II, Theaterstücke 11, (Reigen, 0), Reigen. Zehn Dialoge, Seite 413

11.
Reigen
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„Reigen“ erlägen Christlichsoziäte us
Sozialdemokraten #schen bereits seit einigen
Tagen aus Verbösf oder Zulassung des
„Reigen“ ein Polktikum, und schließlich hat
die Regerung über die Tatsache der
ordnungsgemäß zensurierten
Vorstellung hinweg das Verbot des
„Reigen“ verfügt. Wir wollen hier nicht dar¬
nach fragen, ob der Oeffentlichkeit ein Kunst¬
werk verloren geht, wenn der „Reigen“, nicht
mehr gespielt wird, es handelt sich an erster
Stelle auch nicht um Wert oder Unwert des
Schnitzlerschen Werkes. Dieses Verbot und
seine Vorgeschichte sind nur für die innere
Struktur dieses Staatswesens bezeichnend, in
dem eine Behörde nicht weiß, was de andere
tut, Kompetenzen nicht kompetent sind. Die
ganze Affäre befindet sich heute bereits in
einem Stadium, da man füglich von einem
Verfassungskonflikt sprechen kaun.
Der Landeshauptmann von Wien hat näm¬
lich den Erlaß des Bundesministeriums für
Inneres nicht zur Kenntnis genommen. Von
dem großen Ernst der augenblicklichen
Sitnation zeugen die Sturmszenen.
die sich heute im Nationalratab¬
spielten.
Der Bürgermeister nimmt den
Erlaß nicht zur Kenntnis.
Im Ruthause ist heute nachmittags ein
Erlaß des Bundesministeriums
für Inneres eingelaufen, in dem milge¬
telt wird, daß auf Grund des § 5 der
Theaterordnung vom Jahre 1850
die welteren Aufführungen des
„Reigen“ verboten sind. Der
Bürgermeister hat auf diesen Erlaß sofort
leantwortet und in seiner Eutgegnung
durauf hingswiesen, daß dieser Erlaß den Be¬
mmungen der gierten Verordnung und der
einschlizigen gesotzlichen Bestimmungen n.cht
entfpricht und daher von ihm nicht
zur Konntuidgenommen werden
lann.
Bird „Reigen“ heute abeyds
gespielt?
## # höchstwahrscheinlich, daß trotz des
Desboles der Rogierung heute abends eine
Aufführung des „Reigen“ stalffindet. Denn
das Verbot ist bisher noch nicht zur
effiziellen Kenntnis der Direk¬
tion des Deutschen Volkstheaters
gelangt. Die Theater Wiens unterstehen
der Landesregierung und das Verbot einer
Theaterverstellung kann gesetzmäßig nur
durch die Instanz des Landes¬
hauptmennes, also des Bürgermeisters
Neumann, erfolgen. Bürgermeister Reumann
var aber diejenige Persönlichleit, die trotz des
ablehnenden Standpunktes der Polizeizensur
den „Reigen“ freigab. Es ist nun fraglich, ob
er sich entschließt, seine eigene Meinung
ad abeurdum zu führen und der Direktion
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de Petar
WIENER ALLGEREINE ZEITENE
WIEN
11. 2.1921
„Wir spielen den „eigen
weiter.
Der Standpunkt Direktor
Bernaus.
Direktor Bernau äußert sich über
die Situation wie folgt: Mirist bisher
ein Verbot der Aufführungen
des „Reigen“ zugegangen, und ich
glaube, daß ein solches Verbot auch nicht
eintreffen kann. Die Wiener Bühnen
unterstehen der Landesregierung, und diese
Behörde hat die Vorstellung des „Reigen“
gestattet. Landeshauptmann Reumann hat
öffentlich erklärt, daß er das Stück frei¬
gebe, nud ich glaube nicht, daß Reumann
der Mann ist, irgendwelchen Pres¬
sionennach zugeben. Ich war wegen
der Gerüchte gestern beim Polizeipräsidenten
Schober, der mir erklärte: „Das Stück
ist freigegeben. Ichwardagegen.
Jetzt schütze ich das Stück.“ Dies
die Meinung der Polizei. Ich glaube, daß
das Verbot des „Reigen ein Ding der Un¬
nöglichkeit ist. Für die heutige Abendvor¬
tellung wurden alle Maßnahmen ge¬
troffen, die den ruhigen Verlauf der Auf¬
ührung gewährleisten.“
Arthur Schnitzler war heute vor¬
mittags im Deutschen Volks¬
theater, um sich nach dem Stand der An¬
gelegenheit zu erkundigen. Man versichert:
ihm, daß die weiteren Vorstellungen des
„Reigen“ keine Unterbrechung
erfahren.