II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 383

Wien, Donnerstag
lich beim besten Willen kaum
igend literarische Feinschmecker
Sprache der Charakteristik, des
tnis der Schnitzlerschen Dialoge
i zählt, um wirklich zweimal
Zuschauerraum der Kammer¬
nfänglichen Gestattung des
Verbotes, dem zu Trotz lustig
t bezeichnend für die grenzen¬
öffentlichen Verhältnisse, für
den Aemter und Behörden
die unbefangene Sorglosigkeit,
werden, die man ungestraft
man Anordnungen trifft, die
infällt. Der Bundesminister
orstellung und muß es ruhig
den Briefen beizählt, die
ntersucht nicht erst die Frage,
gesetzlich berechtigt sei, an¬
enz des Landeshauptmannes
direkten Auftrag an die
untergeordnete Polizei Be¬
rLandeshauptmann gefällt
gegen die Entscheidung des
derart eine Grundauffassung
rtei Lügen, die stets erklärt
desstaates gegenüber föderali¬
nder schützen und wahren zu
lich auf die Straße verlassen
eifen abhängig gemacht. Die
bieten, damit man aus dem
likte den Weg ins Freie finde.
unter Wasser steht, in dem
nn auch der „Reigen“ nicht
einen beliebten altöstereichischen
die „Reigen“=Frage vorderhand
orden. Aufs schmerzlichste muß
beklagt werden. Aber die ganze
Seiten verfahren worden, daß
ruch aller Autoritäten der Mob
so leben wir alle Tage....
i Demonstrationen.
utigen Demonstrationen selbst¬
eidender Teil eine bedeutende
kliche Bericht bemerkt aus¬
terstürmer, die von der
Gesinnungsgenossen im Zu¬
en, dem anfeuernden Kom¬
Anführerin gefolgt seien.
Augenzeugen davon zu be¬
griff auf das Theaterpublikun
u nicht nur keine Schonung
tVorliebe als Angriffsobjekt
parteimäßig betriebenen Hetze
igen“=Aufführungen sind die
efanden, mit besonders saftigen
en. Bisher hat jedoch bei allen
und sogar bei Straßenexzessen
itische oder soziale Leidenschaft
chwäche und Hilflosigkeit ent¬
ptung, daß einzelne Demon¬
Stöcken und Schlagringen sich
lädchen gewandt und sie an den
en, klingt so ungeheuerlich, daß
echen darf, es würden sich solche
rt leichtbegreiflicher Angst und
es ersten Augenblicks heraus¬
die Kammerspiele.
Tagen gehegten Befürchtungen
Schnitzlerschen Dialogszenen
rspielen haben sich heute ver¬
vorstellung kam es zu wüsten
m Wiener Theater nie zuvor
erraum waren Demonstranten
Neue Freie Presse.
Stinlbomben im Theater.
Die heutige Abendvorstellung, die ebenso wie die
übrigen der letzten Tage ausverkauft war, begann in
vollster Ruhe. Es hatten sich aber bereits Gerüchte ver¬
breitet, daß es zu Kundgebungen kommen würde, und
es hieß, daß Gegner der Aufführungen Sitze gekauft
hätten. Der Mehrzahl der Theaterbesucher war aber
darüber nichts bekannt; eine gewisse Unruhe ent
ein
tand aber schon während der ersten Dialoge, al.
scharfer, durchdringender Geruch sich be¬
mertbar machte, der auf Stinkbomben zurückgeführt
wurde, Man versuchte diesem üblen Geruche durch Aus¬
pritzen von Desinfektionsmitteln zu begegnen.
Der
Theaterleitung wurde im Zuschauerraum ein Besucher
als christlichsozialer Nationalrat bezeichnet, der sich angeb¬
lich auffallend benahm und, wie behauptet wurde, den
im Zuschauerraum verteilten Demonstranten Zeichen gab,
Wilde Demonstrationen auf der Straße.
Die Aufführung war bis zu dem Dialoge „Junger
Herr und junge Frau“ gediehen. Plötzlich hörte man von
der Rotenturmstrage aus und aus dem Vorraum des
Theaters schrille Sirenenpfiffe und laute
Hurrarufe.
Im oberen Teil der Rotenturmstraße und
auf dem Fleischmarkt sowie auf dem Franz
Josefskai hatten sich mittlerweile kleine
Gruppen angesammelt, darunter eine Anzahl von Hoch¬
schülern und auch sonst zum großen Teil jugenoliche Leute,
die sich plötzlich zusammenschlossen und auf das Signal
einer Strenenpfeise mit lauten Hurrarufen in die Rotenturm¬
straße vorwärtsstürmten zu dem schmalen Straßenzugange,
in dem sich der Eingang zu den Kammerspielen befindet. Die
Gruppen, die sich von beiden Seiten zusammenschlossen,
mögen insgesamt etwa 600 Personen stark gewesen sein.
Vor dem Theatergebäude versahen zehn Sicherheits¬
wachleute den Dienst. Sie versuchten durch Bildung
einer Kette dem Ansturm standzuhalten, wurden aber
überrannt, und auch auf die Wachleute wurde mit
Stöcken und Knütteln, welche die Demonstranten
mit sich führten, losgeschlagen. Die Wache versuchte dann,
die Türen, die in den Vorraum des
Theaters führen, besetzt zu halten, doch auch hier
konnten sie dem Sturmlauf der ihnen an Zahl doch weit¬
aus überlegenen Demonstranten nicht standhalten. Klirrend
gingen zwei der großen Spiegelscheiben in
Trümmer.
Schon vorher waren drei Personen bemerkt worden, die sich
im Theater aufgehalten, die Vorstellung aber verlassen hatten
und auf die Straße gegangen waren, augenscheinlich, um
die Verbindung mit den auf der Straße wartenden Gruppen
der Demonstranten herzustellen. In der Vorstellung selbst
waren schon während des dritten Dialogs einzelne Mi߬
illigungsrufe laut geworden. Während des vierten Dialogs
eine
wurde im rückwärtigen Teil des Zuschauerraumes
die
Stinkbombe auf den Fußboden geworfen,
mit Schwefelwasserstoff gefüllt war und einen pene¬
tranten Geruch verbreitete. Ein Mann, der sich an dieser
Stelle zur kritischen Zeit gebückt hatte, wurde als derjenige
bezeichnet, welcher die Stinkbombe geworfen hat. Er soll
ein Oberoffizial B. sein, der durch Kriminalbeamte, die den
Dienst versahen, in das Inspektionszimmer gebracht wurde.
Gleich darauf brach der Tumult aus. Der Zuschauer hatte sich
eine nervöse Unruhe bemächtigt. Die Türen des Theater¬
saales wurden geöffnet, um den üblen Geruch hinausströmen
zu lassen. In diesem Augenblicke wurden aber auch schon die
Rufe von der Straße aus hörbar und da begannen
auch schon die im Theater als Zuschauer sitzenden Gesinnungs¬
genossen der Demonstranten, an ihrer Spitze jener als
Nationalrat bezeichnete Theatergast, mit dem Skandale. Die
im Theater befindlichen Teilnehmer an der Kundgebung riefen
die Worte: „Weg mit diesem Schiebergesindel!“ Heraus mit
dieser Schweinerei! Judenpack! und dergleichen mehr.
Der Sturmanariff gegen die Theaterbesucher.
Mittlerweile hatten die von der Straße
aus eingedrungenen Demonstranten
einen neuen Sturmlauf gegen die im
Theaterfoyer aufgestellten wenigen
Seite 7
17. Februar 1921
Wacheriegel und stürmten unter lautem Geschrei und
drohend ihre Stöcke schwingend mit Pfuirufen auf die
Theaterleitung, auf den Autor des Stückes und auf
das Publikum über die Treppen hinunter, teils in das
Parterre, teils in die Logen. Der Ueberfall muß plan¬
mäßig organisiert gewesen sein, da die Demonstranten
plötzlich sich des Theatersaales förmlich bemächtigt hatten.
Von den Logen aus warfen sie zusammengeballie
Papiere, die mit Teer getränkt waren, in den
Zuschauerraum, und auch Eierschalen, deren Inneres
mit Teer ausgefüllt war. Desgleichen wurden die
Stühle aus den Logen in den Zuschauerraum sowohl als
auch auf die Bühne geschleudert.
Unter solchen Umständen mußte natürlich die Vor¬
stellung sofort abgebrochen werden. Die Schauspielerin
Marietta Olly, die eben auftreten sollte, wurde von
einem Weinkrampf befallen, der Vorhang mußte
herabgelassen werden, aber auch gegen den herabgelassenen
Vorhang wurden noch Stühle und mit Teer gefüllte
Eierschalen geschleudert, deren Spuren noch am Vorhang
sichtbar sind.
Die Panik im Publikum.
Des Publikums hatte sich eine namenlose Panik be¬
nächtigt. Das Wacheaufgebot erwies sich als zu schwach
um dem Treiben der Demonstranten Einhalt zu tun. In
begreiflicher Angst stürmten die Leute aus den Sitzreihen
hinaus um sich in Sicherheit zu bringen. Sie ließen ihre
Garderobe im Stiche. Nur mit Mühe gelang es den
Theaterbediensteten, die in der Garderobe abgegebenen
Kleidungsstücke vor Verwüstungen zu schützen. Einzelne
Theaterbesucher flüchteten sich in allerlii Verstecke. Sie
versuchten auch, auf die Bühne selbst zu gelangen, deren
Tür aber aus Sicherheitsgründen geschlossen werden mußte,
nachdem hier ein kleiner Teil der geflüchteten Zuschauer
Schutz gefunden hatte. Ein anderer Teil fand in den
Garderoben der Darsteller vorläufige Unterkunft.
Mißhandlung weiblicher Theaterbesucher.
Es spielten sich hier abschreckende Szenen ab. Eine
förmliche Jagd wurde auf die Flüchten¬
den veranstaltet; Männer, die ihre bedrohten
viele
Frauen beschützen wollten, wurden verprügelt,
von ihnen ourch Hiebe mit Stöcken und mit
Schlagringen verletzt, weibliche
Theaterbesucher bei den Haaren zu
Boden gerissen und geschleift. Während
der Panik stürzten einzelne Personen zu Boden und
wurden hier durch Fußtritte mißhandelt.
Die Hilferufe der Mißhandelten erschollen im Saal,
und dazwischen schrillte der Pfiff der Sirene, mit der das
Kommando gegeben wurde, und das wilde Johlen und
Lärmen der Demonstranten, die im ganzen Theater um¬
herliefen und mit ihren Stöcken unbarmherzig auf jeden,
sie trafen, losschlugen.
den
Während sich diese Szenen abspielten, hatte sich der
Autor des Stückes, Artur Schnitzler, im Theater
eingefunden. Die Panik wurde noch dadurch vergrößert,
daß plötzlich ein dichter Wasserstrahl sich
über den Zuschauerraum ergoß. Nach einer
Darstellung soll ein diensthabender Feuerwehrmann den
nächst der Bühne befindlichen Hydranten geöffnet haben.
Nach einer anderen Darstellung aber ist dies durch einen
Demonstranten geschehen; wenn dies der Tatsache ent¬
pricht, augenscheinlich in der Absicht, die Panik noch zu
vermehren.
Das Eingreifen der Sicherheitswache.
Unterdessen hatte die Sicherheitswache aus der Wach¬
stube in der Postgasse Verstärkung erhalten und unterstützt
von den im Theater den Dienst versehenden Feuerwehr¬
leuten wie auch von den Bühnenarbeitern wurde an die
Räumung des Saales geschritten. Als der Führer der
Demonstranten, der Mann, der mit der Sirenenpfeise die
Signale gegeben hatte, die Verstärkung der Wache be¬
nerkte, gab er seinen Anhängern das Kommando zum
Rückzug. Auch während der Räumung des Saales
spielten sich noch immer Kämpfe zwischen Demonstranten
und Theaterbesuchern ab und die Wache hatte alle Mühe,
De Khnn