II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 330

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box 17/5
Reigen
Theater.
1.
Die „Reigen“=Heße.
Es ist wohl außer Zweifel, daß gewisse
politische Kreise sich die größte Mühe geben, bei

den Behörden ein Ver# weiterer Auffüh¬
rungen von Schnitzlers „Reigen“ durchzu¬
setzen. Aber esist bei Anwendung aller mög¬
lichen Spitzndigeen augenblicklich nicht ein¬
fach, #. Basis für ein solches Verbot zu finden.
De#t die Erlaubnis der öffentlichen Auffüh¬
rung des „Reigen“ ging den vorgeschriebenen
Weg. Sie ist nun einmal erteilt worden. Wie
den Rückweg finden?“
Da bleibt nicht viel anderes über, als die
Gefährdung der öffentlichen Ruhe, die bisher
bei einer einzigen Vorstellung des „Reigen“ ge¬
stört wurde.
Ein nachträgliches Zensurverbot ist
wohl ausgeschlossen, denn der Landeshauptmann
hat, nachdem die Polizeizenfur für ein Verbot
war, den „Reigen“ freigegeben.
be¬
Bis zur Stunde ist, wie wir erfahren,
hördlicherseits keine Sistierung der
„Reigen“=Aufführungen erfolgt.
Na A
Die „Reigen
ftäre
Die gestrige, Wider##lung
Schnieler
in den Kammespiefen verlief
spetkaustem Hause ohne
jede Störung
ist his abends keine amtliche
Mittellung beid Reigen“=Allfführungen zugekommen
Für die #eutige Sitzung des Wiener Landtages wird eine
[Inte####lation in der „Reigen“=Anggegenheit erwartet,
auf# Bürgermeister Reumann als Lanideshauptmann e###
widern dürfte.
Der „Reigen“
Die gestrige Auffübrupg.
Man hat der gestrigen Aufführung des „Reigen“ nicht
(ohne Besorgnis entgegengesehen. Das Bublikum war guch
anfangs etwas nervös. Als jedoch die ersten Bilder ohne jede
Störung vorüberzogen, wurde die Stimmung ruhig. Die Auf¬
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nahme war gestern sogar lebhafter als sonst. Man hat gelach
und applaudiert.
Der Kronen- und Markkus.
Zürich, 11. Februar. Auszahlung Wien 1.5
(gegen 1.55 am Vortag), österr. gestemvelte Kronen
noten ——
—), Prag 7.90 (7.75), Berlin 10.27“
(10.20), Paris 44.27½ (44.15), Moiland 22.45 (22.45
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Neues Wiener Tagblatt. W##
12 # Zwei Lügen.
Der Streit um den „Reigen“.
Auch die Kommynisten#en recht bekommen wern
sie recht haben. Und in ihier folgenden Kennzeichnung
des Streites um den d#egen haben sie recht:
Man stehP'hier vor zwei Lügen, einer christlich¬
sozialen un einer sozialdemokratischen. Wer soll den
Christlichsozialen die sittliche Entrüstung über die „Rei¬
gen“=Aufführung glauben? In Wien werden nicht erst seit
gestern, sondern seit Jahren, seit Jahrzehnten die schwei¬
nischesten Stücke aufgeführt. Haben sich die Christlich¬
sozialen jemals darüber aufgeregt? O ja, ihre Presse hat
seit jeher ab und zu der Zeiten Verderbnis bejammert,
aber mit so einer Jeremiade war die Sache auch immer
erledigt. Und nun auf einmal wollen sie der Welt ein¬
reden, daß sie sich den „Reigen“, ein Kunstwerk, das mit
jenen Spekulationen auf die Lüsternheit nichts gemein
hat, auf der Bühne unmöglich gefallen lassen können! Ja,
daß ihre Entrüstung so groß ist, daß sie nicht einmal einen
Verfassungskonflikt scheuen!
Und wer soll ernst bleiben, wenn Seitz für den
„Reigen“ seinen berühmten „letzten Revolver“ zieht?
Die Sozialdemokraten sagen freilich, es handelt sich nicht
mehr um den „Reigen“, jetzt gilt es, eine Verletzung der
Verfassung zu ahnden. Aber wer soll glauben, daß es
ihnen mit dieser Erklärung ernst ist? Sie haben erst
vor ein paar Tagen, bei der Verhandlung der Bier¬
steuererhöhung, der Regierung einen Verfassungsbruch
vorgeworfen und ein Mißtrauensvotum gegen sie bean¬
tragt. Aber nach dessen Ablehnung war die Sache für
sie erledigt — trotz dem Verfassungsbruch! Und dieser
Fall steht nicht vereinzelt da. Wie oft hätten die Sozial¬
demokraten in der letzten Zeit den ernstesten Grund ge¬
habt, den Christlichsozialen den Kampf bis aufs Messer
anzukündigen — doch sie haben sich immer mit der
„lohalen Opposition“ begnügt. Und nun soll man ihnen
glauben, daß sie die Arbeiter für den „Reigen“ zu den
Waffen rufen werden?
Man muß sagen, daß das kommunistische Blatt dies¬
nal den Nagel auf den Kopf trifft — abgesehen von der
emerkung, der „Reigen“ sei ein Kuns#erk, das nicht
uf die Lüsternheit spekuliere.