II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 409

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anstrengen, um nur ja an keinen Habsburger zu erinnern, und
jeden Tag kam der Direktion eine Verwarnung zu, dieser oder
jener Schauspieler hätte, irgendeiner militärischen Kapazität
ähnlich gesehen. Einige Erzyerzoge besuchten inkognito die Vorstellung.
amüsierten sich ausgezeichnet und waren gar nicht böse. Eines
Abends passierte ein Malheur. Eine Hofdame der Erzherzogin
Die
Maria Josefa saß im Theater und war empört ...
Folgen dieser Empörung machten sich schon am nächsten Tag
bemerkhar. Die Direktoren der Neuen Wiener Bühne wurden aufs
Polizeipräsivium gebeten. Dort legte man ihnen nahe, auf weiters
Aufführungen des interessanten Werkes zu verzichten. Falle
nicht . .. deutete man ihnen zart an, mögen sie bedenken, daß
sie nur eine „erweiterte Singsyielhallenkonzession“ besäßen und
laut dieser nach einem Gesetz aus dem Jahre 52 oder flüher nur
berechtigt seien .. . Die Direktoren verstanden, und der „Feld¬
herrnhügel“ verschwand. Das war natürlich im alten Oesterreich.
— sagt man.
Heute ist dergleichen ja nicht mehr mi
Robert Misch' Komödis
Eine Zensurvergangenheit hat
Sie wurde vor
„Biederleute, die heutige Volkstheater=Novit##
unter Martin
zirka siebzehn Jahren im Berliner Luspielhans
der Hauptrolle,
Zichel zum erstenmal gespielt. Mit Fischer
Jahren sollte
gar
der auch heute diese Rolle spielt. Vor ###
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die Komödie schon im Volkstheater drankommen. Mit Tyrolt.
Aber vor der Generalprobe wurde sie ahresetzt und verschwand.
Sie war Herrn Direktor Weisse, dem
Samäligen Volkstheater¬
direktor, zu „stark“, er wollte dergleschen seinem Publikum
nicht zumuten und opferte Probenmühe und Erfolgchance für das
gesellschaftliche Niveau seines Theaters, dus eine Welt wie die
der „Biederleute“ nicht kennen durste.
Spricht man von Zensur und Zeufurpraktiken, darf man
jenes Zensurverbot im Burgtheater nicht vergessen, das damals in
ganz Deutschland Aufsehen machte: das Verbot der „Rose Bernd
von Hauptmann, das gleichfalls auf hösische Intervention zurück¬
zuführen war. Eine Enherzogin war bei der Aufführung, plötzlich
sprang sie entrüstet auf und rauschte aus der Loge, nicht ohne
vother einen Sessel umzuwerfen. Der Direktionsstuhl Schlenthers
wackelie.
Im Opernballett gab es jetzt erregte Tage. Gestern abend
endlich wurde die Reise nach Spanien angetreten mit herzlichen,
rührenden Abschiedsszenen. Bis zur letzten Minute gleichsam war
es noch ungewiß, wer der künstlerische Leiter der Tournee
sein werde

der Ballettmeister Nikolaus Guerre oder
Dr. Karl Vollmoeller. Es war ein prinzipieller Kampf,
bedeutungsvoll für die Zukunst des Balletts unserer
Staatsoper. Der alten Richtung (Guerre) stand die
neue (Vollmoeller) gegenüber. Und Vollmoeller war der Stärkere,
trotzdem Guerra im Ballettkorps viel Freunde und Freundinnen
hatte. Nun hat Dr. Vollmoeller die künstlerische Führung, und
das spanische Gastspiel wird nicht ohne Folge auf die weitere
Entwicklung unseres Balletts bleiben. Dr. Vollmoeller und der
Maler Ludwig Kainer sind auch für spätere Zeit als künstlerische
Führer gedacht und Richard Strauß wendet dem Ballett seine be¬
sondere Aufmerksamkeit zu. Die „Josef=Legende“ die eben in
Berlin ein Riesenerfolg gewesen, wird auch in Wien heraus¬
kommen, vollständig modern inszeniert und mit den besten
Künstlern unseres Balletts besetzt.
Eine neue Dichterin wird demnächst das Volkstheater
präsentieren: Lina Loos.: Die Dame ist den Kunstkreisen Wiens
wohl bekannt, sie gehörte zum Kreis derer um Peter Altenberg
und ist die Schwester des Burgtheaterschauspielers Karl Forest.
Lina Loos hat ihre Dichtung „Mutter“ an einem Tage nieder¬
geschrieben. Es ist nicht ihr erstes Werk. Vor ein paar Monaten
hat sie eine fünfszenige Komödie beendet, die ihr eigenes Leben
behandelte, mit einer Rolle für sie selbst Lina Loos, die jetzt in
einem Kabarett Lieder vorträgt, ist nämlich Schülerin des Wiener
Konservatoriums und war auch einmal durch einige Tage=Mitglied
des Deutschen Volkstheaters. Bis zur Generalprobe von Paul Bussons
„Ruhmlose Helden“ vor ungefähr fünfzehn Jahren ..
Aber
ihr Auftreten im Volkstheater hat sie bis zu dem Tage verschoben,
an dem sie als Verfasserin des Dramas „Mutter“ vor dem Vor¬
hang erscheinen wird, sich dem ergriffenen Publikum zu zeigen
Der Generalprobe des „Reigen“ wohnte auch eine zur
Literatur Wiens gehörige, nicht mehr ganz junge Dame bei, die
aber die Fähigkeit hat, sich für alles Neue. Junge, Außergewöhn¬
liche besonders zu begeistern. Für die Waghalsigkeiten im „Reigen“
hatte sie jedoch nicht viel Enthusiasmus, ja, sie begriff nicht, 16
den Leuten an den „Reigen"=Szenen so besonders „gewagt
vorkomme.
Worauf jemand entschuldigend meinte: „Sie kann sich eben
nicht mehr erinnern.