da unter¬
nimmt, ist ein dreister Eingriff in eine Rechtssphäre,
die ihm nicht untertan ist; ein Eingriff ganz im Geiste
des alten Polizeiösterreich, wo er ja der ständige Brauch
war. Da war es freilich möglich, daß man im Burgtheater
die weiteren Aufführungen von „Rose Bernd“ von
Gerhart Hauptmann verbot, weil irgend ein Frauen¬
zimmer
vom Hof an dem unehelichen Kinde
„Aergernis“ genommen hatte; aber in der Republik
werden die altösterreichischen Polizeimanieren trotz des
Glanz nicht einreißen. Die Behauptung, daß dem Minister
des Innern gegenüber einem Bundesland — das ist
Wien
ein „Aufsichtsrecht“ zustehe, ist einfach
eine Unverschämtheit; der Bundesminister
hat
gegenüber den Landeshauptleuten die Zuständig¬
eiten, die ihm die Verfassung gibt: keine anderen.
Und daß in der Bundesverfassung von einem Rechte
der Aussicht über die Verwaltung der Bundesländer
die Rede wäre, ist ratürlich unwahr; das hat sich
Herr Glanz einfach erfunden. Der Wackere würde sich
natürlich hüten, etwa gegen den Landeshauptmann von
Vorarlberg dieses Aufsichtsrecht in Anspruch zu
nehmen; gegen den Landeshauptmann von Wien
erdreistet er sich dieses Anspruchs und vermeint,
sich ihm gegenüber als Vorgesetzter aufspielen zu
dürfen! Daß dieselbige „Reichspost“ die, wenn etwa ein
sozialdemokratischer Minister des Innern den Landes¬
hauptmann von Steiermark beaufsichtigen wollte, auf
die Bundesverfassung verweisen würde, der Tat¬
sache ganz vergißt, daß wir nun ein Bundes¬
taat sind, die Länder souveräne Staaten, also
der Aufsicht des Ministers des Innern nicht
untertänig, ist nicht überraschend und, natürlich, auch
licht wichtig; den Herrn Minister des Innern in
einen Kompetenzen zu halten, wird aber unschwer ge¬
lingen. Er wird auch den Landeshauptmann von
Wien nicht beaufsichtigen und in die Verwaltung
des Bundeslandes Wien nichts dreinreden dürfen.
Ueber künstlerische Fragen werden wir mit Herrn
Dr. Glanz keine Diskussion führen, die Heiterkeit aber
ob des Schauspiels, ihn als Dolmetsch des Wiener
Volksempfindens auftreten zu sehen, ungehemmt
walten lassen. Der Herr Dr. Glanz irrt auch sehr,
wenn er die Stimmen der Kunstkritiker,
die Zweifel geäußert haben, ob der „Reigen
aufzuführen sei, als Zeugen dafür anführt, daß die
Aufführungen verboten werden sollen. Man kann sehr
wohl der Meinung sein, daß man ein Stück nicht
aufführen sollte —
wir zum Beispiel halten
einen recht beträchtlichen Teil der Stücke, die
jahraus, jahrein auf den Wiener Theatern
gespielt
werden,
für Stücke,
die“
eine
Aufführung nicht verdienen —, ohne damit bekunden
zu wollen, daß man die Zensur anrufen und ein Verbot
billigen würde. Jenes ist ein kunstrichterliches Urteil,
dieses ist, wie die Zenfur überhaupt, eine Frage der
Freiheit. Und obwohl der „Reigen“ an sich recht wenig
geeignet ist, zum Objekt eines Streites um Freiheitsdinge
zu dienen, ist es doch so, daß nun ein Eingriff und
Angriff des klerikal=polizeilichen Geistes des monarchisti¬
schen Oesterreich vorliegt und abzuwehren ist. Der
wird aber seine Reigen nicht mehr tamzen
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