11. Reigen
box 17/6
26 /55 Die Weisungen.
Die Regierung Mayr läßt andeuten, daß sie gegen
den Landeshauptmann von Niederösterreich die Anklage
erheben werde! Da es dazu nur eines Beschlusses der
Bundesregierung bedarf, so wird man eine Ausrede nicht
gelten lassen und darauf dringen, daß vor dem Ver¬
assungsgerichtshof die Frage entschieden werde, wobei
schon Jjetzt festzustellen ist, daß wenn die „Anklage“ der
Bundesregierung abgewiesen wird, ihr die Anklage
wider den Bundesminister, der die Gesetzverletzung
unwiderruf¬
begangen hat,
jener „Untersagung“
Die neue Verfassung
läßt
müsse.
lich
folgen
die Anklage gegen einen Landeshauptmann auch „wegen
Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anord¬
nungen des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren
Bundesverwaltung zu“; wir wollen uns den Scherz nicht
versagen, diese Bestimmung der Verfassung mit dem
Vorgehen des Herrn Glanz genauer zu vergleichen.
Vor allem versteht wohl jeder, der etwas
versteht, daß unter den „Verordnungen oder sonstigen
Anordnungen des Bundes“ in gar keinem Falle
ein
in dividuelle Weisungen gemeint
können, vielmehr nur allgemeine Anordnungen
gemeint sind. Denn wenn die Antlage zulässig gemacht
der
hätte werden sollen wegen Nichtbefolgung
Weisungen der Bundesregierung sowie der ein¬
zelnen Bundesminister“, an die der Landeshauptmann in
Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung
gebunden ist, so wäre natürlich die Anklagebestimmung bei
dem Worte „Weisungen" verblieben und
hätte
auch nicht ihren Ursprung von „der Bundesregierung
einzelnen Bundesministerien
den
sowie
in
den „Bund“ verlegt. Die Verfassung läßt
über Gesetze oder über die auf Grund von Bundes¬
gesetzen als allgemein verpflichtend erlassenen Anordnungen
des Bundes hinwegsetzt; die Vorstellung, daß man zum
Verfassungsgerichtshof laufen könnte, weil ein Landes¬
haupimann dem Minister „nicht folgt“, ist natürlich eine
Einfältigkeit. Das wären erstaunlich „selbständige Länder“,
wenn die Regierungen, die sie sich einsetzen, Befehlen der
Minister als ihren Vorgesetzten zu folgen hätten!
Zum zweiten ist zu sagen, daß in dem Wisch des
Herrn Glanz, der an den Magistrat, Abteilung 55, ge¬
richtet ist, überhaupt keine Weisung an den Landeshaupt¬
mann vorliegt. Was aber die Weisungen (nach Artikel 103)
selbst betrifft, so kann ein Gesetz ganz selbstverständlich
nur Weisungen meinen, die in den Gesetzen be¬
gründet sind; nicht solche, die den Gesetzen wider¬
sprächen. Da aber nach der Theaterordnung der
Statt¬
Widerruf einer Aufführungsbewilligung dem
ist für Weisungen des
halter überwiesen ist,
Ministers an den Landeshauptmann da kein Raum. Nur
die eingewurzelte Lakaiengesinnung der bürgerlichen Presse
kann aber meinen, daß der Minister der Republik zu
den Weisungen an den Landeshauptmann berechtigt
wäre, zu denen die k. k. Minister an die k. k. Statthalter
berechtigt waren, also zu Weisungen des Vorgesetzten an
den untergebenen Beamten; zu Weisungen aus der büro¬
kratischen Ueber= und Unterordnung gibt eine Verfassung.
die von selbständigen Ländern ausgeht, natürlich keine
Möglichkeit. Dem k. k. Statthalter konmte der k. k. Minister
befehlen, dazu brauchte er keine Berufung aufs
Gesetz; es war eben in der bürokratischen Hierarchei
begründet. Aber zu Weisungen an die Regierung des
selbständigen Bundeslandes ist der Minister nur insoweit
berechtigt, als das Gesetz ihn ermächtigt, als das Gesetz
ihm dazu die Handhabe gibt; aber gerade die
Theaterordnung, die den Statthalter zum Herrn der
Entscheidung macht, gibt dem Minister dieses Recht
nicht. Wenn die Regierung nicht durch das Gesetz
selbst die dritte Instanz ist — und das ist sie hier.
wie ausreichend nachgewiesen, nicht —, so fehlt für seine
„Weisungen“ jede rechtliche Grundlage, die er sich jetzt
nicht mehr aus der alle Unterbehörden beherrschenden
Stellung der Regierung des zentralistischen Staates ab¬
leiten kann, sondern die nur das betressende
Gesetz selbst zu liesern vermöchte — was es hier
nicht tut.
Wir möchten also schon sehr ernstlich darum bitten,
daß die hohe Bundesregierung den „Antlagebeschluß“
jasse; wir wünschen nämlih, daß Herrn Glanz die Unver¬
schämtheit seiner Gesetzverletzung auch vom Verfassungs¬
gerichtshof attestiert wird.
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26 /55 Die Weisungen.
Die Regierung Mayr läßt andeuten, daß sie gegen
den Landeshauptmann von Niederösterreich die Anklage
erheben werde! Da es dazu nur eines Beschlusses der
Bundesregierung bedarf, so wird man eine Ausrede nicht
gelten lassen und darauf dringen, daß vor dem Ver¬
assungsgerichtshof die Frage entschieden werde, wobei
schon Jjetzt festzustellen ist, daß wenn die „Anklage“ der
Bundesregierung abgewiesen wird, ihr die Anklage
wider den Bundesminister, der die Gesetzverletzung
unwiderruf¬
begangen hat,
jener „Untersagung“
Die neue Verfassung
läßt
müsse.
lich
folgen
die Anklage gegen einen Landeshauptmann auch „wegen
Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anord¬
nungen des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren
Bundesverwaltung zu“; wir wollen uns den Scherz nicht
versagen, diese Bestimmung der Verfassung mit dem
Vorgehen des Herrn Glanz genauer zu vergleichen.
Vor allem versteht wohl jeder, der etwas
versteht, daß unter den „Verordnungen oder sonstigen
Anordnungen des Bundes“ in gar keinem Falle
ein
in dividuelle Weisungen gemeint
können, vielmehr nur allgemeine Anordnungen
gemeint sind. Denn wenn die Antlage zulässig gemacht
der
hätte werden sollen wegen Nichtbefolgung
Weisungen der Bundesregierung sowie der ein¬
zelnen Bundesminister“, an die der Landeshauptmann in
Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung
gebunden ist, so wäre natürlich die Anklagebestimmung bei
dem Worte „Weisungen" verblieben und
hätte
auch nicht ihren Ursprung von „der Bundesregierung
einzelnen Bundesministerien
den
sowie
in
den „Bund“ verlegt. Die Verfassung läßt
über Gesetze oder über die auf Grund von Bundes¬
gesetzen als allgemein verpflichtend erlassenen Anordnungen
des Bundes hinwegsetzt; die Vorstellung, daß man zum
Verfassungsgerichtshof laufen könnte, weil ein Landes¬
haupimann dem Minister „nicht folgt“, ist natürlich eine
Einfältigkeit. Das wären erstaunlich „selbständige Länder“,
wenn die Regierungen, die sie sich einsetzen, Befehlen der
Minister als ihren Vorgesetzten zu folgen hätten!
Zum zweiten ist zu sagen, daß in dem Wisch des
Herrn Glanz, der an den Magistrat, Abteilung 55, ge¬
richtet ist, überhaupt keine Weisung an den Landeshaupt¬
mann vorliegt. Was aber die Weisungen (nach Artikel 103)
selbst betrifft, so kann ein Gesetz ganz selbstverständlich
nur Weisungen meinen, die in den Gesetzen be¬
gründet sind; nicht solche, die den Gesetzen wider¬
sprächen. Da aber nach der Theaterordnung der
Statt¬
Widerruf einer Aufführungsbewilligung dem
ist für Weisungen des
halter überwiesen ist,
Ministers an den Landeshauptmann da kein Raum. Nur
die eingewurzelte Lakaiengesinnung der bürgerlichen Presse
kann aber meinen, daß der Minister der Republik zu
den Weisungen an den Landeshauptmann berechtigt
wäre, zu denen die k. k. Minister an die k. k. Statthalter
berechtigt waren, also zu Weisungen des Vorgesetzten an
den untergebenen Beamten; zu Weisungen aus der büro¬
kratischen Ueber= und Unterordnung gibt eine Verfassung.
die von selbständigen Ländern ausgeht, natürlich keine
Möglichkeit. Dem k. k. Statthalter konmte der k. k. Minister
befehlen, dazu brauchte er keine Berufung aufs
Gesetz; es war eben in der bürokratischen Hierarchei
begründet. Aber zu Weisungen an die Regierung des
selbständigen Bundeslandes ist der Minister nur insoweit
berechtigt, als das Gesetz ihn ermächtigt, als das Gesetz
ihm dazu die Handhabe gibt; aber gerade die
Theaterordnung, die den Statthalter zum Herrn der
Entscheidung macht, gibt dem Minister dieses Recht
nicht. Wenn die Regierung nicht durch das Gesetz
selbst die dritte Instanz ist — und das ist sie hier.
wie ausreichend nachgewiesen, nicht —, so fehlt für seine
„Weisungen“ jede rechtliche Grundlage, die er sich jetzt
nicht mehr aus der alle Unterbehörden beherrschenden
Stellung der Regierung des zentralistischen Staates ab¬
leiten kann, sondern die nur das betressende
Gesetz selbst zu liesern vermöchte — was es hier
nicht tut.
Wir möchten also schon sehr ernstlich darum bitten,
daß die hohe Bundesregierung den „Antlagebeschluß“
jasse; wir wünschen nämlih, daß Herrn Glanz die Unver¬
schämtheit seiner Gesetzverletzung auch vom Verfassungs¬
gerichtshof attestiert wird.