11.
box 17/5
Reigen
#Schaubühne und Kunst.
Arthur Schnitler Reigen=Arauf.
führung in den Kammexspfelen
Wien.) Die Aufführung der Szenen. „Reißen“ ist
mehr eine Profitangelegenheiß eines eldgieri
gen Direktors als ein künstlerisches Ereranis
Herr Verrau weiß wie man heutzufaße Kassa
macht. Zuerst, die „Flamme“ des satlsam be¬
kannten Konjunktürschreibers Hans Müller und
jetzt diese Belanglossgreit Vor etwa 25 Jahren.
als der „Reigen“ entstand mochte diese Jugend¬
arbeit Schnitzlers irgendeine Berechtigung ha¬
ben, da sie eine Möglichkeit zeigte, überdie Un¬
zulänglichkeiten des Naturalismus durch eine
psychologische Linienführung hinauszukommen.
Aber jetzt ist diese sogenannte Psychologie längst
als Ableger des damaligen Liberalismus samt
dielem verstaubt und vergessen und nur die
nackte Brisalität des Bühnengeschebnisses bleibt
als unerquicklicher Rest Dabei sind diese Sze¬
nen dumm und durch die fortwährende Wie¬
derholung derselben Begebenheit reizlos, zumal
die vorhandenen dramatischen Steigerungsmög¬
lichkeiten unbeachtet bleiben. So ist denn alles
nur im Triebhaften stecken geblieben, alles is
schließlich nur Angelegenheit des Unterleibs.
Aber auch dieses Thema wäre einer künstleri¬
schen Gestaltung fähig (denn der Kunst darf
nichts Menschliches fremd sein), wenn es nur
mit Witz und mit Beziehung zu den seelischen
Fähigkeiten dargestellt wäre wie etwa bei den
italienischen Novellisten der Renaissayce. So
mußte denn die Aufführung nur einen peinli¬
chen und peinigenden Eindrück hinterlassen, was
auch die Kritik bestätigte. Interessauter als das
Stück, in dem allein Frau Träute Carsen auf
künstlerischer Höhe stand, war der Zuschauer¬
raum: nichts als fette Schiebergesichter und
Lustgreise eines jeden Alters und beiderlei Ge¬
schlechts. Dreifach erhöhte Preise. Ausverkauft.
Herr Bernau lächelt ölig. Bis man ihm einen
Strich durch die Rechnung machte, denn heute
meldet die Zeitung, daß die weiteren Auffüh¬
rungen verboten wurden.
Franz Spunda.
Schnitzlers Reigen, pas in Wien trotz
Verbot aufgeführt wird und großen Beifall findet,
behandelt Vorgänge aas dem Gischlechtsleben, die
wohl nicht auf die Bühne gehöten.
16—2.1921
Beutsche Böhmerwald Zeitung
Krumau, Böhmen
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Reigen
#Schaubühne und Kunst.
Arthur Schnitler Reigen=Arauf.
führung in den Kammexspfelen
Wien.) Die Aufführung der Szenen. „Reißen“ ist
mehr eine Profitangelegenheiß eines eldgieri
gen Direktors als ein künstlerisches Ereranis
Herr Verrau weiß wie man heutzufaße Kassa
macht. Zuerst, die „Flamme“ des satlsam be¬
kannten Konjunktürschreibers Hans Müller und
jetzt diese Belanglossgreit Vor etwa 25 Jahren.
als der „Reigen“ entstand mochte diese Jugend¬
arbeit Schnitzlers irgendeine Berechtigung ha¬
ben, da sie eine Möglichkeit zeigte, überdie Un¬
zulänglichkeiten des Naturalismus durch eine
psychologische Linienführung hinauszukommen.
Aber jetzt ist diese sogenannte Psychologie längst
als Ableger des damaligen Liberalismus samt
dielem verstaubt und vergessen und nur die
nackte Brisalität des Bühnengeschebnisses bleibt
als unerquicklicher Rest Dabei sind diese Sze¬
nen dumm und durch die fortwährende Wie¬
derholung derselben Begebenheit reizlos, zumal
die vorhandenen dramatischen Steigerungsmög¬
lichkeiten unbeachtet bleiben. So ist denn alles
nur im Triebhaften stecken geblieben, alles is
schließlich nur Angelegenheit des Unterleibs.
Aber auch dieses Thema wäre einer künstleri¬
schen Gestaltung fähig (denn der Kunst darf
nichts Menschliches fremd sein), wenn es nur
mit Witz und mit Beziehung zu den seelischen
Fähigkeiten dargestellt wäre wie etwa bei den
italienischen Novellisten der Renaissayce. So
mußte denn die Aufführung nur einen peinli¬
chen und peinigenden Eindrück hinterlassen, was
auch die Kritik bestätigte. Interessauter als das
Stück, in dem allein Frau Träute Carsen auf
künstlerischer Höhe stand, war der Zuschauer¬
raum: nichts als fette Schiebergesichter und
Lustgreise eines jeden Alters und beiderlei Ge¬
schlechts. Dreifach erhöhte Preise. Ausverkauft.
Herr Bernau lächelt ölig. Bis man ihm einen
Strich durch die Rechnung machte, denn heute
meldet die Zeitung, daß die weiteren Auffüh¬
rungen verboten wurden.
Franz Spunda.
Schnitzlers Reigen, pas in Wien trotz
Verbot aufgeführt wird und großen Beifall findet,
behandelt Vorgänge aas dem Gischlechtsleben, die
wohl nicht auf die Bühne gehöten.
16—2.1921
Beutsche Böhmerwald Zeitung
Krumau, Böhmen